Heidi Frei

Heidi Frei (* 1927 i​n Zürich; † 27. Februar 2015) w​ar eine Theaterpädagogin a​us der Schweiz. Sie g​ilt als e​ine der Gründerinnen[1] u​nd Botschafterinnen d​er Jeux Dramatiques.

Kurzbiografie

Heidi Frei wurde 1927 in Zürich geboren. In ihrer Jugend kam sie durch die Pfadfinderarbeit in der Schweiz in Berührung mit Jeux Dramatiques als einer Spielform, welcher sie ihr Lebenswerk widmete. Vor allem das freie Märchenspiel begeisterte sie für das Theater und später befasste sie sich intensiv mit den psychologischen Tiefenschichten und -bedeutungen von Märchen. Sie besuchte einen Kurs für Regiearbeit, wo eine junge Schauspielerin ihr durch ihre Darstellung einen neuen Blick auf ihr bisheriges Theaterverständnis ermöglichte. Sie verfasste das in der Theaterpädagogik häufig zum Einsatz kommende Buch „Jeux Dramatiques mit Kindern 2“, in welchem sie die bestehende Methode weiterentwickelt und auch der Arbeit mit Erwachsenen angepasst hat. 1972 autorisierte sie die in der Schweiz entstandene Gruppe „Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Ausdrucksspiel“. Ende Februar 2015 starb Heidi Frei in der Schweiz.

Jeux Dramatiques

Jeux Dramatiques bezeichnet das Ausdrucksspiel, das aus dem Erleben schöpft. Ursprünglich geht es auf den Pädagogen Léon Chancerel aus Frankreich zurück, welcher 1936 die Methode entwickelte und ihr einen Namen gab. Im Zentrum der Methode stehen eine subjektive Ausrichtung, Selbsterfahrung durch eine neue und veränderte Körper- und Sinneswahrnehmung und die expressive Äusserung des Erlebens durch das Theaterspielen. Diese Form des Ausdrucksspiels geht davon aus, dass durch Bewegung, Mimik und Körpersprache das innere Erleben nach aussen wahrnehmbar wird. Dabei soll keine Rolle gespielt werden, oder etwas möglichst authentisch dargestellt werden, sondern das Empfinden und Erleben der spielenden Person im Augenblick des Spiels ausgedrückt werden. Es soll den Spielenden die Möglichkeit bieten, sich selbst über die gespielte Rolle näher zu kommen und sich anders wahrzunehmen. Da diese Technik dabei helfen kann, unbewusste oder verborgene Vorstellungen, Wünsche und Ängste auszudrücken bzw. diese zu erkennen, findet sie manchmal auch in der Psychotherapie Anwendung.

Weiterentwickelte Methode von Heidi Frei

Für ihre Weiterentwicklung setzte sich Frei mit Konstantin Sergejewitsch Stanislawski auseinander, welcher bereits Chancerel zur Entwicklung dieser Spielform inspiriert hatte. Viele seiner Ansätze wurden von ihr miteinbezogen. Wichtig sind die Rahmenbedingungen für Spielende und das Spiel selbst. Das Spiel wird von einer Spielleitung begleitet, welche die Aufgabe hat, einen Raum möglichst frei von Wertungen zu schaffen um einen Prozess des Erlebens und Ausdrückens zu ermöglichen. Das Gefühl von Leistungsdruck oder Annahmen von richtigen oder falschen Rolleninterpretationen sollen unbedingt vermieden werden. Die Spielleitung gibt Impulse vor, aus denen die Spielenden ihre Rollen selbst entwickeln. Anschliessend schlüpfen die Spielenden in ihre Rollen und gestalten eigene Räume um ihr Erleben mitzuteilen. Häufig wird ein Gong eingesetzt, um Beginn und Ende des Spiels für alle Beteiligten klar zu signalisieren. Ziele des spielerischen Ausdrucks sind die Aufarbeitung von Themen entlang einer Handlung, gemeinsames lustvolles Agieren und Reagieren, eigene Fähigkeiten zu erkunden und auszuprobieren, neue Kommunikationsmöglichkeiten zu entdecken, soziale Muster zu erkennen und die eigene Gefühlswelt erfahren und mitteilen zu lernen. Bei dieser Methode wird davon ausgegangen, dass durch die Identifikation mit verschiedenen Rollen bei allen Beteiligten Entwicklungsprozesse angeregt werden, welche Selbstreflexion ermöglichen. Die Sinneserfahrung und das Einfühlungsvermögen der Spielenden stehen dabei im Vordergrund. Die Jeux Dramatiques stellen einen Prozess des Erlebens, sich Ausdrückens, Gestaltens und Zusammenwirkens dar. Die Einteilung des Spiels nach Heidi Frei erfolgt in vier Schritten, welche sie mit RSPV benennt. Jeder Buchstabe steht dabei für einen der Schritte:

Erster Schritt – R: Der bezeichnende Buchstabe s​teht in dieser Anfangsphase d​es Spiels für Rohstoff. Es handelt s​ich dabei u​m inhaltliche, a​ber auch äussere Rohstoffe. Erstere meinen Zielvorstellungen, Beweggründe u​nd Bedürfnisse d​er Personen, welche s​ich in d​ie Spielsituation begeben. Letztere s​ind bereitzustellendes Material w​ie etwa Requisiten, Musik, Ortsangaben, mögliche Rollen o​der auch Texte u​nd Textpassagen. In dieser Phase werden d​ie ersten Überlegungen für d​as Spiel gemacht.

