Gewerbehaus (Hamburg)
Das Hamburger Gewerbehaus am Holstenwall 12 ist seit 1915 der Sitz der ehemaligen Hamburger Gewerbekammer, der heutigen Handwerkskammer Hamburg.
Standort und Geschichte
Das Gebäude wurde nicht von der Handwerksorganisation der Gewerbekammer errichtet, sondern finanziert und konzipiert von der Stadt Hamburg, allerdings in Abstimmung mit der Gewerbekammer. Das Hamburg-Wappen über der Jahreszahl der Fertigstellung oberhalb der Eingangstür ist dafür das damals übliche Zeichen für "Staatsbauten" gewesen. Für diesen Staatsbau war der Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft vom 10. Juli 1912 zur Freigabe der Baukosten in Höhe von 911.300 Mark notwendig. Hintergrund war die prekäre soziale Lage in der Stadt und das Erfordernis, den Arbeitssuchenden „Arbeitsnachweise“ zu geben. Dies geschah im Innungsflügel, in Form einer offenen Galerie über 6 Ebenen mit einem direkten Zugang von der Straße in die im Souterrain eingerichteten „Wartehalle für Arbeitssuchende“.
Der Vorstand der Gewerbekammer wollte, wie den Protokollen der Baudeputation zu entnehmen ist, dass die Stadt Hamburg das neue Gewerbehaus auf einem Grundstück mitten in der Innenstadt errichtet, am liebsten am Valentinskamp/Gänsemarkt (dem Standort der von 1923 bis 1926 gebauten Finanzbehörde). Der von der Stadt vorgeschlagene Standort in Hammerbrook am Nagelsweg wurde wegen der Nähe zum 1906 fertiggestellten Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof abgelehnt. Als Baugrundstück wurde immerhin ein städtisches Grundstück vorgesehen, das noch innerhalb des Wallrings in der Neustadt lag – am Holstenwall. Dieser Straßenzug war nach Aufhebung der Torsperre 1860 zu einer breiten Ringstraße ausgebaut worden war. Hier sollten ähnlich wie in anderen Städten und wie schon zuvor im altstädten Teil der Ringstraße nahe dem Hauptbahnhof verschiedene repräsentative Gebäude errichtet werden.
Hierfür waren nach der Entfestigung des Walls für die Neubebauung des Holstenwalls nur bestimmte Baugattungen zugelassen worden. Dazu gehörte auch Wohnungsbau, aber nicht sog. Kleinwohnungen, wie sie von der Abraham Philipp Schuldt Stiftung schon in der Zeit vor der Cholera (1892) vom Architekt Hinrich Fitschen geplant wurden. Baulich im Kontrast zu den Wohnungen im bisherigen Gängeviertel entstanden die Wohnungen von „Schuldts Stift“ auf der Rückseite der Ringstraßenbebauung. Zunächst wurden die Wohnzeilen Hütten 2–12[1] und Pilatuspool mit zwei Kopfbauten fertiggestellt. Sie stellen die heutige rückwärtige Bebauung des Gewerbehauses dar (weitere Kleinwohnungen von der A. Ph. Schuldt-Stiftung Neumayerstraße, Poolstraße, Seewartenstraße und Zeughausstraße).
Im Ringstraßenabschnitt südlich des damaligen Holstenplatzes war das Interesse an den neu geschnittenen Parzellen für Repräsentativbauten geringer als im Bereich bis zum Gorch Fock-Wall (bis 1933 Friedrich-Ebert-Straße). Südlich der 1904–1908 entstandenen Musikhalle (heute „Laeizshalle“) (Architekt Martin Haller und Emil Meerwein am "Holstenplatz", später "Karl Muck-Platz", seit 1997 „Johannes Brahms-Platz“) waren vor 1910 folgende ganz unterschiedliche Neubauten entstanden.
