Fritz Breithaupt
Fritz Breithaupt (* 1967 in Meersburg) ist ein deutscher Literatur-, Kultur- und Kognitionswissenschaftler und Publizist.
Leben
Fritz Breithaupt schloss 1991 sein Studium an der Universität Hamburg ab, absolvierte 1993 seinen Master an der Johns Hopkins University, an welcher er außerdem 1997 promoviert wurde. Seit 1996 lehrt er an der Indiana University Bloomington. Seit 2010 ist er Professor für Germanistik, sowie Adjunct Professor für Literaturwissenschaft und Affiliate Professor für Kognitionswissenschaften, sowie Chair des Department of Germanic Studies. 2005 war er Mitgründer des European Union Center an der Indiana University, dessen Co-Direktor er bis 2007 war. In Deutschland ist er außerhalb der akademischen Kreise, vor allem als Kolumnist des ZEIT Campus Magazins und Autor des Buches «Frag den Prof» bekannt.[1] Er schreibt regelmäßig für Die Zeit und das Philosophie Magazin. Seit 2006 gestaltet er die Kolumne „Professoren und ihre Neurosen“ für Zeit Campus.[2]
Zu seinen Auszeichnungen gehören Stipendien der Fulbright Foundation und der Alexander von Humboldt-Stiftung.
Forschungsschwerpunkte
- Empathie: Breithaupt interessiert sich für die Auslöser und die Blockaden von Empathie. Zu viel Empathie, so Breithaupt, könne zu Selbstverlust führen wie im sogenannten Stockholm-Syndrom. Einen Empathie-Auslöser erblickt Breithaupt in sozialen Dreierszenen: Jemand beobachtet einen Konflikt und ergreift mental die Partei eines der Kontrahenten. Um seine Entscheidung zu legitimieren, beginnt der Beobachter die Perspektive des einen zu übernehmen, seine Vorgeschichte zu narrativieren – und entwickelt dabei Empathie. Diese Empathie richtet sich oft auf eine einzige Partei im Konflikt, die andere wird ausgeblendet, weil es sich beim Beobachter zuerst um sein eigenes Gefühl dreht, auf der richtigen Seite zu stehen oder sich als besonders aufrichtig im Schnellverfahren sozusagen vorzukommen. Das ist eine der dunklen Seiten der Empathie. Breithaupt beschäftigt sich auch mit anderen „dunklen Seiten“ der Empathie. Dazu gehört der empathische Sadismus, in dem jemand einen anderen quält, um dessen Gefühle besser nachvollziehen zu können.
- Narration: In jüngeren Arbeiten entwickelt Breithaupt einen Narrationsbegriff, der auf dem Akt des narrativen Denkens beruht. Narratives Denken bestehe darin, zu einer gegebenen Darstellung Variationen und Alternativen zu entwickeln. Auf die offene Zukunft gezogen bedeutet dies Spannung, auf die Vergangenheit Zweifel. Den Ursprung der „Viel-Versionalität“ des Erzählens sieht Breithaupt in evolutionärer Hinsicht im Akt der Ausrede: Wer seinen Kopf aus der Schlinge ziehen will, tut gut daran, die von anderen wahrgenommenen Zusammenhänge anders zu erzählen. Aufbauend auf dieser Definition des narrativen Denkens analysiert Breithaupt kulturelle Praktiken des Rechts, des Gewissens und der Identität (Alfred Adler).
- Goethezeit: Ein dritter Schwerpunkt seiner Arbeiten besteht in der Literatur und Philosophie der Goethezeit. Breithaupt hat unter anderem zur Bildlichkeit, dem Geld, dem Gewissen und der Geschichte des Ich publiziert.
- Experimentelle Geisteswissenschaften: Breithaupt leitet das Experimental Humanities Lab. Eines der Projekte des Labs besteht darin, durch Verfahren der seriellen Reproduktion von Erzählungen einen Katalog einfacher Narrative zu erzeugen. Einfach gesagt – mit Hilfe von Stille-Post-Spielen erzeugen Tausende von Freiwilligen einfache Formen von Erzählungen.
Publikationen
Monographien
- Die dunklen Seiten der Empathie. Suhrkamp, Berlin 2017, ISBN 978-3-518-29796-4.
- Kultur der Ausrede. Eine Erzähltheorie. Suhrkamp, Berlin 2012, ISBN 978-3-518-29601-1.
- Kulturen der Empathie. Suhrkamp, Frankfurt 2009, ISBN 978-3-518-29506-9.
- Trad. esp.: Culturas de la empatía. Katz editores, Buenos Aires/Madrid 2011, ISBN 978-84-92946-36-5.
- Der Ich-Effekt des Geldes. Zur Geschichte einer Legitimationsfigur. Fischer, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-596-18059-2.
- Jenseits der Bilder. Goethes Politik der Wahrnehmung. Rombach, Freiburg im Breisgau 2000, ISBN 978-3-7930-9228-5.
Aufsätze (Auswahl)
- A Three-Person Model of Empathy. In: Emotion Review 4 (Januar 2012), S. 84–91.
- Kindheit von einem, der nicht an Vögel glaubt. In: Aris Fioretos (Hrsg.): Babel. Für Werner Hamacher. Urs Engeler, Basel 2009, ISBN 3-938767-55-3, S. 55–62.
- The Invention of Trauma in German Romanticism. In: Critical Inquiry, 2005, S. 77–101.
- Rituals of Trauma: How the Media Fabricated 9/11. In: Steven Chermak, Frankie Y. Bailey und Michelle Brown, Hg.: Media Representations of September 11. Praeger Publishing, Westport, Connecticut, 2003, S. 67–81.
Weblinks
- Literatur von und über Fritz Breithaupt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Fritz Breithaupt auf der Website der Indiana University (englisch)
- Experimental Humanities Lab.
- Dieter Thomä: Gespiegelte Perspektiven, Rezension in der FAZ, 28. Juni 2009.
Einzelnachweise
- Fritz Breithaupt: Was sind Module? In: Die Zeit. 14. Dezember 2010, abgerufen am 19. Januar 2021.
- Fritz Breithaupt: Professorenkolumne: Die Uni verhindert das freie Denken. In: Die Zeit. 6. Juni 2013, abgerufen am 19. Januar 2021.