Horatio Alger
Horatio Alger junior (* 13. Januar 1832 in Chelsea (heute Revere), Massachusetts; † 18. Juli 1899 in Natick, Massachusetts) war ein populärer US-amerikanischer Autor im späten 19. Jahrhundert. In mehr als 130 Groschenromanen schilderte er, wie sich für arme, aber ehrliche und hart arbeitende Jungen der Amerikanische Traum vom sozialen Aufstieg erfüllt – meist, indem sie durch eine heldenhafte Tat die Gunst eines reichen Förderers gewinnen können.
Weil Alger das Schema seiner Romane kaum änderte, sank ihre Popularität im Laufe der Zeit. Trotzdem waren sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Bestseller und konnten in der Beliebtheit mit den Büchern Mark Twains konkurrieren.
Leben
In Massachusetts als Sohn eines unitarischen Geistlichen geboren, studierte Alger an der Harvard-Universität unter Henry Wadsworth Longfellow in der Absicht, eines Tages Dichter zu werden. Nach dem Studienabschluss fand er als Journalist und Lehrer Arbeit. Von der Armee wegen Asthmas ausgemustert, unternahm er eine Reise nach Europa, wo er schließlich entschied, Geistlicher zu werden, wie es sein Vater sich immer gewünscht hatte. Er nahm eine Stelle in Cape Cod an, ging jedoch 1866 nach New York, angeblich, um eine Karriere als Autor zu beginnen. Nach Algers Tod entdeckte Aufzeichnungen der Kirche besagen, dass er, ohne Aufsehen zu erregen, entlassen wurde, weil er sexuelle Beziehungen mit verschiedenen Jungen seiner Gemeinde hatte.
Der Umzug nach New York war ein Wendepunkt in Algers Karriere. Er wurde sofort in die Welt der verarmten jungen Stiefelputzer, Zeitungsjungen und Hausierer hineingezogen. Diese Welt und die strenge Erziehung, die Alger genossen hatte, waren die Basis für den ersten Roman in seiner Serie über Ragged Dick von 1867. Der sofortige Erfolg des Buches spornte Alger zu einer Vielzahl von Fortsetzungen und ähnlichen Romanen wie Luck and Pluck (1869) und Tattered Tom (1871) an, die alle dasselbe Thema behandelten: den Aufstieg from rags to riches, vom Tellerwäscher zum Millionär. Tatsächlich wurde Horatio Alger, dessen Erfolgsformel auf Glück, Mut und Tugend beruhte, zum Synonym für dieses Genre.
Alle Romane Algers behandeln das gleiche Thema: Ein junger Knabe rackert sich ab, um durch harte Arbeit der Armut zu entkommen. Kritiker weisen darauf hin, dass es nicht die harte Arbeit selbst ist, die den Jungen vor seinem Schicksal bewahrt, sondern vielmehr eine außergewöhnlich mutige oder ehrliche Tat, die ihn mit einem reichen älteren Herrn in Berührung bringt, der ihn dann als Mündel aufnimmt. Der Junge konnte z. B. eine große Summe verlorenen Geldes zurückbringen oder jemanden aus einem umgestürzten Wagen retten, was dann eine reiche Person auf den Jungen – und seine Not – aufmerksam machte. Es wurde behauptet, dies reflektiere Algers eigene bevormundende Einstellung gegenüber den Jungen, denen er zu helfen versuchte.
Trotz seines bemerkenswerten literarischen Ausstoßes verhalfen seine Bücher Alger nicht zu Reichtum. Er gab den Großteil seines Geldes an obdachlose Jungen und wurde in einigen Fällen sogar von Jungen, denen er zu helfen versuchte, bestohlen. Dennoch waren seine Bücher 1899, als er starb, in nahezu jedem amerikanischen Heim und in nahezu jeder amerikanischen Bibliothek zu finden. Sie mögen heute nicht mehr so beliebt sein, wie sie es einst waren, aber die moralischen Botschaften, die sie weitergaben, waren ein wichtiger Faktor in der Entwicklung des „Amerikanischen Traums“ im 20. Jahrhundert.
