Gesellschaft zu Fraumünster
Die Gesellschaft zu Fraumünster ist eine Organisation in der Schweizer Stadt Zürich, die sich als Vertreterin der Frauen betrachtet, dies in Ergänzung zu den Zünften Zürichs, wo allein Männer Mitglied sein können. Sie setzt sich für die adäquate Wahrung der Rolle der Frau in der Geschichte der Stadt Zürich ein, organisiert kulturelle Anlässe und nimmt Ehrungen vor. Analog zur Gesellschaft zur Constaffel bezeichnet sie sich nicht als Zunft.
Wappen
Das Wappen der Gesellschaft zu Fraumünster zeigt einen weissen Hirsch auf blauem Grund mit drei gelben Lichtern im Geweih und nimmt damit Bezug auf die Gründungslegende und Tradition des Fraumünsters.
Geschichte
Das Kloster Fraumünster wurde am 21. Juli 853 von Ludwig dem Deutschen gegründet, einem Enkel Karls des Grossen, indem er ein kleines Kloster an seine älteste Tochter Hildegard überschrieb. Vor allem Frauen aus dem Hochadel wurden gegen Zahlung einer Mitgift ins Kloster aufgenommen, wo sie zwar nach der benediktinischen Ordensregel lebten, aber das Recht zum freiwilligen Austritt und zur Heirat behielten. Die Äbtissinnen der Fraumünsterabtei waren Reichsfürstinnen und galten als De-facto-Stadtherrinnen von Zürich. Sie übten alle wichtigen Hoheitsrechte aus und prägten Zürich in kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht. Die Gesellschaft zu Fraumünster wurde 1989 gegründet mit der Zielsetzung, die Traditionen der 1524 aufgehobenen Abtei der Öffentlichkeit nahezubringen und das Andenken an die Äbtissinnen und an weitere historische Frauen-Persönlichkeiten von Zürich zu pflegen.
Frauen in den Zünften Zürichs
Im als «Constaffelbrief» bekannten Ratsbeschluss vom 6. Dezember 1490 wurde bestimmt, dass – ursprünglich aus wohlhabenden und adligen Familien stammende Männer und zeitweise auch Frauen – «Leute», die in Zürich nicht zünftisch organisiert waren, «Constaffel heissen und seyn sollen», d. h. der Gesellschaft zur Constaffel eingegliedert wurden. 1752 überraschten die Witwen von zwei Steinmetzen in Zürich die von Männern dominierten Handwerkszünfte, als sie beim Neubau des Zunfthauses zur Meisen eine günstigere Offerte als ihre männlichen Kollegen einreichten und den Auftrag zum Bau des 1757 fertiggestellten Gebäudes erhielten. Bis zur Aufhebung der Zünfte im Jahr 1798 war die gesamte Bürgerschaft – Frauen und Männer – in die Constaffel und zwölf Zünfte eingeteilt, und der grösste Teil des gesellschaftlichen Lebens von Zürich spielte sich in den Zunfthäusern ab. Frauen waren davon zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen, aber sie verkehrten im Laufe der Zeit immer weniger in den Zunfthäusern,[1] und mit der Neukonstituierung der Zünfte im beginnenden 20. Jahrhundert als mehrheitlich Traditionsvereine waren Frauen von den Zunftaktivitäten ausgeschlossen.
Heutige Situation
Nebst Veranstaltungen und Medienpräsenz hat die Gesellschaft zu Fraumünster in Zusammenarbeit unter anderem mit der Stadtarchäologie mit dem Mittelalter Spectaculum auf dem Münsterhof im Mai 2011 der Stadt Zürich Geschichte zum Erleben nähergebracht. Dieses Spektakulum führt die Gesellschaft zu Fraumünster im Dreijahres-Rhythmus durch.
Seit 2007 gibt die Gesellschaft zu Fraumünster ein Neujahrsblatt heraus, das der im Vorjahr anlässlich des Sechseläutens geehrten Frau gewidmet ist.
