Friedrich Voith
Friedrich Voith (* 3. Juli 1840 in Heidenheim an der Brenz; † 17. Mai 1913) war ein deutscher Maschinenbau-Ingenieur und Unternehmer. Er war von 1867 bis 1913 der Leiter der Firma J. M. Voith und entwickelte aus der Schlosserwerkstatt seines Vaters in 46 Jahren ein Industrieunternehmen.
Familie
Friedrich Voith wurde am 3. Juli 1840 in Heidenheim an der Brenz geboren. Er war der einzige Sohn des Schlossers Johann Matthäus Voith und seiner Frau Johanna Dorothea. 1867 heiratete er Adelheid Klara Sophie Hartmann, die Enkelin des Heidenheimer Textilfabrikanten Ludwig Hartmann. Am 24. März 1868 wurde sein erster Sohn Carl Matthäus Friedrich Voith geboren, der bereits am 5. April desselben Jahres starb. Wenige Wochen später verstarb auch seine erste Ehefrau. 1871 heiratete Friedrich Helena Margaretha Crusius, die Tochter des Pastors von Kötzschenbroda in Sachsen. 1874 wurde sein zweiter Sohn Walther geboren, 1878 sein dritter Sohn Hermann, 1885 sein vierter Sohn Hanns. Darüber hinaus war er Vater von vier Töchtern. Friedrich wohnte mit seiner Familie in einer zum Wohnhaus umgebauten Schleifmühle, 1901 zog man in die repräsentative, neu gebaute Villa Eisenhof, ein mächtiges, barock anmutendes Gebäude.
Werdegang
- Ausbildungszeit
Voiths Vater legte großen Wert darauf, seinem Sohn als seinem designierten Nachfolger eine gute theoretische und praktische Ausbildung zukommen zu lassen. Friedrich Voith besuchte zuerst die Vereinigte Latein- und Realschule in Heidenheim. Nach dem Schulabschluss 1853 arbeitete der 13-jährige für zwei Jahre als Lehrling in der Werkstatt seines Vaters. 1855 begann er mit 189 Mitschülern an der Polytechnischen Schule in Stuttgart Ingenieurwesen zu studieren. Sein Vater hatte zuvor erfolgreich beim Stadtrat um ein Stipendium für seinen Sohn angesucht. In Stuttgart schloss er sich dem Corps Stauffia Stuttgart an, wo er mit Heinrich Straub und Gottlieb Daimler bekannt war. Friedrich war ein eher durchschnittlicher Schüler, der mehr praktisch als theoretisch begabt war. In seinem Abschlusszeugnis der Polytechnischen Schule Stuttgart von 1859 kann man lesen: „Fachkenntnisse: ziemlich gut bis gut“ und „Betragen: fleißig und strebsam“.
- Ingenieurstätigkeit
Nach seiner Studienzeit war er zunächst über Vermittlung seines Vaters eineinhalb Jahre in der Firma Escher, Wyss & Co. in Ravensburg als Ingenieur tätig. Unter der Leitung eines Werkführers und zusammen mit 18 Arbeitern arbeitete er an der Werkbank und später auf dem Zeichenbüro an dem Bau von Wasserrädern und Turbinen mit. 1861 wechselte er ins technische Büro Heinrich Voelters in Heidenheim, wo er die Grundlagen des Papiermaschinenbaus erlernte. 1863 ging er zur Firma Henschel & Sohn nach Kassel, um andere Zweige des Maschinenbaus kennenzulernen. Ein Jahr später erhielt er die Nachricht, dass die Völter'sche Papierfabrik abgebrannt sei, und kehrte nach Heidenheim zurück, um seine Kräfte dem Betrieb seines Vaters zu widmen. Er hoffte, durch den Wiederaufbau der Völter'schen Papierfabrik größere Aufträge zu bekommen.
- Leitung des Unternehmens
Zuerst erweiterte er die Werkstatt des Vaters um eine Gießerei und baute den Betrieb zur Maschinenfabrik aus. Damals hatte der Betrieb ca. 35 Beschäftigte. Am 1. Januar 1867 übergab sein Vater das Unternehmen an Friedrich. Dieses Datum gilt auch als offizieller Gründungstag der Firma J. M. Voith. Des Weiteren baute er seine erste selbst bezahlte und nach eigener Konstruktion ausgeführte Holzschleiferei. Es folgten Aufträge für Einrichtungen von Holzschleifereien, insbesondere aus Sachsen, wodurch sich Friedrich genötigt sah, die Werkstätten weiter auszubauen. Im folgenden Jahr reichte er seine ersten Patente auf Holzschleifer mit Zahnstangen-Anpressung und auf den Raffineur ein. Der Raffineur ermöglichte eine qualitativ hochwertigere und billigere Papierherstellung. 1870 erfolgte die Eintragung des Betriebs ins Handelsregister. Friedrich begann in diesem Jahre mit der Herstellung von Turbinen, um die Holzschleifer mit eigenen Antriebsmaschinen auszustatten. Er begann mit einer 100-PS-Henschel-Jonval-Turbine.
