Heilbronner Dachsteinunglück
Das Heilbronner Dachsteinunglück war ein Ereignis im Jahr 1954, bei dem zehn Schüler und drei Lehrer aus Heilbronn in einem Schneesturm am Dachsteinmassiv in Oberösterreich ums Leben kamen.
Bergunfall
In der Karwoche des Jahres 1954 verbrachte eine rund 150-köpfige Reisegesellschaft aus Heilbronn,[1] darunter eine etwa 40-köpfige Gruppe[2] von der Knabenmittelschule Heilbronn (heutige Dammrealschule) mit ihren Lehrern ihre Ferien in der Bundessportschule Obertraun. Die Gruppe plante dabei einige Bergwanderungen,[3] unter anderem auf den Krippenstein, wo damals gerade die ersten beiden Sektionen der Seilbahn errichtet wurden.
Trotz ungünstiger Wetterlage wagte eine 14-köpfige Gruppe (zehn Schüler und vier Lehrer) am 15. April, dem Gründonnerstag, unter Leitung des Lehrers Hans Georg Seiler den Aufstieg. Dabei wurden sie jedoch wiederholt gewarnt, so unter anderem von der Hüttenwirtin der Schönbergalm und zwei Arbeitern der Materialseilbahn, die vom Stützpunkt 5 kommend beim Abstieg waren; sie waren die letzten, die die dreizehn Verunglückten noch lebend gesehen haben.
Nachdem die Gruppe am Abend nicht in ihre Unterkunft zurückgekehrt war, wurde noch in der Nacht eine Suchaktion gestartet. Erst am Osterdienstag fand man erste Spuren der Gruppe, am darauf folgenden Wochenende die ersten Toten und nach rund eineinhalb Monaten die letzten.[4] Die Suchaktion war eine der größten der alpinen Geschichte mit über 400 Bergrettern, Alpingendarmen und freiwilligen Helfern.[5] Die Lehrerin Hildegard Mattes überlebte als Einzige das Unglück, da sie nach zwei Stunden Fußmarsch umkehrte.[2]
Die Opfer
- Willi Alfred Dengler, 16 Jahre, Schüler
- Herbert Adolf Kurz, 15 Jahre, Schüler
- Peter Lehnen, 15 Jahre, Schüler
- Peter Eberhard Mössner, 16 Jahre, Schüler
- Rolf Richard Mössner, 14 Jahre, Schüler
- Roland Georg Josef Rauschmaier, 15 Jahre, Schüler
- Karl-Heinz Rienecker, 16 Jahre, Schüler
- Hans Werner Rupp, 24 Jahre, Lehrer
- Hans Georg Seiler, 40 Jahre, Lehrer (in manchen Quellen Schreibweise: Sailer)
- Kurt Seitz, 14 Jahre, Schüler
- Dieter Steck, 16 Jahre, Schüler
- Klaus Josef Strobel, 15 Jahre, Schüler
- Christa Doris Vollmer, 24 Jahre, Lehrerin[6]
Gedenken
Auf dem Heilbronner Hauptfriedhof wurde ein Gedenkstein errichtet. 1959 baute man auf dem Krippenstein eine kleine Kapelle,[7] in der eine Glocke aus der Stadt Heilbronn aufgezogen wurde – dem Gedächtnis der Opfer gewidmet.
Das Heilbronner Kreuz, ein schlichtes Holzkreuz, wurde etwa an der Stelle der Auffindung der Toten errichtet, rund drei Kilometer südöstlich vom Krippenstein auf einer Höhe von 1959 Metern am Wanderweg zur Gjaidalm. Es ist über mehrere Wanderwege erreichbar.
Der obersteirische Schriftsteller Peter Gruber versuchte in seinem Roman Tod am Stein (2006) eine literarische Annäherung an die Vorfälle, nachdem er sich für das Heilbronner Stadtarchiv jahrelang mit den Fakten auseinandergesetzt hatte.
Anlässlich des 60-jährigen Gedenkens komponierte Jochen Neurath Gefrorene Träume, eine szenische Kantate für zwei Chöre, in der das Unglück musikalisch und szenisch verarbeitet wird. Sie wurde 2014 in der Kilianskirche (Heilbronn) von dem Kammerchor des Mönchsee-Gymnasiums und dem Heilbronner Vokalensemble uraufgeführt.[8][9]
60 Jahre nach dem Unglück gestaltete der ORF Oberösterreich eine Sendung aus der Reihe Erlebnis Österreich.[10]
Schuldfrage
Während der seit Jahrzehnten stattfindenden Gedenkfeiern wurde die Schuldfrage stets ausgeblendet. Anlässlich des 60-jährigen Gedenktages strahlte Servus TV am Karfreitag 2014 eine Dokumentation im Rahmen der Serie Retroalpin aus. In dieser Dokumentation bezieht der Filmemacher Hajo Baumgärtner eindeutig Stellung und weist Lehrer Hans Georg Seiler die Hauptverantwortung für das Unglück zu.[11] Dieselbe Ansicht vertritt die Schwester von Klaus Josef Strobel, Beate Strobel-Müller. Für den Leiter des Heilbronner Stadtarchivs, Christhard Schrenk, ist jedoch die Frage nach der Schuld nicht zu beantworten.[12]
Literatur
- Christhard Schrenk (Hrsg.): Das Heilbronner Dachsteinunglück 1954. Zehn Schüler und drei Lehrer verlieren am Karfreitag ihr Leben. Stadtarchiv Heilbronn, Heilbronn 2004, ISBN 3-928990-87-X (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn, 44) heilbronn.de (PDF; 85 MB)
Weblinks
Einzelnachweise
- Drei Lehrer und zehn Schüler im Dachsteingebiet vermißt. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 17. April 1954, S. 1 (Die Internetseite der Arbeiterzeitung wird zurzeit umgestaltet. Die verlinkten Seiten sind daher nicht erreichbar. – Digitalisat).
- „Heilbronner Dachsteinkatastrophe“: Gedenken an den Ausflug in den weißen Tod. Der Standard; abgerufen am 26. April 2012
- Josef Khälß: Karfreitagtragoedie 1954 am Dachstein. woadsack.at; abgerufen am 17. August 2017
- Heilbronner Tragödie. Bergrettung Obertraun; abgerufen am 26. April 2012
- Heilbronner Dachstein-Tragödie 1954. Gemeinde Obertraun; abgerufen am 26. April 2012
- Rudolf Lehr: Dachstein: Abenteuer in Vergangenheit und Gegenwart. OÖ Landesverlag, Linz 1982, ISBN 3-85214-333-0
- Trauriges Tagebuch. Stimme.de; abgerufen am 26. April 2012
- Vokalensemble Heilbronn. Kirchenmusik an der Kilianskirche Heilbronn, 25. Mai 2011, abgerufen am 7. Februar 2019.
- Gedenken an Dachstein-Unglück. In: Stimme.de. Abgerufen am 7. Februar 2019.
- Vorpremiere zur ORF-Doku „Erlebnis Österreich“: 60 Jahre nach der „Heilbronner Dachstein-Tragödie“. 7. April 2014; abgerufen am 18. Dezember 2017
- Der Seiler hätte diese Tour nicht machen dürfen. nachrichten.at; abgerufen am 19. April 2014
- Ostern vor 60 Jahren: «Sie führen die Schüler in den Tod» – Das Unglück im Dachsteingebirge. News4teachers; abgerufen am 19. April 2014