Generalisierendes Personalpronomen
Ein generalisierendes Personalpronomen (kurz: Generalpronomen) unterscheidet sich von anderen Personalpronomina dadurch, dass es sich nicht auf einen spezifischen Referenten bezieht, sondern auf einen allgemeinen bzw. beliebigen Referenten.
Einordnung innerhalb der Personalpronomina
Ein Generalpronomen steht stellvertretend für einen Referenten, der sich in die Kategorie Person nicht eindeutig einordnen lässt (auch wenn ihm grammatisch eine Personalform zugeordnet ist). In der deutschen Sprache ist das Pronomen man ein generalisierendes Personalpronomen für eine Aussage, deren Subjekt keinen spezifischen Referenten meint:
Man gönnt sich ja sonst nichts.
Obwohl grammatisch eine 3. Person Singular vorliegt, lassen sich Aussagen mit „man“ mit Bezug auf eine 1., 2. oder 3. Person fortführen:
Man gönnt sich ja sonst nichts, also leiste ich es mir. (1. Person Singular) Man gönnt sich ja sonst nichts, also warum leistet ihr es euch nicht? (2. Person Plural) Man gönnt sich ja sonst nichts, also leisten Sie es sich doch! (2. Person, höflich) Man gönnt sich ja sonst auch was, also hat er/sie es sich geleistet. (3. Person Singular)
Abgrenzung von Indefinitpronomina
Im Gegensatz zu Indefinitpronomina kann ein Generalpronomen wie deutsch man sich auf ein und denselben Referenten innerhalb eines Textes wiederholt beziehen, während Indefinitpronomina dies nicht leisten:[1]
Da sieht manA, was manB davon hat. (Referent A ist identisch mit Referent B) Da sieht jemandA, was jemandB davon hat. (Referent A ist nicht identisch mit Referent B)
Deutsch man und einen
Das allgemein etablierte Generalpronomen der deutschen Sprache ist man; es verbindet sich als Subjekt mit Verbformen der 3. Person Singular. Als Dativ- und Akkusativform von man fungieren die entsprechenden maskulinen Formen des Pronomens ein-:
Nichts wird einem gegönnt.
Dieses Pronomen ein- ist, trotz seiner Formgleichheit mit dem indefiniten Artikel, von einem Indefinitum zu unterscheiden, eben dadurch, dass es zur Wiederaufnahme desselben Referenten dient. Vergleiche:
Wenn manA eine Frau beleidigt, dann ohrfeigt sie einenA. Wenn manA eine Frau beleidigt, dann ohrfeigt sie jemandenB. ( = jemand beliebigen)
Deutsch frau und mensch
Die feministische Sprachkritik hat als Alternative zum Pronomen man mit folgenden Begründungen das Pronomen frau und mensch kreiert:
1. man sei grammatisch betrachtet maskulin und würde darum unweigerlich eher mit männlichen als weiblichen Referenten assoziiert, sei also mitnichten geschlechtsneutral.
2. man sei aufgrund der Homophonie mit dem Substantiv Mann ungeeignet zur Referenz auf Personen jedweden Geschlechts.
Englische Generalpronomina
man wurde im Alt- und Mittelenglischen ganz wie im Deutschen verwendet (im Me. daneben die allomorphen Formen men und me), geriet aber im Laufe des 15. Jahrhunderts außer Gebrauch. An seiner Stelle stehen im modernen Englisch das Pronomen one oder generalisierende Verwendungen des Personalpronomens you (seltener auch they, we)[2]
That’s a miracle, one may think. „Das ist ein Wunder, möchte man meinen.“ (wörtlich übersetzt: „...möchte einer meinen.“)
That's a miracle, you may think. „Das ist ein Wunder, möchte man meinen.“ (wörtlich übersetzt: „...möchtest du/möchtet ihr meinen.“)
They say that love is a gentle thing, but it's only brought me pain.[3] (wörtlich übersetzt: „Sie sagen, die Liebe sei zärtlich, aber...“)
Französisch on und Katalanisch hom
Das Pronomen on (abgeleitet vom lat. homo, „Mensch“) verbindet sich wie deutsch man mit Verbformen der 3. Person Singular. Es ist jedoch nicht nur als Generalpronomen mit allgemeiner Referenz in Gebrauch, sondern konkurriert auch mit dem Personalpronomen nous um die Referenz auf die 1. Person Plural:[4]
Pour ne pas vivre seul on vit avec un chien, on vit avec des roses, ou avec une croix. „Um nicht allein zu sein, legt man sich einen Hund zu, oder Rosen, oder ein Kreuz.“[5]
Qu’est-ce qu’on fait? „Was machen wir?“
Gleiches gilt für katalanisch hom (ebenfalls von lat. homo):[6]
Antigament hom creia que el Sol girava al voltant de la Terra. „Früher glaubte man, dass sich die Sonne um die Erde dreht.“
Generalpronomina in anderen Sprachen
Viele Sprachen verfügen über kein Generalpronomen von besonderer Form. Italienisch, Rumänisch, Tschechisch und Russisch beispielsweise verwenden stattdessen entweder reflexive Verbalphrasen mit Nullsubjekt oder Verbalphrasen der 3. Person Plural:
Italienisch: Non si può fare. „Das darf man nicht.“ Tschechisch: To se nedělá. „Das tut man nicht.“
Rumänisch: Mă cheamă Ramona. „Man nennt mich Ramona.“ Russisch: Menjá zovút Olég. „Man nennt mich Olég.“
Im Irischen existiert eine Verbform, die sogenannte „autonome Form“, die als personale Konjugationsform des Verbs dieselbe Bedeutung transportiert wie ein selbständiges Generalpronomen sonst (ein separat zusetzbares Pronomen dafür existiert in dieser Sprache nicht).
Siehe auch
Literatur
- Haspelmath, Martin. 1997. Indefinite pronouns. Oxford: Clarendon Press.
- Snježana Kordić: Das verallgemeinernde "čovjek" ‘man’ im Kroatoserbischen. In: Bernhard Symanzik, Gerhard Birkfellner, Alfred Sproede (Hrsg.): Frau und Mann in Sprache, Literatur und Kultur des slavischen und baltischen Raumes (= Schriften zur Kulturwissenschaft). Band 45. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2002, ISBN 3-8300-0641-1, S. 165–187 (Online [PDF; 1,8 MB; abgerufen am 20. April 2019]).
Einzelnachweise
- Grammis, "Generalisierendes Personalpronomen" Abgerufen 3. Juli 2020.
- F. Th. Visser: An Historical Syntax of the English Language. Part One: Syntactical Units with One Verb. 2., durchgesehen Auflage. Brill, Leiden 1970, S. 51–52, § 65 (man as Subject)
- Linda Ronstadt: I Never Will Marry, in: The Johnny Cash Show, 21. Juni 1969.
- on, pron. pers. indéf., in: Le Trésor de la Langue Française Informatisé, eingesehen am 10. Dezember 2015.
- Dalida: Pour ne pas vivre seul, in: Il faut du temps, Sonopresse, 1972.
- hom, in: Gran Diccionari de la llengua catalana (online), eingesehen am 10. Dezember 2015.