Als am 28. April 1910 der Antrag in der Hamburgischen Bürgerschaft zum Bau des Gewerbehauses am Holstenwall 12 gestellt wurde, war dies die einzige Baulücke und das letzte freie städtische Grundstück.[2] Es war von dem Grundstücksnachbarn, dem Glasgroßhändler Wilhelm Völker als Lagerplatz genutzt worden. Seine Kündigungsfrist betrug einen Monat. Die Entscheidung der Finanzdeputation erfolgte am 23. September 1911, die Senatssitzung fand am 21. Juni 1912 statt und am 10. Juli 1912 gab die Bürgerschaft nach turbulenter Parlamentsauseinandersetzung die Freigabe von 911.300 Mark.
Der damalige Leiter des Hochbauamtes Fritz Schumacher, der hier als Architekt tätig wurde, bezeichnete später die Verwirklichung des Raumprogramm für das 2500 m² große Grundstück mit einer bebaubaren Fläche von ca. 1700 m² als „wahren Zauberkasten“.
Das Raumprogramm gemäß Beschlussvorlage für die Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft von Juni 1912:
- Für die Gewerbekammer waren ein kleiner Sitzungssaal, vier Amtszimmer, sechs Geschäftszimmer und zwei Aktenräume vorgesehen.
- Für die Gewerbeförderung wurden zwei Räume für theoretische Meisterkurse, vier Räume für praktische Meisterkurse, Amt- und Dozentenzimmer, sowie ein Lesesaal und ein Ausstellungsraum vorgesehen.
- Für die Versammlungen und die Sitzungen der Innungen wurden drei Sitzungssäle (für bis zu 450 Personen, für 150 bis 200 Personen und für 80 bis 100 Personen), sowie acht Sitzungszimmer für 20 bis 50 Personen vorgesehen.
- Die Aufsichtsbehörde für die Innungen erhielt ein Amtszimmer für den Präses.
- Die Innungen erhielten 26 Räume für Sekretariate, Krankenkassen und Arbeitsnachweise sowie drei Archivräume.
Von besonderer Bedeutung war im sog. Innungsflügel die im Tiefparterre ein Meter unter Straßenniveau gelegene ca. 350 m² große „Wartehalle für Arbeitssuchende“. Für die zu erwartenden Menschenmengen sollte die Wartehalle von der Straße aus ins Gebäude und dann über den Innenhof im Kreislauf geführt werden.
Geplant war die Bauzeit von zwei Jahren:
Beginn der Erdarbeiten und der Fundamentierung 1. September 1912,
Fertigstellung des Rohbaus am 1. Oktober 1913 und
die Übergabe des fertigen Baues am 1. Oktober 1914.
Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verzögerte sich die Bauzeit um einige Monate. Jedoch ab 1. April 1915 konnten die ersten Innungen einziehen (Buchdrucker und Klempner) und 1916 konnte auch Thilo Hampke, der Syndikus (heutige Amtsbezeichnung: Hauptgeschäftsführer) der Gewerbekammer seine neuen Räume beziehen, ebenfalls die Bibliothek, Patentschriftensammlung, Aufsichtsbehörde für die Innungen und die meisten Innungen, für die am Holstenwall ein Büro vorgesehen war (vgl. Adressbuch-Einträge für die Jahre 1915 und 1916). Deshalb ist als Datum über der Eingangstür das Jahr 1915 genannt und unterhalb des Hamburg-Wappens deutlich zu erkennen: „AD 1915“ (siehe Foto).[3]
Auch wenn 1915 noch nicht alle Räume im Innenausbau fertiggestellt werden konnten, das Gewerbehaus wurde sehr rasch von den Innungen und auch von der Gewerbekammer in Nutzung genommen. So berichtet die „Neue Hamburger Zeitung“ am 30. Oktober 1915 von der Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung im 1. Stock. Der „Hamburgische Correspondent“ kündigte am 9. April 1916 den Umzug der Patentschriftensammlung und der Bibliothek von den Großen Bleichen 61/63 ins Gewerbehaus an und am 6. August 1916 wird auf die Meisterkurse im Gewerbehaus hingewiesen. Im Juni 1916 hielt Fritz Schumacher im Gewerbehaus die Rede "Ausblicke für die kunsttechnische Zukunft unseres Volkes" auf der Wanderversammlung des deutschen Gewerbeschulverbands.[4] Die „Neue Hamburger Zeitung“ berichtet am 11. Dezember 1916 von der Eröffnung der Weihnachtsmesse des Hamburger Gewerbevereins im Großen Saal. Als Redner sprachen u. a. Bürgermeister Werner von Melle und der Vorsitzende des Gewerbevereins Johannes Hirsch.
