Gerhard Halbritter
Gerhard Richard Halbritter (* 11. September 1908 in Mühlhausen/Thüringen; † 15. Juli 2002 in Tübingen) war ein deutscher Bildhauer, Zeichner und Grafiker.
Leben
1924 begann Gerhard Halbritter eine Holzbildhauerlehre und nahm nebenher Privatunterricht für Malerei und Bildhauerei. Nach dem Tod seiner Mutter 1926 studierte der Vollwaise (sein Vater war im Ersten Weltkrieg gefallen) mit finanzieller Unterstützung seines Onkels zunächst für zwei Jahre an der Kunstgewerbeschule in Budapest bei Matrei. Dann zog es ihn weiter nach Rom an die Accademia di Belle Arti (Antonino Calcagnadoro), nach Paris an die Ecole Superieur des Beaux-Arts (Henri Bouchard), nach Brüssel an die Academie Royale Bruxelles (Égide Rombaux) und schließlich nach Kopenhagen an die Königliche Akademie der schönen Künste (Aksel Jørgensen). Dort lernte er dessen Tochter, Rut Joergensen, kennen, die er 1936 heiratete. Das Paar hatte drei Kinder.[1]
In Kopenhagen arbeitete er als freischaffender Künstler, bis er 1944 zum Kriegsdienst nach Ungarn und Böhmen als Übersetzer und Schreiber eingezogen wurde. Nach Kriegsende wurde er in Kopenhagen inhaftiert und bis 1947 interniert, anschließend aus Dänemark ausgewiesen.
Während seiner Gefangenschaft in Dänemark fertigte Halbritter 1946 eine in Frakturschrift verfasste und mit 29 aquarellierten Initialvignetten ausgestattete Abschrift von Rilkes „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ an, einer 1912 als erster Band in der Insel-Bücherei erschienenen Erzählung. 1984 wurde diese Arbeit in einer bibliophilen Ausgabe verlegt.[2]
Zurück in Deutschland verschlug es ihn zunächst nach Baden-Baden (Institut für künstlerisches Planen und Schaffen) und danach weiter nach Tübingen. Zunächst freischaffend tätig, arbeitete er ab 1958 vier Jahre lang als wissenschaftlicher Zeichner an der Tübinger Universitätsklinik für HNO. Seither war er freischaffend tätig.
Es liegt ein umfangreiches graphisches Werk vor, unter anderem über 100 Radierungen zu Sakralbauten wie z. B. Ulm, Basel, Strassburg, Mainz, Barcelona, Kopenhagen, Speyer, Freiburg. Bemerkenswert ist die Rekonstruktion des Abendmahls n. Leonardo da Vinci in Haigerloch/Hohenzollern an der Halbritter mitwirkte. Initiator dafür war Friedrich Schüz.
Halbritter schuf Portraitmedaillen unter anderem von Goethe (1949), Ernst Bloch (1977), Norbert Greinacher (1977), Walter Jens (1984), Hans Küng (1980).
Totenmasken hat Gerhard Halbritter abgenommen u. a. von Ernst Bloch, Eduard Spranger, Friedrich Schüz aber auch von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe in den Tagen nach deren Selbstmorden in der sogenannten Todesnacht von Stammheim am 18. Oktober 1977.[3] Die verschollen geglaubten Abdrücke von Ensslin, Baader und Raspe sind im September 2009 über die rechtmäßige Erbin im Kunsthandel aufgetaucht.[4]
Am 15. Juli 2002 starb Gerhard Richard Halbritter in seinem Haus in Tübingen.
Auszeichnungen
1931 Silbermedaille für Design, Academie Royale Bruxelles
Werke
Einige von Halbritters Arbeiten in der Öffentlichkeit:
- 1951, Nepomuk, Haigerloch
- 1954, Kreuzigungsgruppe St. Luzen in Hechingen
- 1967, Epitaph Staatspräsident Bock, Nordstetten
- 1973, Kuno, Luithold, Aurelius, Münster Zwiefalten
- 1990, Epitaph Synagoge, Hechingen
- Vorhaben, die Totenmasken von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn auszustellen.[5]
Literatur
- Gerhard Halbritter. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 6, Nachträge H–Z. E. A. Seemann, Leipzig 1962, S. 12.
- Kürschners Graphiker-Handbuch: Deutschland, Österreich, Schweiz, Berlin, de Gruyter 1959
- „Das Münster“ 4 (1951), S. 313
- Volker Klimpel: Gerhard Halbritter. Ein Künstler aus Mühlhausen. In: Mühlhäuser Beiträge, Heft 33 (2010), S. 137–142.
Weblinks
Einzelnachweise
- Ulrich Stolte im Gespräch mit der Loni Halbritter-Hansen. In: Stuttgarter Zeitung, 8. Juli 2010; abgerufen am 18. Dezember 2016
- Reiten, reiten in Fraktur. Gerhard Halbritters bibliophile Ausgabe von Rilkes „Cornet“, Südwestpresse vom 29. November 1984
- Jürgen Dahlkamp: Trophäen für den Panzerschrank. In: Der Spiegel. Nr. 42, 2002 (online).
- Katrin Sachse: „Die drei Verbrecher“ – Die von einem Bildhauer angefertigten Totenmasken von Ensslin, Baader und Raspe sind nun im Kunsthandel aufgetaucht. In: FOCUS Magazin Nr. 37/2009.
- Spiegel Online, Kultur, 9. September 2009