Harald Bohr
Harald August Bohr (* 22. April 1887 in Kopenhagen; † 22. Januar 1951 in Gentofte) war ein dänischer Mathematiker und Fußballspieler.
Leben und Werk
Harald Bohr war der Sohn des dänischen Physiologen Christian Bohr, sein Bruder war der Physiker Niels Bohr. Bohrs Forschungsgebiete lagen im Bereich der Funktionentheorie und der analytischen Zahlentheorie.
Er studierte ab 1904 an der Universität Kopenhagen Mathematik. Zunächst verfolgte Bohr aber auch eine Karriere als Sportler. Er galt, neben seinen Fähigkeiten als Wissenschaftler, als einer der besten Fußballer seiner Zeit: Bohr war Spieler der dänischen Nationalmannschaft und gewann bei den Olympischen Sommerspielen 1908 die Silbermedaille; zusammen mit seinem Bruder war er für den Verein Akademisk Boldklub aktiv.
1910 wurde er in Kopenhagen promoviert (bei Edmund Landau, Beiträge zur Theorie der Dirichlet-Reihen[1]) und war einige Monate in Göttingen bei Landau.
Ein Schwerpunkt seiner mathematischen Arbeiten waren Dirichletreihen. Insbesondere untersuchte er, teilweise zusammen mit Edmund Landau, die riemannsche ζ-Funktion, die wohl bekannteste und wichtigste Dirichletreihe. 1914 formulierten die beiden den Satz von Bohr-Landau, welcher – vereinfacht ausgedrückt – besagt, dass die überwiegende Anzahl der Nullstellen der riemannschen ζ-Funktion in einem beliebig kleinen Streifen um die kritische Gerade liegt.[2] Darüber hinaus ist Bohr der Begründer der Theorie der fastperiodischen Funktionen[3] in einer Reihe von Arbeiten 1924 bis 1926 in den Acta Mathematica. In der Theorie der Gammafunktion ist er einer der Namensgeber für den Satz von Bohr-Mollerup[4]. Auch der Satz, dass aus für folgt, dass für , wird heute Satz von Bohr (über Potenzreihen) genannt. Bohr hatte ihn 1914 eigentlich nur für die Konstante gezeigt[5]. Dass der Satz für gilt und dass bestmöglich ist, wurde später von Marcel Riesz, Issai Schur und Friedrich Wilhelm Wiener jeweils unabhängig bewiesen.
1915 wurde Bohr Professor an der Polytechnischen Lehranstalt in Kopenhagen, 1930 wurde er an die Universität Kopenhagen berufen. Von 1926 bis 1951, unterbrochen nur von 1930 bis 1936, war er Präsident der Dänischen Mathematischen Gesellschaft (DMF). 1925 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[6] Seit 1926 war er korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.[7] 1930 wurde er Ehrenmitglied der London Mathematical Society.[8] 1945 wurde er in die American Philosophical Society aufgenommen.[9]
1932 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Zürich (Fastperiodische Funktionen einer komplexen Veränderlichen) und 1950 war er Invited Speaker auf dem ICM in Cambridge (Massachusetts) (A survey of the different proofs of the main theorems in the theory of almost periodic functions).
1934 sorgte ein offener Brief[10] von Ludwig Bieberbach an Bohr im Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV) für einen Skandal, der Bieberbachs Rücktritt von seinen Ämtern in der DMV zur Folge hatte. Bieberbach hatte diesen Brief, in dem er auf eine Kritik von Bohr[11] (der jüdische Vorfahren hatte) an seiner Mathematiker-Typisierung einging, ohne Abstimmung im Jahresbericht veröffentlicht.
Schriften
- Fastperiodishe Functionen. Berlin: Julius Springer, 1932 (englische Übersetzung New York: Chelsea, 1947)
- Zur Theorie der fastperiodischen Funktionen, 3 Teile, Acta Mathematica, Band 45, 1925, S. 29–127, Band 46, 1925, S. 101–214, Band 47, 1926, S. 237–281
- mit Johannes Mollerup: Laerebog i matematisk analyse, 4 Bände, Kopenhagen, 1915 bis 1918 (letzte Auflage 1945 bis 1949)
- Erling Følner, Børge Jessen (Hrsg.): Collected Mathematical Works of Harald Bohr, 3 Bände, Kopenhagen: Dansk Matematisk Forening, 1950–1952.
- Bohr „Fastperiodische Funktionen“, Jahresbericht DMV, Bd.34, 1926.
- Bohr „Die Riemannsche Zetafunktion“, Jahresbericht DMV Bd.24, 1915.
- Bohr „Über die gleichmäßige Konvergenz Dirichletscher Reihen“, Zeitschrift für reine und angewandte Mathematik, Bd. 143, 1913.
- Bohr, Harald Cramér Neuere Untersuchungen zur analytischen Zahlentheorie, Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften 1922.
Weblinks
- Literatur von und über Harald Bohr im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.
- Eric W. Weisstein: Bohr, Harald August (1887–1951) auf ScienceWorld.
- John J. O’Connor, Edmund F. Robertson: Harald August Bohr. In: MacTutor History of Mathematics archive..
- Harald Bohr in der Datenbank von Olympedia.org (englisch).
- Autoren-Profil in der Datenbank zbMATH
- Harald Bohr auf der offiziellen Webpräsenz des dänischen Fußballverbandes (dänisch)
Anmerkungen
- Harald Bohr im Mathematics Genealogy Project (englisch)
- Bohr, Landau, Ein Satz über Dirichletsche Reihen mit Anwendung auf die -Funktion und die L-Funktionen. Rend. Circ. Mat. Palermo, Band 37, 1914, S. 269–272
- Ein Vorläufer war die Theorie quasiperiodischer Funktionen von Ernest Esclangon und Piers Bohl.
- Harald Bohr, Johannes Mollerup: Lærebog i matematisk Analyse III. (Kopenhagen), Jul. Gjellerups Forlag, 1922
- Bohr, A theorem concerning power series, Proc. London Math. Soc., Band 13, 1914, S. 1–5
- Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 44.
- Mitgliedseintrag von Harald Bohr bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 30. Dezember 2016.
- Honorary Members. London Mathematical Society, abgerufen am 19. Mai 2021.
- Member History: Harald Bohr. American Philosophical Society, abgerufen am 9. Mai 2018.
- „Die Kunst des Zitierens, ein offener Brief an Harald Bohr in Kopenhagen“, Jahresbericht DMV 1934
- „Neue Mathematik“ in Deutschland (dänisch), am 1. Mai 1934 in Berlingske Aften