Sechseläuten
2011 erhielt die Gesellschaft zu Fraumünster von den Stadtzürchern Männerzünften erstmals das Gastrecht am „Zug der Zünfte“ anlässlich des Sechseläutens.[2] Obwohl die Fraumünstergesellschaft auf eine Jahrhunderte ältere Geschichte als die 1336 gegründeten Zünfte in Zürich zurückblicken darf, soll sie in Zukunft, gemäss Beschluss des Zentralkomitees der Zünfte im September 2011, weiterhin vom traditionellen Frühlingsfest in der Stadt Zürich ausgeschlossen bleiben.[3] Gegen diesen Entscheid wurde bei der Stadt Zürich interveniert: Stadtpräsidentin Corine Mauch empfindet diesen Entscheid etwas aus der Zeit gefallen, und der emeritierte Vereinsrechtsprofessor Hans Michael Riemer hält den Ausschluss der Frauen für rechtlich nicht begründbar, da die Schweizer Verfassung das Gleichbehandlungsgebot für Frauen und Männer garantiert.[4] Weil die Stadt Zürich den Zünften eine unbefristete Rahmenbewilligung für das Sechseläuten erteilt hat, prüft das Präsidialdepartement der Stadt Zürich, «ob es rechtliche Grundlagen gibt, der Fraumünster-Gesellschaft im Rahmen dieser Bewilligung eine möglichst gleichberechtigte Teilnahme am Sechseläuten zu ermöglichen».[5]
Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf begleitete als Ehrengast den Umzug der Gesellschaft zu Fraumünster am Sechseläuten 2012, der wie der Umzug im darauf folgenden Jahr eine Stunde vor Beginn des Sechseläuten-Umzugs der Stadtzürcher Zünfte erfolgen musste. Das Musikkorps der Frauenzunft begleitete den Umzug, flankiert von der Ehrengarde des Grossen, Allmächtigen und Unüberwindlichen Rats von Zug. Erstmals 2013 wehte die Fahne der Fraumünstergesellschaft zusammen mit den Fahnen der Zünften am Sechseläutenplatz.
Für den Umzug 2013 erfolgten Auflagen: So musste beispielsweise eine Demonstrationsbewilligung eingeholt werden.[6]
Verkommnis 2014
2014 marschierte die Gesellschaft zu Fraumünster erstmals in corpore als Gäste der Gesellschaft zur Constaffel mit. Gemäss einer Vereinbarung («Verkommnis»), die «der Constaffelherr, die Zunftmeister der Zünfte der Stadt Zürich und die Hohe Fraumünster-Frau» geschlossen haben, wird die Gesellschaft zu Fraumünster einstweilen bis 2022 als Dauergast der Gesellschaft zur Constaffel am Sechseläutenumzug teilnehmen. Als Gegenleistung stellt die Gesellschaft zu Fraumünster bis 2022 kein Gesuch um Aufnahme in das Zentralkomitee der Zünfte Zürichs und beteiligt sich am Sechseläuten nicht am nächtlichen Auszug der Zünfte.[7]
Weblinks
Einzelnachweise
- Ausstellung Frauenzunft und Männerwelt vom 29. August bis 25. November 2007, 250 Jahre Zunfthaus zur Meisen.
- Isobel Leybold-Johnson, swissinfo online (12. April 2011): Sechseläuten-Umzug erstmals mit Frauenzunft, abgerufen am 12. September 2011.
- NZZ online (12. September 2011): Männer bleiben am Sechseläuten unter sich, abgerufen am 12. September 2011.
- Tages-Anzeiger online (3. Oktober 2011): Stadt leistet Frauen Schützenhilfe, abgerufen am 4. Oktober 2011.
- 20 Minuten online (2. Oktober 2011): Stadt leistet Frauenzunft Schützenhilfe, abgerufen am 4. Oktober 2011.
- Daniele Muscionico: Die StrassenkämpferInnen. In: Die Zeit (11. April 2013).
- Tages-Anzeiger online (6. November 2014): Frauen dürfen an Sechseläuten mitmarschieren, abgerufen am 6. November 2014.