Im Jahr 1937 wurde der bisherige auf 20 Jahre befristete Mietvertrag vom 4. September 1917 rechtzeitig umgewandelt: Der Mietvertrag wurde zu einem Erbbaurechtsvertrag mit einer Laufzeit von 75 Jahren – also bis 2012. Diese Vertragsänderung wurde am 3. Dezember 1937 feierlich in und vor dem Gewerbehaus begangen. Der damalige Kammerpräsident Arnold Petersen war Mitglied der NSDAP und seit 1936 Mitglied im Reichstag. Gauleiter und Reichsstatthalter Karl Kaufmann kam zu diesem Ereignis in die Handwerkskammer, bei der auch Marmorbüsten des Führers und des Generalfeldmarschalls Hindenburg in der Vorhalle enthüllt wurden. Für diese Veranstaltung war vor dem Gewerbehaus ein Podium aufgebaut und das Gewerbehaus wurde von großen Scheinwerfern angestrahlt. 3000 Fackelträger und insgesamt 30.000 Handwerker waren mobilisiert worden.[5]
Im Jahr 1989 verkaufte die Stadt Hamburg der Handwerkskammer Hamburg das Grundstück plus Gebäude, damit im Innenhof eine dringend notwendige Tiefgarage errichtet werden kann. Mit der bisherigen Laufzeit des Erbbaurechtsvertrags bis 2012 wäre diese Investition nicht erfolgt. Erst seit dem 1. Mai 2013 steht das „Gewerbehaus“ unter Denkmalschutz.[6]
Bauliche Veränderungen
Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche bauliche Veränderungen im Hamburger "Gewerbehaus" durch die Nutzung der Gewerbekammer bzw. der Handwerkskammer vorgenommen, wie betreffen sowohl die Innenräume, aber auch tw. die Fassade (z. B. Ludwig Kunstmanns goldene Medaillons mit sechs verschiedenen Koggen). Für die Würdigung dieses Schumacher-Baues seien sie hier zusammengestellt und wenn möglich durch vergleichende Fotos dokumentiert:
Eingangshalle
1960er-Jahre: Entfernung des Brunnens von Artur Storch und Sperrholzverkleidung der Fenster der inneren Arkadenbögen. Die Sperrholzverkleidungen wurde in den 80er-Jahren entfernt und die Glasflächen erhielten wieder einen Prismenschliff, der Brunnen wurde 1996 rekonstruiert. Große Uhr mit beidseitiger Ansicht über der großen Flügeltür in den 80er-Jahren ausgebaut. Ihr Verbleib ist unbekannt. Vier Hängelampen entfernt und nicht mehr vorhanden. Der Paternoster wurde ausgebaut (1976) und durch zwei kleine Fahrstühle ersetzt, 1991 noch mal umgebaut. 1960er-Jahre: Handwerksembleme aus Kunstharz im unteren Abschnitt des Haupttreppenhauses von Glasermeister Ewald Kerlin ausgeführt. Ausmalung der beidseitigen tonnenförmigen Durchgänge zum Innungsflügel und zum Remter mit verschiedenartigen Handwerksemblemen (vor 1972).
