Gymnosophist
Als Gymnosophisten (gebildet aus altgriechisch γυμνός gymnós ‚nackt‘ und σοφία sophía ‚Weisheit‘: γυμνοσοφισταί ‚nackte Weise, nackte Gaukler‘)[1] bezeichneten die Griechen indische Asketen, denen der Makedonier Alexander der Große während seines Feldzugs nach Indien in den 320er Jahren begegnet war. Über ihre Ansichten und Lebensweisen berichtet Onesikritos, der eigens von Alexander zu den Gymnosophisten entsandt wurde, weil diese sich weigerten, Alexanders Einladung zu folgen und Alexander es unpassend fand, persönlich zu den Gymnosophisten zu gehen.
Ablauf der Begegnung
Circa 5 Kilometer von Taxila entfernt habe Onesikritos 15 Gymnosophisten angetroffen, die sich nackt in verschiedenen Körperhaltungen in der glühenden Sonne aufhielten. Der Gymnosophist Kalanos habe ihn aufgefordert, sich ebenfalls zu entkleiden, wenn er denn an der Weisheit und den Gesprächen der Gymnosophisten teilhaben wolle. Mandanis, der älteste vor Ort, habe jedoch interveniert und sich mit Onesikritos auf ein Gespräch über die eigenen Ansichten sowie die Lehren von Pythagoras, Sokrates und Diogenes eingelassen.[2]
Weltbild und Lebensweise
Nach Ansicht der Gymnosophisten waren Übersättigung und Luxus eine Quelle des Übels. Bevor sich die Menschen der Verblendung ergeben hätten, habe ein paradiesischer Zustand geherrscht. Es habe sprudelnde Quellen voll Wasser, Milch, Öl, Honig und Wein gegeben. Da die Verblendung der Menschen Gott jedoch ein Dorn im Auge gewesen sei, habe er die Quellen versiegen lassen und die Menschen gezwungen, ihr Leben bei harter Arbeit zu fristen. Dadurch habe sich die Tugend wieder ausgebreitet, was erneut einen Überfluss an guten Dingen habe entstehen lassen. Genau das habe aber ein zweites Mal zur Vermessenheit geführt, weswegen die Gefahr bestehe, dass alles wieder verloren geht. Dementsprechend übten sich die Gymnosophisten in asketischer Tugend. Sie propagierten die Befreiung der Seele von Lust und Leid. Das Leiden des Körpers sahen sie dabei als wirksames Mittel, um die Leiden der Seele zu heilen. Krankheit galt ihnen als solche Schande, dass sie sich gegebenenfalls lieber auf einem selbstgebauten Scheiterhaufen in stoischer Ruhe verbrannten.
Soziale Stellung
Offensichtlich genossen die Gymnosophisten im antiken Indien großes Ansehen. Es war ihnen erlaubt, sich ohne Bezahlung an Marktständen zu bedienen und sie hatten Zugang zu den Häusern der Reichen, wo man sie verköstigte. Selbst Frauengemächer durften sie betreten.
Literatur
- Georg Luck (Hrsg.): Die Weisheit der Hunde. Texte der antiken Kyniker in deutscher Übersetzung mit Erläuterungen (= Kröners Taschenausgabe. Band 484). Kröner, Stuttgart 1997, ISBN 3-520-48401-3.
- Claire Muckensturm-Poulle: Gymnosophistes. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques. Band 3, CNRS Éditions, Paris 2000, ISBN 2-271-05748-5, S. 494–496
- William H. Willis, Klaus Maresch: The Encounter of Alexander with the Brahmans. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 74, 1988, S. 59–83
Weblinks
- Jona Lendering: Gymnosophists. In: Livius.org (englisch)
Anmerkungen
- J. Duncan M. Derrett: Γυμνοσοφισταί. In: Konrat Ziegler, Walther Sontheimer (Hrsg.): Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. 5 Bände, Stuttgart 1964–1975; Neudruck Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1979, Band 2, Sp. 892 f.; Franz Passow: Handwörterbuch der griechischen Sprache. 5. Auflage, neu bearbeitet von Valentin Chr. Fr. Rost, Friedrich Palm, Otto Kreußler, Karl Keil, Ferdinand Peter und G. E. Benseler. I,1–II,2, Leipzig 1841–1857; Neudruck Darmstadt 2008, Band II,2, Sp. 1487 (Prahler, Großprahler, Gaukler); Henry George Liddell, Robert Scott: A Greek-English Lexicon. Clarendon Press, Oxford 1940, S. 363.
- Zu Mandanis (oder Dandamis) und seiner Rolle siehe Claire Muckensturm: Dandamis (ou Mandanis). In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 2, Paris 1994, S. 610–612.