Zum Zeitpunkt seines Todes lebte Alger mit seiner Schwester Augusta zusammen. Sie vernichtete seine persönlichen Unterlagen, um das Andenken des Bruders vor dem bei ihrem Bekanntwerden befürchteten Skandal zu schützen.
Seit 1947 verleiht die Horatio Alger Association jährlich einen Preis für „herausragende Persönlichkeiten unserer Gesellschaft, die trotz Widrigkeiten Erfolg hatten“ und Stipendien, „um junge Leute zu ermutigen, ihre Träume mit Bestimmtheit und Beharrlichkeit zu verfolgen“.
Der New Yorker Ortsverband der 1978 gegründeten North American Man/Boy Love Association, die Straffreiheit für Päderastie fordert, nannte sich nach Alger.
Werke (Auswahl)
- John Maynard: A Ballad of Lake Erie January (Gedicht, 1868)
- Ragged Dick; or, Street Life in New York with the Bootblacks (Roman, 1868)
- Luck And Pluck; or, John Oakley’s Inheritance (Roman, 1869)
- Tattered Tom; or, The Story of a Street Arab (Roman, 1871)
- Phil the Fiddler; or, The Story of a Young Street Musician (Roman, 1872)
- The Train Boy (1883)
- Abraham Lincoln: the Backwoods Boy; or, How A Young Rail-Splitter Became President (Biografie, 1883)
- Dan, the Detective (1884)
- The Cash Boy (1887)
- A Fancy of Hers (1892)
- Frank Hunter’s Peril (1896)
- The Young Salesman (1896)
- A Rolling Stone; or, The Adventures of a Wanderer (1902)
- Adrift in New York; or, Tom and Florence Braving the World (1904)
Horatio Alger in der Literatur
- In Die Ballade von der Typhoid Mary von Jürg Federspiel werden die schlechten Erfahrungen eines jungen Mannes im späten 19. Jahrhundert beschrieben, der versucht, nach Algers Philosophie zu leben, aber von den Reichen, denen er hilft, gnadenlos ausgenutzt wird. So ruft, als er einem wohlhabenden Mann seine verlorene Brieftasche hinterherträgt, dieser direkt die Polizei und bringt ihn damit hinter Gitter.
- In seinem Buch Melancolia Americana widmet Jürg Federspiel Horatio Alger ein Kapitel.
- Das siebte Kapitel in Michael Moores Werk Dude, where’s my country? (dt. Volle Deckung, Mr. Bush) trägt den Titel Horatio Algers muss sterben und greift den Tellerwäscher-Mythos in den USA an, da dieser die arme und mittelständische Bevölkerung davon abhalte, um ihre Rechte und eine stärkere Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat zu kämpfen.
- Horatio Alger wird mehrere Male im Buch Angst und Schrecken in Las Vegas des Gonzo-Journalisten Hunter S. Thompson erwähnt. Das Lyrische Ich des Buches Raoul Duke bezieht sich häufig auf Alger. So stellt sich Duke mehr als nur einmal die Frage: „Was würde Horatio Alger in dieser Situation machen?“. Im Schlusssatz kann man auch lesen, dass er sich wie „eine Monsterreinkanation von Horatio Alger“ fühle.
- Algers Ballade John Maynard: A Ballad of Lake Erie (1868) könnte Theodor Fontane zu seiner Ballade John Maynard (1896) angeregt haben.
- Nathanael West parodiert in seiner bitterbösen Satire Eine glatte Million (1934) das amerikanische Glücksstreben, wie es Horatio Alger in seinen Romanen propagierte.
Weblinks
- Werke Horatio Algers online 1 31 von Algers Werken beim Project Gutenberg (englisch)
- Werke Horatio Algers online 2 18 von Algers Werken (mit A Fancy of Hers, nur in dieser Sammlung) (englisch)
- Werke Horatio Algers online 3 drei von Algers Werken (mit The Maniac’s Secret, nur in dieser Sammlung) (englisch)
- Glen Hendler: Alger, Horatio – Artikel in der Oxford Research Encyclopedia (Literature) vom Juli 2017 (englisch)
- Literatur von und über Horatio Alger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Horatio Alger in der Datenbank von Find a Grave (englisch)