Windfang
Der Treppenbereich zwischen der großen Haustür und der Flügeltür in die Eingangshalle: 1989: Veränderung der Treppe (statt bisher acht steilen Stufen wurden neun Stufen aus weißem Granit zur besseren Begehbarkein verlegt.) Statt bräunlicher Wandfliesen wurden weißgetönte Fliesen verlegt. Sie wurden eingesetzt von den Fliesenleger-Lehrlingen im 3. Lehrjahr. Fenster-Durchbruch zur Telefonzentrale (heute Auskunftsstelle), Wandleuchten aus Messing im alten Stil. Die Messingbeschläge an der unteren Flügeltür ist mangels Pflege schwarz angelaufen.
Ausstellungshalle im Innenhof
Die fünf Meter hohe für Gesellen- und Meisterstücke genutzte Ausstellungshalle wurde in den 1960er-Jahren umgenutzt zur Lehrwerkstatt der Kfz-Innung. Nach deren Umzug zur Billstraße 1985 wurde die Halle als Mitarbeitergarage genutzt – weiterhin mit der Durchfahrtsmöglichkeit neben dem Remter. Das kleine dreieckige Gebäude der Pförtnerloge wurde 1992 im Zuge der Umnutzung des Innenhofs beseitigt. Die dort realisierte doppelstöckige Tiefgarage mit 87 Stellplätzen wurde überbaut mit einem Büropavillon für die Handwerksrolle.
Remter im Souterrain des Hauptgebäudes
Mehrere Umbauten gab es im Remter: u. a. 1963, 1973, 1980 und zuletzt 2011. Glücklicherweise waren die Bleiglasfenster der 24 Hamburger Brauereien in der Trinkstube erhalten geblieben. Dort wurde unter den kunstgeschmiedeten Kronleuchter mit Hamburger Figuren (Hummel, Zitronenjette …) die einzige erhaltene Deckenleuchte aufgehängt, die aus dem Plenarsaal stammte und die von Fritz Schumacher mit kleinen Handwerkszeichen entworfen worden waren.
Die besondere Gestaltung des Gildezimmers mit Wandfliesen und Glaskunstfenster – ähnlich wie die Brauerei-Bleiglasfenster in der Trinkstube – ist verändert worden. Zeitweise wurden dort zwei Gemälde „Auf der Werft“ und „In der Schmiede“ aufgehängt, die ebenfalls nicht mehr erhalten sind.
Das Gildezimmer und der Zunftsaal erhalten Licht durch hinterleuchtete Bleiglasfenster der 70er Jahre aus leicht eingefärbten Gläsern mit integrierten kleinen Zunftwappen. Sie wurden von der Glaserei F. W. Ulrich ausgeführt.
Innungsflügel
1. Die 350 m² große Halle für Arbeitssuchende im Souterrain des Gebäudes, die für die Bewilligung des Baues des Gewerbehauses 1915 entscheidend war, wurde 1943 als Luftschutzeinrichtung genutzt. Seit 1995 dient dieser Bereich als neue Ausstellungsfläche „Galerie“ mit neu verlegtem Terrazzo-Fußboden. Sie hat eine direkte Erreichbarkeit von der Straße durch den ursprünglichen Niedergang für die Arbeitssuchenden mit den schweren schwarzen Türen und dem ornamental verzierten Schutzgittern.
Hinter der „Galerie“ wurde außerdem vorübergehend die Hausdruckerei untergebracht. Heute befindet sich dort u. a. die Poststelle der Handwerkskammer.
2. Weitere Veränderungen im Innungsflügel: Während des Dachgeschossausbaues 1984/85 wurde das Oberlicht zur Belichtung des sechsgeschossigen Innungsflügels mit seinen offenen Galerien überdeckelt (Architekt Dieter Langmaack). Damit wurde der Innungsflügel, wie ihn Fritz Schumacher vorgesehen hatte, einschneidend und nachhaltig verändert. Die Leichtigkeit der hellen Decke mit den Schumacher-typischen Diagonalkreuzen, wurde zu einem schwarzen Deckel mit hellen Diagonalkreuzen.
