Gerhard Quaiser
Gerhard Quaiser (* 31. Oktober 1930 in Döllwitz im Saalekreis, nach heutiger Schreibweise Döllnitz) ist ein ehemaliger Elefantendompteur in der DDR.
Leben
Gerhard Quaiser entstammt einer vielköpfigen Zirkusfamilie, die in ihren Wohnwagen herumreiste. Die Versorgung der Familienmitglieder und der Tiere war ein mühsames Unterfangen. Im Alter von 16 Jahren wurde Quaiser an den Zirkus des Onkels abgegeben. Dort begann er außerhalb der Manege als Zeltarbeiter, Requisiteur und Tierpfleger. Aufgrund der in einem Kleinbetrieb unabdingbaren Vielseitigkeit kamen Einsätze in weiteren Bereichen hinzu, und bald beherrschte er Artistiknummern an den Ringen, am Solotrapez, auf dem Pferd.[1]
Anschließend trat er in die Dienste des Zirkus Frankello, ebenfalls ein Familienunternehmen, ein und hatte einen ersten Kontakt mit einem Elefanten. Als der Großzirkus Aeros 1952 einen versierten Pferdepfleger suchte, bewarb sich Quaiser und wurde genommen. Dort herrschte eine strenge Arbeitsteilung. Dennoch gelang es ihm, mit höheren Aufgaben betraut zu werden, und so wurde er dank seiner ruhigen und sicheren Hand und seines Vierbeinerverstandes erst Bereiter, dann Exotenstallmeister, das heißt, er kümmerte sich um Wasserbüffel, Yaks, Zebus, Kamele und Guanakos. Er assistierte bei der Dressur neu eingekaufter Ungarischer Steppenrinder und schuf so eine Grundlage für spätere eigene Dressuren. 1955 stieg er zum Oberstallmeister sämtlicher heufressender Tiere auf, worunter auch die fünf Indischen Elefanten fielen. Während eines einjährigen Ungarn-Gastspiels 1959 fiel die Dompteuse aus. Dank der geschaffenen Vertrauensbasis konnte er bei der Elefanten-Vorführung einspringen. Letztlich überzeugte er derart, dass ihm die Gruppe ausbildungstechnisch anvertraut wurde. Die Elefanten waren alt und die Arbeit mit ihnen daher besonders schwer, aber er erreichte es dennoch, dass das Publikum ihre Nummer begeistert aufnahm.[1]
Quaiser war mit den fünf Elefanten von 1960 bis 1966, nur einmal unterbrochen durch ein Engagement bei einem tschechischen Zirkus, fester Bestandteil des Aeros Programms.[2] 1961 war er zusätzlich für den Exotenzug verantwortlich.[3]
1966 trafen neben Tigern auch vier neue Elefantenbabys aus Kalkutta ein. Diese wurden in die Gruppe und in den Revueteil schnell integriert. Quaiser unternahm Recherchen nach Dressurnummern und stieß dabei auf Wilhelm Philadelphia, der in Wilhelm Hagenbecks Hamburger Dressurschule 1890 einen Elefanten ein größenangepasstes Dreirad fahren ließ. Ein solches wurde entwickelt und die Elefantendame Delhi darauf dressiert. Nach deren Tod wurde Deoli in anderthalb Jahren zur Nachfolgerin aufgebaut. Zusammen mit der Kugellaufnummer (in der vier Elefanten auf großen massiven Bällen, auf denen sie balancierend rückwärts trippelten, um sie in entgegengesetzter Richtung voranzutreiben) wurde die Dreiradnummer und damit er selbst in der internationalen Fachwelt bekannt. Seine Elefantendressur gehörte fortan zur europäischen Spitze.[1]
