Harwell Computer
Der Harwell Computer, auch bekannt als Harwell Dekatron Computer, später als Wolverhampton Instrument for Teaching Computing from Harwell (WITCH), ist ein 1951 in Betrieb genommener britischer Großrechner. Nach dreijähriger Restaurierung ist er seit 2012 wieder betriebsbereit und somit der älteste noch funktionierende elektronische Computer der Welt.[1] Der Computer nutzt Relais für das Rechenwerk sowie Zählröhren.
Geschichte
Atomenergieforschung
Der zweieinhalb Tonnen schwere Großrechner wurde ab 1949 für das “Atomic Energy Research Establishment” in Harwell, Oxfordshire, gebaut. Zu den drei Entwicklern in der Elektronik-Abteilung von Harwell gehörten Edward (Ted) Cooke-Yarborough und Robert (Dick) Barnes,[2] die auch noch die Rekonstruktion des Rechners erlebten.[3] Er ging erstmals 1951 in Betrieb. Bereits 1957 wurde er als veraltet ausgemustert.[4]
Lehrmittel
Nach einem Hochschulwettbewerb kam der Computer an das “Wolverhampton and Staffordshire Technical College” (woraus später die University of Wolverhampton wurde), wo er bis 1973 als Lehrmittel im Informatikfachbereich eingesetzt wurde. Hier bekam die Maschine den Namen “WITCH” (deutsch: „Hexe“) für “Wolverhampton Instrument for Teaching Computing from Harwell”.[4]
Science and Industry Museum
Zum zweiten Mal als überaltert ausgemustert, kam WITCH 1973 ins “Museum of Science and Industry” in Birmingham. Als dieses Museum 1997 schloss, wurde WITCH zerlegt und bis auf weiteres eingelagert.[4]
National Museum of Computing
Kevin Murell vom National Museum of Computing in Bletchley Park entdeckte 2009 zufällig Teile des Computers auf einem Foto.[4] Unter der Leitung von Delwyn Holroyd wurden die Einzelteile restauriert und wieder zusammengebaut. Am 20. November 2012 wurde WITCH vor einem interessierten Publikum – darunter einige der Konstrukteure und Mitglieder des ursprünglichen Bedienpersonals – wieder in Betrieb gesetzt.[4]
Technische Einzelheiten
Der Harwell Computer wurde von der Electronics Division des “Atomic Energy Research Establishment” entworfen und gebaut.[5] Sein Arbeitsspeicher bestand aus zunächst 20, später 40 achtstelligen Dekatron-Registern, daher der bisweilen verwendete Name “Harwell Dekatron Computer”. Zahlen wurden nicht binär, sondern dezimal gespeichert.[1] Die Eingabe erfolgte über Lochstreifen, die Ausgabe über einen Fernschreiber oder ebenfalls auf Lochstreifen.
Der Harwell Computer war nicht besonders schnell, weil das Rechenwerk mit Relais, also elektromechanisch, arbeitete.[6] Er brauchte bis zu zehn Sekunden, um zwei Zahlen zu multiplizieren. In Tests gelang es sogar einigen Menschen, eine Weile beim Multiplizieren mit dem Computer Schritt zu halten.[7] Aber er war sehr zuverlässig und konnte über Tage hinweg ohne Probleme durcharbeiten.[4] Er wurde durch einen Rechner auf Transistorbasis abgelöst, den Harwell CADET.[5]
Er konnte zwar gelegentlich als stored program Computer im Sinn der Von-Neumann-Architektur genutzt werden, das war aber nicht seine gewöhnliche Arbeitsweise.
Literatur
- B. V. Bowden (Hrsg.): Faster than thought. A Symposium on digital computing machines. Pitman, London 1953, darin E. H. Cooke-Yarborough: The Harwell Electronic Digital Computer, Kapitel 9, S. 140–143, archive.org
Weblinks
- Danny Kringiel: Historischer Digitalcomputer läuft wieder. einestages, 27. November 2012
- The Harwell Computer, also known as the ‘WITCH’ Computer. Sammlung von Texten und Bildern auf den Seiten der Computer Conservation Society (englisch)
Einzelnachweise
- John D. Sutter: 61-year-old computer springs back to life. CNN.com, 21. November 2012 (englisch).
- Zusätzlich war noch D. G. A. Thomas beteiligt. Barnes, Cooke-Yarborought und Thomas veröffentlichten darüber in Electronic Engineering August/September 1951.
- Nicole Kobie: Harwell Dekatron: rebooting the most dependable computer ever. PC Pro.
- Mark Ward: Two-tonne Witch computer gets a reboot. BBC News Technology, 20. November 2012 (englisch).
- Jack Howlett: Computing at Harwell. chilton-computing.org.uk, 1979 (englisch).
- Relais.
- Harwell Dekatron. PC Pro; erwähnt einen Test durch Bart Fossey, der dem Computer eine halbe Stunde folgen konnte.