Eine weitere Änderung bezieht sich auf die Scharrierung des Betons im Treppenhaus. Die scharrierte Betonschicht wurde oberhalb des Sockelbereichs abgeschlagen und in gelblicher Farbe verputzt.[7]
3. Inzwischen sind die Büroräume im Innungsflügel nicht mehr von den ursprünglich zahlreichen Innungen genutzt, sondern dienen als Büros der Handwerkskammer und im 5. Stock auch als Seminarräume sowie als Lagerräume für die Vermietungslogistik.
Die Innungen benötigten für ihre zusätzlichen Aufgaben größere Räume verließen nach und nach den Standort am Holstenwall. Dadurch machten sie Flächen frei für zusätzliche Aufgaben der Handwerkskammer. Für den Dachgeschossausbau wurde auch die Hausmeisterwohnung im 5. Stock aufgelöst.
Im Rahmen des Baues der Tiefgarage 1990/92 wurde statt des 1976 stillgelegten Paternosters für den Innungsflügel ein Lastenfahrstuhl von der Tiefgarage bis zum 5. Stock installiert.
Erster Stock
1. In den 90er-Jahren wurde der Präsidentenflur umgebaut: Statt grünem Linoleumfußboden wurden weiße Granitplatten verlegt, statt der Flügeltür wurde eine Verglasung mit alten Bleiglasfenstern aus der alten Nikolai-Kirche vorgenommen. Der Flur endet an einem hinterleuchtetes Kirchenfenster. Die Bürogrundrisse wurden verändert.
2. Die Bleiverglasung mit Handwerksemblemen und der Kachelofen im Präsidentenzimmer sind nicht mehr erhalten. Die Gemälde „Auf der Werft“ und „In der Schmiede“ von einem unbekannten Künstler wurden später im Gildezimmer des Remter aufgehängt. Ihr späterer Verbleib ist unbekannt.
3. Im Zuge des Umbaues des Präsidentenareals wurden auch die schmiedeeisernen Gitter mit verschließbaren Türen für den äußeren Flur entlang des Luftraums der Eingangshalle beseitigt. Sie hatten dasselbe Dekor wie das Geländer im Haupttreppenhaus und schützten den hoheitlichen Bereich. Sichtbar geblieben sind die verfüllten Löcher zur Befestigung der Gitter im Boden und in den Wänden.
Töpferzimmer (Raum 201)
Der Majolika-Ofen von 1915 als Geschenk des Obermeisters der Töpfer-Innung ist mit den Darstellungen des alten Hamburg das Prachtstück des ehemaligen Innungsbüros der Töpfer und Ofenbauer. Für ein wohnliches Ambiente wurde der Raum in den 90er-Jahren mit Gemälden dekoriert. Die Namen der dargestellten herrschaftlichen Personen sind nicht bekannt, sie haben offenbar keinen Bezug zum Handwerk. Obwohl es in diesem Raum keinen offenen Kamin gibt, wird er kammerintern als „Kaminzimmer“ bezeichnet.
Bauhüttensaal (Raum 204)
Die Glaskunstfenster mit Trachten und Emblemen sind nicht erhalten. Ebenfalls sind die vier Hängelampen nicht mehr vorhanden. Die Beleuchtung erfolgt heute durch streifenförmig unter der Decke befestigte Neonlampen.
Tischler-Zimmer (Raum 205)
Das Tischler-Zimmer ist geschmückt durch in die Holzvertäfelung eingelegte alte Bilder aus Hamburg und Intarsien. Im Rahmen von Sanierungsarbeiten 2016/2017 wurde die Vertäfelung weiß übermalt. Die neuen sehr hell leuchtenden Beleuchtungskörper haben keinen Bezug zu dem ursprünglichen Zustand des Raums.
