Gemeindevermittlungsamt
Ein Gemeindevermittlungsamt ist in Österreich eine Vermittlungsstelle in Streitfällen, die in einer Gemeinde eingerichtet sein kann. Zweck des Gemeindevermittlungsamtes ist es, außergerichtliche Lösungen zu finden bei Streitigkeiten über
- Geldforderungen und Ansprüche auf bewegliche Sachen,
- Bestimmung oder Berichtigung von Grenzen unbeweglicher Güter oder über Grunddienstbarkeiten,
- die Dienstbarkeit der Wohnung,
- Besitzverhältnisse (RGBl. Nr. 150/1869, § 1) sowie
- Ehrenbeleidigungen (RGBl. Nr. 59/1907, Art. 2 § 1).
Es hat seinen Ursprung in der Laiengerichtsbarkeit und wurde im 19. Jahrhundert in den Rechtsbestand übernommen.[1] Für die verschiedenen Landesteile ergingen entsprechende Gesetze,[2] von denen 2020 die Gesetze für Vorarlberg von 1909[3] und für der Steiermark von 1914[4] als partikuläres Bundesrecht fortgelten.[5]
Die Gesetzgebung über das Verfahren zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten fiel bis 2019 in die Bundeskompetenz zur Grundsatzgesetzgebung (Art. 12 B-VG) und wechselte 2020 in die Bundeskompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung (Art. 10 B-VG), während die Organisation entsprechender Einrichtungen weiterhin in den Bereich der Landesgesetzgebung fällt (Art. 115 Abs. 2 B-VG,[6] Gemeinderecht) und die Gemeinden weiterhin im eigenen Wirkungsbereich tätig werden (Art. 118 Abs. 3 B-VG).
Die Bedeutung der Gemeindevermittlungsämter ist seit Langem rückläufig.[7] Derzeit bestehen nurmehr in Vorarlberg 21 Gemeindevermittlungsämter für 96 Gemeinden.[8]
Eine Alternative bietet der prätorische Vergleich vor dem Bezirksgericht (§ 433 ZPO).
Siehe auch
- Gemeindliches Schiedswesen in der Bundesrepublik Deutschland
- Gesellschaftliche Gerichte in der ehemaligen DDR
Weblinks
- Gesetz vom 21. September 1869 über die Erfordernisse der Exekutionsfähigkeit der vor Vertrauensmännern aus der Gemeinde abgeschlossenen Vergleiche und über die von denselben zu entrichtenden Gebühren (RGBl. Nr. 150/1869) mit späteren Änderungen
- Alexandra Erzsébet Schwärzler: Die Gemeindevermittlungsämter in Vorarlberg und ihr möglicher Beitrag zur Entlastung der Gerichte. 2013 (PDF; 83 kB).
Einzelnachweise
- Peter G. Mayr: Das oberösterreichische Gemeinde-Vermittlungsgesetz von 1889. In: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs. Band 16, Linz 1990, S. 349–391 (S. 349–363 (ooegeschichte.at [PDF]), S. 364–379 (ooegeschichte.at [PDF]), S. 380–391 (ooegeschichte.at [PDF])).
- Vorarlberg: LGuVBl. Nr. 66/1870, LGuVBl. Nr. 158/1909
- Kärnten: LGuVBl. Nr. 19/1873, LGuVBl. Nr. 35/1910
- Österreich unter der Enns: LGuVBl. Nr. 23/1874, LGuVBl. Nr. 124/1907; Wien: LGBl. Nr. 15/1984 mit späteren Änderungen, aufgehoben durch LGBl. Nr. 24/2017
- Österreich ob der Enns: LGuVBl. Nr. 3/1889, aufgehoben durch LGBl. Nr. 78/1979
- Steiermark: LGuVBl. Nr. 23/1915, aufgehoben durch LGBl. Nr. 83/2019; siehe auch EZ/OZ 2822/5 (zu LGBl. Nr. 29/2019), wo festgestellt wird, „dass keine Gemeinde der Steiermark mehr bekannt ist, in der ein solches Amt eingerichtet ist“
- Tirol: LGuVBl. Nr. 9/1915, aufgehoben durch LGBl. Nr. 26/2017
- Salzburg: LGBl. Nr. 44/1926, aufgehoben durch LGBl. Nr. 1/1997; Peter G. Mayr: Die Gemeindevermittlungsämter im Land Salzburg. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. Jahrgang 133, 1993, S. 323 (zobodat.at [PDF]).
- Gesetz vom 15. September 1909, wirksam für das Land Vorarlberg, über die Gemeindevermittlungsämter (StF: LGuVBl. Nr. 158/1909).
- Gesetz vom 29. Dezember 1914, gültig für das Herzogtum Steiermark, über die Gemeindevermittlungsämter (StF: LGuVBl. Nr. 23/1915)
- vgl. Art. 151 Abs. 63 Z 4 B-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019; Peter G. Mayr: Gemeindevermittlungsämter und Bezirksgerichtssprengel – Geglückte Kompetenzentflechtung?, JRP 2019 S. 64
- GP XXVI RV 301
- Peter G. Mayr: Blüte und Niedergang der Gemeindevermittlungsämter in Oberösterreich. In: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs. Band 17, Linz 1993, S. 265–306 (S. 265–288 (ooegeschichte.at [PDF]), S. 289–306 (ooegeschichte.at [PDF])).
- Gemeindevermittlungsämter in Vorarlberg; siehe auch LGBl. Nr. 62/2019 (Gemeindegesetz, § 80b „Gemeindevermittlungsdienst“ mit Übergangsregelung)