Bis 1977 blieb er Aeros treu, dann arbeitete er den Winter 1977/78 über im Nouvel Hippodrom de Paris und stellte ein Jahr lang im Cirque Jean-Richard sein Können unter Beweis.[2] Insgesamt waren 16 Aeros-Darbietungen auf dieser Frankreich-Tournee mit dabei.[4] Es folgten zwei Jahre als Attraktion im Zirkus Berolina, dem Staatszirkus der DDR. Dazwischen nahm er am Internationalen Circusfestival Monte Carlo teil. In der ersten Hälfte der 1980er Jahre war er abwechselnd bei Berolina und beim Circus Busch beschäftigt, bis er an seine Karriere noch einmal zwei Jahre bei Aeros dranhängte, ehe er seine Aufgabe an seinen Sohn Markus weitergab.[2] Auch sein zweiter Sohn, Roy, etablierte sich in der Zirkuswelt.[5]
Ein besonderer Höhepunkt im Berufsleben des Gerhard Quaiser war 1985 das zehnmonatige Japan-Gastspiel mit 75 Vorstellungen[6] plus Zusatzterminen.[7] Es war das erste Überseegastspiel des DDR-Staatszirkus. Da der Zelttransport zu aufwändig gewesen wäre, fanden die Vorstellungen in großen Sport- und Stadthallen statt. Am ersten Abend in Tokio, als Prominente aller Couleur anwesend waren, wurde die Besuchermarke von 500.000 übertroffen. Es war 50 Jahre her, dass der Circus Hagenbeck die Japaner zuletzt mit europäischer Zirkuskunst erstaunt hatte. In der japanischen Zirkustradition kommen Tiere so gut wie nicht vor und so avancierte die Elefantengruppe zum Publikumsliebling.[7]
Auszeichnungen
- 1980: Nationalpreis der DDR III. Klasse für Kunst und Literatur[8]
Einzelnachweise
- Gerhard Zapff: Porträt eines Stillen. Der Elefantendompteur Gerhard Quaiser. In: Ernst Günther, Heinz P. Hofmann, Walter Rösler (Hrsg.): Kassette. Ein Almanach für Bühne, Podium und Manege (= Kassette). Nr. 2. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin 1978, S. 185–190.
- Gerhard Quaiser. Elefanten. In: staatszirkus-der-ddr.de. Sascha Bittner, Ulrich Schäffner, abgerufen am 5. März 2020.
- Ugo Franconi Truzzi, Gerhard Quaiser. Exotenzug. In: staatszirkus-der-ddr.de. Sascha Bittner, Ulrich Schäffner, abgerufen am 5. März 2020.
- Dieter Wirth: Eigentlich wollte Clown Beppo ein Operettenbuffo werden. 25 Jahre VEB Zentralzirkus – Präludium vor dem Start ’78 – DDR-Artisten sind würdige Repräsentanten. In: Neue Zeit. Zentralorgan der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands. Nr. 60/1978, 11. März 1978, Aus unserer Hauptstadt, S. 6.
- Beatrice-Florence Dechousa und Roy Quaiser nach dem Motto: „Wir können nicht ALLES, aber das, was wir machen KÖNNEN wir!“ Roy Quaiser. In: variete-roy.de. Roy Quaiser, abgerufen am 5. März 2020.
- ADN/BZ: Zirkuskunst aus der DDR begeistert Japaner. In: Berliner Zeitung. Nr. 83/1985, 9. April 1985, Kulturpolitik, S. 7.
- Dietmar Winkler: Besonders beliebt sind die Elefanten. Zirkuskunst aus der DDR in Japan gefeiert. In: Berliner Zeitung. Nr. 186/1985, 10. August 1985, Kulturpolitik, S. 7.
- Anläßlich des Nationalfeiertages der Deutschen Demokratischen Republik: Kollektive und Einzelleistungen anerkannt und geehrt. In: Neue Zeit. Zentralorgan der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands. Nr. 237/1980, 8. Oktober 1980, Nationalpreis der DDR III. Klasse für Kunst und Literatur, S. 3 f.