Plenarsaal (Raum 206) der Versammlungsraum der Kammer
Die ovalen Wandgemälde „Hafenbild“ und „Arbeitssuchende“ sind entfernt, stattdessen sind dort die Gemälde der letzten Präsidenten aufgehängt. Verlängerung des U-förmigen Ruscheweyh-Tisches. Ornamentverzierte Schiebetüren wurden ersetzt durch eine Flügeltür. Durch einen Lüftungskanal hinter verzierten Holzgittern strömte ursprünglich Frischluft in den Plenarsaal. Die von Fritz Schumacher entworfenen schmiedeeisernen Hängelampen mit Handwerkszeichen sind durch moderne Leuchten ersetzt. Nur eine der acht Schumacher-Lampen ist noch erhalten. Sie ist unter dem schmiedeeisernen Kronleuchter im Remter aufgehängt. Statt der ovalen Hamburg-bezogenen Gemälde sind Gemälde mit den Porträts der jeweils letzten Präsidenten aufgehängt.
Als Scharnier zwischen dem Plenarsaal der Handwerkskammer und dem Bannersaal der Innungen gestaltete Fritz Schumacher einen kleinen Lobby-Raum, den er „Vorzimmer“ nannte und mit einem Besprechungstisch und Garderobe ausstattete.
Bannersaal (Raum 207)
Der Bannersaal war ursprünglich der für die Innungen vorgesehene Versammlungsraum. Die Hängelampen wie im Plenarsaal sind nicht erhalten. Die inzwischen verkleideten Wandschränke dienten der Aufbewahrung der kostbaren Fahnen (Banner) der Innungen. Auch hier sind die verzierten Schiebetüren durch eine Flügeltür ersetzt worden. Die Beleuchtungskörper entsprachen den Hängelampen im Plenarsaal. Sie wurden durch moderne Lampen ersetzt. Der Verbleib der alten schmiedeeisernen Beleuchtungskörper ist unbekannt.
Im äußeren Bereich unterhalb der Treppe, in der Garderobe für den Großen Saal wurde die frühere aufgehängte Hakenanlage entfernt und die Deckenleuchten nach alten Vorlagen rekonstruiert.
Bildersaal (Raum 302)
Die ovalen Wandgemälde sind nicht mehr da. Die Pilastermalerei von Otto Fischer-Trachau wurde ebenfalls entfernt bzw. weiß übermalt. In den siebziger Jahren wurde der Raum mit einer Zwischenwand versehen für zwei Büros der Kfz-Innung; in den 80er-Jahren wurden sie von der Lehrlingsrolle genutzt. In den 90er Jahren wurde nach Entfernung der Zwischenwand hieraus wieder ein kleiner Sitzungssaal, der einen zusätzlichem Durchbruch zum Kleinen Saal erhielt. Die modernen Beleuchtungskörper haben keinen Bezug zu dem ursprünglichen Ambiente.
Großer Saal (Raum 304)
Der gesamte Saal ist heute oberhalb der Eichenvertäfelung weiß gestrichen mit gelben Konturen. Von der Farbgestaltung von Otto Fischer-Trachau ist nichts erhalten. Die geschweiften Bögen über den Fenstern und über der Emporengalerie wurden durch flache Rundbögen ersetzt. Statt Verdunkelungsrollos sind die heutigen hellbraunen Vorhänge ausreichend dicht für eine Verdunkelungswirkung bei direkter Einstrahlung durch die Abendsonne.
Die 15 dreiteiligen Glaskunstfenster „Die Handwerke“, die Carl Otto Czeschka 1914/1915 entworfen hatte, wurden durch Kriegseinwirkung 1943 zerstört. In den 90er Jahren wurden Holzsprossenfenster mit Isolierverglasung erneuert, allerdings mit einheitlicher Sprosseneinteilung. 2012 begann die spendenfinanzierte Rekonstruktion der Glaskunstfenster. Sie wurden innen vor die Holzsprossenfenster montiert. 1916 waren 12 der 15 Glaskunstfenster fertiggestellt worden.[8]
Bis zum Jahr 2022 ist es nicht gelungen, das Interesse der Handwerkskammer für die Fertigstellung der Fenster-Rekonstruktion zu gewinnen. Auf dem Panoramafoto ist dieser Status erkennbar: Es fehlt noch die Rekonstruktion der Czeschka-Fenster Nr. 2, 3 und 11.[9][10]
Die sechs schlanken schmiedeeisernen Hängeleuchten sind nicht erhalten (vgl. Hängeleuchten in der Aula des Johanneums). Sie wurden in den 60er-Jahren von geschwungenen Leuchtern ersetzt.
