Himmelfahrt
Himmelfahrt bezeichnet das in Religionen und Mythen weit verbreitete Sujet, bis zu einem höchsten Ziel zu gelangen. Im Judentum, Christentum und im Islam bezieht er sich konkret darauf, dass jemand leiblich und endgültig ins Jenseits gelangt, ohne zu sterben (oder ohne einen Leichnam zurückzulassen). Im deutschen Sprachraum bezieht sich die Bezeichnung Himmelfahrt meist auf eines von zwei christlichen Festen: Christi Himmelfahrt, ein bewegliches Fest am 40. Tag nach Ostern, und Mariä Aufnahme in den Himmel, volkstümlich Mariä Himmelfahrt genannt, am 15. August.[1]
Schamanen, Griechen und Römer
Bereits die altägyptische Vorstellung vom Himmelsaufstieg oder die Seelenreisen der Schamanen bringen das Streben zum Ausdruck, zu einem höchsten Ziel zu gelangen, ebenso das Auftreten flugfähiger Wesen (Engel) sowie die göttliche Hilfeleistung (Duranki, Sumerische Religion) oder eigenes Geschick (Ikarus). Plato und Plutarch beschreiben Jenseitsreisen.[2] Auch die hellenistischen Mysterienreligionen, wie zum Beispiel der Mithraismus, geben Anweisungen für eine Reise in den Himmel.
Eine Entrückung kommt bereits bei Homer vor (Iphigenia), und die Himmelfahrt ist bereits bei den Griechen und Römern bekannt (Herakles, Romulus). Herakles, so berichtet der antike Mythos, soll nach Vollendung seiner zwölf Aufgaben in den Olymp entrückt worden sein. Livius (1,16) und Plutarch (Rom. 28,36) beschreiben, wie Romulus entrückt und in den Himmel gehoben wurde. Man nahm für sogenannte Heroen an, dass sie zu ihren göttlichen Vätern zurückkehren würden.
Judentum
Die Jüdische Bibel (Tanach) erzählt die Entrückung des Henoch im Buch 1. Buch Mose (5,24), nachdem er 365 Jahre auf Erden war (5,23), und die Himmelfahrt des Propheten Elija in einem feurigen Wagen (2. Könige 2,11). Das Judentum kennt die Legenden der Himmelfahrt des Mose, deren Entstehung in das 1. Jahrhundert v. Chr. zurückreicht, sowie die später entstandene von der Himmelfahrt des Jesaja.
Christentum
Die Himmelfahrt Christi als Sohn Gottes zu seinem Vater in den Himmel erwähnt das Neue Testament dreimal: in Markus (Mk 16,19 ), in Lukas (Lk 24,51 ) sowie in der Apostelgeschichte 1,1–11. Nur an letzter Stelle wird sie ausführlich geschildert. Demnach begegnet der auferstandene Christus über vierzig Tage hinweg wiederholt seinen Jüngern und wird dann in den Himmel aufgenommen, wo er mit dem Platz „zur Rechten Gottes“ die Macht über Himmel und Erde erhält. Im Christentum gibt es in der katholischen und orthodoxen Kirche den Glauben an die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel, volkstümlich auch als Mariä Himmelfahrt bezeichnet. In den Apokryphen wird auch die Himmelfahrt des Simon Petrus beschrieben.
Islam
In Sure 4, Vers 157 heißt es, dass Isa bin Maryam (Jesus) nicht getötet oder gekreuzigt worden sei, sondern von Gott zu sich erhoben wurde.
Islamischen Überlieferungen zufolge wurde der Prophet Mohammed durch ein Wunder von Mekka nach Jerusalem versetzt, von wo aus er zum Himmel hinaufstieg. Die al-Aqsa-Moschee (nach Sure 17, Vers 1: „die ferne Kultstätte“), im frühen achten Jahrhundert gebaut, setzte die islamische Koranexegese endgültig mit dieser koranischen fernen Kultstätte gleich und machte sie und das gesamte Gebiet von Jerusalem damit zum drittheiligsten Ort nach Mekka und Medina. Mohammeds Himmelfahrt fand allerdings nicht von der al-Aqsa-Moschee, sondern von demjenigen Felsblock auf dem Tempelberg aus statt, über dem unter den Umayyaden der Felsendom errichtet wurde. Die im 10. Jahrhundert entstandene Literatur mit Lobpreisungen der Vorzüge Jerusalems – faḍāʾil bait al-maqdis – knüpft an diese alte Tradition an.
Literatur
- Norbert Johannes Hofmann: Die Assumptio Mosis. Studien zur Rezeption massgültiger Überlieferung. Journal for the Study of Judaism, Supplements 67. Brill, Leiden u. a. 2000, ISBN 90-04-11938-8.
- Tobias Nünlist: Himmelfahrt und Heiligkeit im Islam: eine Studie unter besonderer Berücksichtigung von Ibn Sīnās Mi'rāg-nāmeh. Studia religiosa Helvetica, Series altera 6. Lang, Bern u. a. 2002, ISBN 3-906769-23-2.
- M. Mühling: Grundinformation Eschatologie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-03619-8, S. 101–122, bes. 117–119.
- Max Scherberger: Das Mi'ragname. Die Himmel- und Höllenfahrt des Propheten Muhammad in der osttürkischen Überlieferung. Würzburg 2003. (Arbeitsmaterialien zum Orient. Band 14).
- Stephen J. Shoemaker: Ancient Traditions of the Virgin Mary’s Dormition and Assumption. Oxford Early Christian Studies. University Press, Oxford 2002, ISBN 0-19-925075-8.
- Peter Landesmann: Die Himmelfahrt des Elija. Entstehen und Weiterleben einer Legende. Sowie ihre Darstellung in der frühchristlichen Kunst. Böhlau, Wien u. a. 2004, ISBN 3-205-77184-2.
- Moshe Idel: Ascensions on High in Jewish Mysticism. Pillars, Lines, Ladders. Pasts incorporated 2. Central European University Press, Budapest 2005, ISBN 963-7326-03-0, Inhaltsverzeichnis
Weblinks
- Michael Luetge: Himmelsreisebücher aus der Entstehungszeit des AT und NT. In: Ruhr-Uni-Bochum.de. (deutsche Übersetzungen von apokryphen Himmelfahrtstexten: Henoch, Baruch, Levi, Mose, Jesaja).
Einzelnachweise
- Himmelfahrt. In: Leipziger Wortschatz. Abgerufen am 2. Juli 2020.
- Hans Peter Duerr: Die dunkle Nacht der Seele. Nahtod-Erfahrungen und Jenseitsreisen. Insel, Berlin 2015, ISBN 978-3-458-17631-2.