Funktionale Sicherheit
Funktionale Sicherheit (abgekürzt auch FuSi) bezeichnet den Teil der Sicherheit eines Systems, der von der korrekten Funktion des sicherheitsbezogenen Systems und anderer risikomindernder Maßnahmen abhängt. Nicht zur funktionalen Sicherheit gehören u. a. elektrische Sicherheit, Brandschutz oder Strahlenschutz.
Überblick
Da Sicherheit auch erreicht werden kann, indem notfalls die bestimmungsgemäße Funktion eingestellt und ein sicherer Zustand eingenommen wird, spricht man auch von der Sicherheitsintegrität des Systems.
Mit der Komplexität elektronischer, insbesondere programmierbarer Systeme steigt die Vielfalt der Fehlermöglichkeiten: Mikrorechner übernehmen heutzutage fast alle Sicherheitsfunktionen. Sie achten beispielsweise darauf, dass der Druck im Dampfkessel die Norm nicht übersteigt; sorgen für die Sicherheit von Chemieanlagen oder leiten Züge mit angemessener Geschwindigkeit auf die richtigen Gleise. Entsprechend fordert die Normenreihe IEC 61508 „Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer/elektronischer/programmierbar elektronischer Systeme“ die Anwendung diverser Methoden zur Beherrschung von Fehlern:
- Vermeidung systematischer Fehler in der Entwicklung, z. B. Spezifikations- und Implementierungsfehler;
- Überwachung im laufenden Betrieb zur Erkennung von zufälligen Fehlern; und
- Sichere Beherrschung von erkannten Fehlern und Übergang in einen vorher als sicher definierten Zustand.
Ursachen von zufälligen Fehlern können Alterung oder physikalische Phänomene (Softerror) sein.
Gesetzliche Sicherheitsanforderungen
Die Gesellschaft allgemein, insbesondere Kunden und Nutzer haben hohe Erwartungen an die Sicherheit von Systemen und die Reduzierung der Risiken. Diesbezüglich hat die Politik mit dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG, bis Dezember 2011: GPSG) einen gesetzlichen Rahmen für die Umsetzung von Sicherheitsanforderungen geschaffen.[1] Die Vermeidung systematischer Fehler, sowie die Beherrschung systematischer und zufälliger Fehler in „sicherheitstechnischen Funktionen“ senkt das zu erwartende Risiko auf ein akzeptiertes Maß.
Wichtige Normen der funktionalen Sicherheit
Folgende Normen gehören zu den wichtigsten, die funktionale Sicherheit betreffend:
- EN ISO 13849: Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen
- EN/IEC 61508: Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer/elektronischer/programmierbarer elektronischer Systeme
- EN/IEC 61511: Funktionale Sicherheit – Sicherheitstechnische Systeme für die Prozessindustrie
- EN/IEC 62061: Sicherheit von Maschinen – Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbar elektronischer Steuerungssysteme
- EN 50126 / IEC 62278: Bahnanwendungen – Spezifikation und Nachweis von Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Instandhaltbarkeit und Sicherheit (RAMS)
- EN 50128 / IEC 62279: Bahnanwendungen – Telekommunikationstechnik, Signaltechnik und Datenverarbeitungssysteme – Software für Eisenbahnsteuerungs- und Überwachungssysteme
- EN 50129 / IEC 62425: Bahnanwendungen – Telekommunikationstechnik, Signaltechnik und Datenverarbeitungssysteme – Sicherheitsbezogene elektronische Systeme für Signaltechnik
- EN 50159 / IEC 62280: Bahnanwendungen – Telekommunikationstechnik, Signaltechnik und Datenverarbeitungssysteme – Sicherheitsrelevante Kommunikation in Übertragungssystemen
- EN 50657: Bahnanwendungen – Anwendungen für Schienenfahrzeuge – Software auf Schienenfahrzeugen
- ISO 26262: Road vehicles – Functional safety
Normreihe für Kraftfahrzeuge: ISO 26262
Bedienungsfehler werden von den Normen jedoch nicht erfasst, da das System dann eine Bewertung des manuellen Eingriffs („vom Bediener gewollter Missbrauch zur Vermeidung eines noch größeren Schadens“ oder „Fehler des Bedieners“) treffen müsste.
Eine Anpassung dieser Normenreihe für Kraftfahrzeuge ist die Norm ISO 26262 („Road vehicles – Functional safety“). Diese ist zum ersten Mal im November 2011 erschienen und wurde im Dezember 2018 komplett überarbeitet neu veröffentlicht.
Da in den heutigen Automobilen eine immer größere Anzahl an elektronischen Bauteilen und Steuergeräten verbaut wird und auch eine steigende Vernetzung der einzelnen Elektronik-Komponenten untereinander festzustellen ist, nimmt die Entwicklungskomplexität stetig zu. In vielen Märkten unterliegt die Zulassung deshalb einer gesetzlichen Kontrolle, um die funktionalen Sicherheitsvorschriften nach ProdSG einzuhalten.
Literatur
- David J. Smith, Kenneth G. L. Simpson: Functional Safety. A Straightforward Guide to Applying IEC 61508 and Related Standards. 2nd edition. Elsevier / Butterworth-Heinemann, Amsterdam u. a. 2004, ISBN 0-7506-6269-7.
- Jens Braband: Funktionale Sicherheit. In: Lothar Fendrich (Hrsg.): Handbuch Eisenbahninfrastruktur. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-29581-5, S. 649–699.
- Peter Löw, Roland Pabst, Erwin Petry: Funktionale Sicherheit in der Praxis. Anwendung von DIN EN 61508 und ISO/DIS 26262 bei der Entwicklung von Serienprodukten. dpunkt.Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-89864-570-6.
- Martin Hillenbrandt: "Funktionale Sicherheit nach ISO 26262 in der Konzeptphase der Entwicklung von Elektrik/Elektronik Architekturen von Fahrzeugen." KIT Scientific Publishing, Karlsruhe, 2012.
- Dirk Dürholz, Steffen Herrmann und Ralf Stärk: SAFETY Essentials. ISO 26262 auf einen Blick – Kompakt vermittelt. 2014. ISBN 978-3-9815078-0-5.
Weblinks
- Safety and functional safety. IEC, abgerufen am 8. Januar 2022 (englisch).
- VDE (Verband für Elektrotechnik): Was ist funktionale Sicherheit? aufgerufen am 25. August 2014
Einzelnachweise
- P. Löw, R. Pabst, E. Petry "Funktionale Sicherheit in Serienprodukten" aufgerufen am 26. August 2014, PDF