Das Rednerpult von 1915 mit der Holzschnitzerei von Heinrich Walldorf, ein Mädchen, das sich auf einen Vorschlaghammer stützt, ist erhalten geblieben. Jedoch wurde der Aufsatz mit der geschnitzten Schrift „Gestiftet von dem Verband Hamburgischer Gewerbevereine“ (Vorsitzender war damals Johannes Hirsch) durch einen breiteren Aufsatz ohne geschnitzten Schriftzug ersetzt.
Die Emporengalerie ist wegen der geringen Brüstungshöhe aus Sicherheitsgründen nicht mehr für ein öffentliches Publikum zugänglich.
Für den Großen Saal, den Kleinen Saal und den Plenarsaal gab es eine 1915 hochmoderne Belüftungsanlage mit Luftzufluss durch hölzernen Ziergitter. Sie war ebenso wie die noch aktive Belüftungsanlage im Hamburger Rathaus von der Firma R.O.M. installiert worden. Jedoch wurde sie zeitbedingt nicht mehr gepflegt und dadurch funktionsunfähig. Die große Ventilatoren-Konstruktion auf dem Dachboden ist 1994 im Rahmen des Dachgeschoss-Ausbaues entfernt worden. Die Leitungsschächte fanden Verwendung für Kabelkanäle zugunsten der modernen EDV-Bürotechnik. Zur Lüftung müssen nunmehr die Fenster geöffnet werden, auch wenn dann der Verkehrslärm stört.
Kleiner Saal (Raum 303)
1935 erfolgte ein Wanddurchbruch zum Großen Saal: Die drei verzierten Verbindungstüren zum Großen Saal wurden entfernt und ersetzt durch eine breite Falttür. Die drei achteckigen schmiedeeiserne Deckenleuchten sind nicht erhalten. Heute sind dort moderne große Lampenringe installiert, die farbige Partystimmung ermöglichen.
Vierter Stock
Die Bibliothek und die Patentschriftensammlung mit einem vornehmen Lesesaal wurden aufgegeben. Der Buchbestand wurde in den 80er Jahren der Commerzbibliothek der Handelskammer zur Verfügung gestellt. Der Lesesaal ist umgewandelt worden zu einem Sitzungsraum, in dem die gläsernen Schrankwände der ehemaligen Bibliothek mit einem Restbestand an Büchern erhalten blieben.
Der dahinterliegende große Raum, in dem sich die Bücherregale befanden, wurden zu mehreren Büros umgewandelt.
Fünfter Stock
Die Schulungsräume im 5. Stock wurden bis in die 80er-Jahre u. a. von der Wirtschaftsakademie der Handelskammer genutzt, dann von der Akademie des Handwerks und heute von einer privaten Bildungseinrichtung für gerontopsychiatrische Pflege.
Sechster Stock
Zusätzliche Büro- und Seminarnutzungen wurden 1984/85 durch den Ausbau des Dachgeschosses ermöglicht. Hierfür wurde das Oberlicht des Innungsflügels überdeckelt (s. o.). Teilweise ist in den Seminarraäumen die hölzerne Dachkonstruktion offen sichtbar. Leider wurde das Dachgeschoss nicht nach heutigem Standard wärmeisoliert.
Weitere Veränderungen
Der größte Teil des ursprünglichen wertvollen Mobiliars ist im Gewerbehaus nicht mehr vorhanden. Eine Ausnahme bilden die Holzbänke mit dem Diagonalkreuzen und einige Tische (z. B. im Pausenbereich der Seminarräume).