Zweiter Schritt – S: In diesem Schritt g​eht es u​m die Spielvorbereitung. Thema u​nd Rolle sollen, ebenso w​ie ein möglicher Text, ausgearbeitet werden. Wichtig ist, d​ass die Spielenden i​hre Rolle selbst wählen, a​uch dann, w​enn es Impulse v​on der Spielleitung gibt. Die Rahmenbedingungen (Thema, Rolle, Spielort usw.) für d​as Spiel werden i​n dieser Phase festgelegt u​nd von d​en Spielenden vorgestellt.

Dritter Schritt – P: Es f​olgt die praktische Durchführung d​er Spielsituation. Die Spielenden verkörpern i​hre selbst gewählten u​nd entwickelten Rollen i​m spontanen Erleben. Sie drücken d​as aus, w​as sie i​m Augenblick d​es Spiels erleben, u​nd das gemäss i​hrer eigenen Vorstellung. Bezeichnungen w​ie Aufführung o​der Darstellung werden vermieden, d​a sie für d​iese Art d​es Spiels n​icht geeignet sind, s​ie folgen e​inem grundsätzlich anderen Prinzip. Gesprochene Texte werden häufig vermieden, u​m den Intellekt z​u entlasten u​nd einen möglichst niederschwelligen Ausdruck zuzulassen. Das Empfinden u​nd Erleben k​ann durch Laute u​nd Gebärden z​um Ausdruck kommen.

Vierter Schritt – V: Abschliessend f​olgt die Verarbeitung d​es Erlebten d​urch alle a​m Spiel beteiligten. Diese gemeinsame Reflexion s​oll das Gespielte n​icht bewerten o​der interpretieren. Es g​eht dabei u​m ein konzentrierte Nachvollziehen dessen, w​as im Spiel erlebt wurde. Die eigene Wahrnehmung s​oll in diesem Schritt erneut erweitert werden u​nd so Prozesse d​er Selbsterfahrung u​nd -erkenntnis ermöglicht werden. In dieser letzten Phase d​er Methode z​eigt sich d​ie ursprüngliche Intention d​er Jeux Dramatiques.

Wesentliche Fragen, welche sich die Spielenden stellen müssen, sind neben dem „Warum“, „Was“ und „Wie“ auch darin, für wen das Spiel stattfinden soll. Es soll nicht dafür gespielt werden ein Publikum zu unterhalten oder das Handwerk des Schauspielens zu erlernen, sondern Ziel des Spiels ist die Selbsterfahrung. Kinder, Jugendliche und Erwachsene können durch diese Methode verborgene schöpferische Fähigkeiten entdecken und zugleich sich selbst erkunden und lernen ihr Inneres, ihre Gefühlswelt, zum Ausdruck zu bringen. Frei schlägt verschiedene Aufbaustrukturen als mögliche Einstiege in das Spiel vor, welche die Gestaltung des ersten Schrittes vorgeben. Diese Einstiege können – je nach Altersgruppe oder Bedürfnis – über Materialien und Gegenstände, die Raumerfahrung, das Grundmotiv des jeweiligen Spiels oder ein Hinführen zum Erleben durch beispielsweise eine Geschichte, die von der Spielleitung erzählt wird, stattfinden.

Anwendungsbereiche

Die Jeux Dramatiques, insbesondere die hier beschriebene Methode, wird häufig in der Pädagogik in den Bereichen Schule, Kindergarten, Familienpädagogik, Heil- und Sonderpädagogik, Weiterbildung für soziale Berufe, Erwachsenenbildung, aber auch als Form der Therapie und Psychotherapie für alle Altersgruppen angewandt. Sie sollen zur Entwicklung und Entfaltung des Selbstwertgefühls und des Selbstbewusstseins, sowie der Verbesserung sozialer Kompetenzen durch ein gesteigertes empathisches Vermögen – auch bei nonverbaler Kommunikation – beitragen.

Literatur

  • Arbeitsgemeinschaft Jeux Dramatiques: Ausdrucksspiel aus dem Erleben 1. Zytglogge Verlag, Bern 1984.
  • Tanja Bidlo: Theaterpädagogik. Einführung. Oldib Verlag, Essen 2006.
  • Heidi Frei: Jeux Dramatiques mit Kindern 2. Zytglogge Verlag, Bern 1990.
  • Marion Seidl-Hofbauer: Jeux Dramatiques in der Grundschule – Soziales Lernen durch das Ausdrucksspiel. Brigg Pädagogik Verlag, München 2009.
  • Gabriele Weiss: Wenn die roten Katzen tanzen… Jeux Dramatiques für sozial- und heilpädagogische Berufe. Lambertus-Verlag, Freiburg 1999.

Einzelnachweise

  1. Sarah Nixdorff: Soziales Lernen durch Theaterspielen im Englischunterricht. GRIN Verlag 2010, ISBN 3-640-56361-1, S. 9.
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