Die meisten Türen im Hauptgebäude und im Innungsflügel in ihrer naturbelassenen dunklen Farbe wurden weiß übermalt. Nur die natürbelassenen Eingangstüren zur Galerieempore im 4. Stock wurden hellbraun gestrichen.
Mehrere Toilettenräume wurden zu Büros umgebaut – und zwar im 1., im 2. und im 4. Stock.
Nach dem Konzept eines Künstlers wurden in den 90er-Jahren die Fußbodenleisten im Hauptgebäude und im Innungsflügel nach einem bestimmten Schema neu angestrichen – und zwar alternativ in den Farben Braun, Schwarz und Anthrazit.
Im Zuge der Fenstererneuerung in den 90er-Jahren wurden die straßenseitigen Fenster der Fledermausgauben im Dachgeschoss nicht mit Sprossenteilung erneuert.
Die sechs golden glänzenden Medaillons mit Koggen und die zusätzlichen beidseitigen kleinen ornamentalen Medaillons von Ludwig Kunstmann an den Balkongeländern im 2. Stock wurden in den 90er Jahren weiß übermalt. Diese bedauerlicherweise vorgenommene Übermalung verhindert seitdem nicht nur, die künstlerische Arbeit von Ludwig Kunstmann erkennen zu können, sondern auch, dass die sechs Medaillons das Sonnenlicht reflektieren und dem Haus damit den besonderen Glanz verleihen[11]
Beide geschweiften Giebel enthalten Natursteinschmuck an den Außenseiten und in der Mitte unterhalb der Metallfiguren auf der Giebelspitze. Der Naturstein am nördlichen Giebel wurde weiß übermalt, am südlichen Giebel wurde er grau belassen.[12]
Einzelnachweise
- Bild
- Bild
- Hamburger Anzeiger, 21. Februar 1916, Seite 3
- Gustav Schiefler: Eine Hamburgische Kulturgeschichte 1890-1920. Hrsg.: Verlag Verein für Hamburgische Geschichte. Hamburg 1985, S. 454.
- Ausführlicher Bericht in "Hamburger Nachrichten" vom 4. Dezember 1937 S. 5.
- http://www.hamburg.de/contentblob/3947934/d0af3aa0d4e21b64a4eccbaa32a3add4/data/denkmalliste-hamburg-mitte.pdf - Seite 505
- Eine vergleichbare Scharrierung wurde erhalten im Haupttreppenhaus des Gewerbehauses, aber auch in der HFBK am Lerchenfeld und in der Grundbuchhalle des Ziviljustizgebäudes.
- vgl. Begrüßung Vizepräsident Stemmann am 11. Juni 2012 https://www.hamburg.de/contentblob/4360670/473e1c60fc27311171e544cce3909097/data/denkmalpflege-arbeitsheft-28.pdf Seite 13/14
- Heinz Spielmann: Carl Otto Czeschka. Ein Wiener Künstler in Hamburg. Mit unveröffentlichten Briefen sowie Beiträgen von Hella Häussler und Rüdiger Joppien. HWS-Reihe: Künstler in Hamburg (Hg. von Ekkehard Nümann) Bd. 1, Wallstein-Verlag 2019, ISBN 978-3-8353-3434-2 in der neuen HWS-Schriftenreihe: http://www.h-w-s.org/maezaene/die-kuenstlerreihe/die-baende/
- Rezension von Bernhard Denscher, Wien:
- (vgl. die weithin glänzenden goldenen Zeiger der Uhr der Michaeliskirche).
- Grundlage: eigene Besuche des Hauses sowie verwendete Literatur: Otto Bender: „Die Hamburger Neustadt“, Hamburg 1986, Jürgen Hogeforster u. a.: „Horizonte – 125 Jahre Handwerkskammer Hamburg 1873-1998“, Hamburg 1998, Maike Bruhns: „Bauschmuck bei Fritz Schumacher – Ein Kaleidoskop der Künste“, München-Hamburg, 2013.