1892 besuchte der Württembergische König das Privathaus Voiths. Seine Maschinenfabrik war das zweitgrößte Unternehmen Heidenheims, insgesamt besuchte der König vier heidenheimische Unternehmen.[1] 1909 versteuerte Friedrich Voith als physische Person in Württemberg ein privates Einkommen von 913.405 Mark und zahlte 5 % davon, nämlich 45.670 Mark Steuern.[1]
Bis zum Jahre 1909 wurden 2632 Turbinen von der Firma Voith ausgeliefert. Die Hauptabnehmer waren Elektrizitätsgesellschaften. Später bekam er von dem Ingenieur Adolf Pfarr, der sich bereits einen Namen im Turbinenbau gemacht hatte und die so wichtigen Geschwindigkeitsregulatoren konstruiert hatte, bei der Turbinenherstellung Unterstützung. Sein kaufmännischer Berater wurde Marcell Rempf. 1871 baute er eine neue Gießerei, da die alte zu klein wurde. Im Jahr 1873 belieferte die Firma Voith die Weberei C. F. Plouquet mit der ersten Francis-Turbine. Friedrich Voith hatte die herausragenden Eigenschaften dieser ursprünglich US-amerikanischen Erfindung erkannt und verbesserte sie, indem er unter anderem bewegliche Leitschaufeln zur Regulierung der Turbine einsetzte. Er zeigte außerdem mit Völter den Voith-Schleifer auf der Weltausstellung in Wien. Sie erhielten dafür die Fortschrittsmedaille.
1880/1881 wurde die erste vollständig von Voith erbaute Papiermaschine für die Firma Bezner & Co. in Gemmrigheim am Neckar fertiggestellt und ausgeliefert. Sie war für eine maximale Geschwindigkeit von 34 m/min ausgelegt.[2] Dieser Voith-Papiermaschine folgten weitere. In diesem Jahr beschäftigte der Betrieb 145 Menschen. 1882 erfand Friedrich eine Maschine zum Sortieren von Holzstoff. Dies hatte eine Umwälzung der Holzstoffindustrie zur Folge und trug dazu bei, dass die Firma bekannt wurde. Wegen steigender Auftragszahlen folgten zahlreiche Erweiterungen der Produktionsanlagen.
1890 wurde Friedrich Voith zur Anerkennung seiner Verdienste um die heimatliche Industrie zum Kommerzienrat ernannt. Nach den Krisenjahren nach 1893 hatte die Firma Voith einen ungeahnten Aufschwung zu verzeichnen, der besonders im Turbinenbau, der durch die Elektrotechnik eine neue Bedeutung erhalten hatte, zu spüren war. Durch den ungeahnten Aufschwung musste 1896 eine neue Maschinenfabrik angebaut werden, um den Aufträgen nach zu kommen. Durch den Kauf eines großen Teils der früheren Bleiche und der gesamten Lohmühle konnte Friedrich im Jahr 1899/1900 die Wasserkräfte dieser Anwesen vereinen und somit eine Turbinen-Anlage errichten, die ihm als Versuchsstation diente und auch sonst nützliche Dienste erbrachte. Die 1896 erbaute Maschinenfabrik musste schon 1901 erneut durch eine große Halle von ca. 8500 m² Fläche erweitert werden, die mit damals modernster Technik ausgestattet war. Durch ihre helle und hohe Bauweise wurde sie zu einer Sehenswürdigkeit und wurde von zahlreichen Fachleuten aus aller Welt besucht. 1903 wurde Friedrich durch die Zollverhältnisse genötigt, ein Zweigwerk in St. Pölten in Österreich zu bauen. Die Leitung dieses Zweigwerks übertrug er seinem ältesten Sohn Walther. Bereits zu dieser Zeit genoss die Firma J. M. Voith im Bau von Maschinen zur Papier- und Holzstoffherstellung sowie in der Herstellung von Turbinen Weltruf. Das gesamte Areal der Heidenheimer Fabrik umfasste damals ca. 175800 m² und sie beschäftigte ca. 1100 Arbeiter und Angestellte. Die Firma stellte die seinerzeit größten Papiermaschinen des Kontinents her und hatte drei 11500-PS-Turbinen für die Niagarafälle in Arbeit.
1904 ernannte Friedrich wegen der großen Ausdehnung des Geschäfts ein Direktorium. Dieses bestand aus Gerhard Clok, Vorstand des Turbinenbaus, Paul Priem, Vorstand des Baus von Maschinen zur Papier- und Holzstofffabrikation und Hermann Gottschick, Vorstand der kaufmännischen Büros. 1906 wurde die Firma an das Eisenbahnnetz angeschlossen.
Im darauf folgenden Jahr zählte der Betrieb 1550 Beschäftigte. Am 12. November 1908 wurde Friedrich die Ehrenbürgerwürde der Stadt Heidenheim verliehen.
Erst zwei Jahre vor seinem Tod, also 1911, nach 40 Jahren als alleiniger Geschäftsführer der Firma J. M. Voith, rang er sich dazu durch, das Unternehmen an seine Söhne zu übergeben und die einzelnen Firmenteile in Offene Handelsgesellschaften umzuwandeln. Der Generationenwechsel von Friedrich auf seine drei Söhne war ein umfangreiches und detailliert festgelegtes Procedere. Wie schwer es ihm fiel, die Verantwortung an seine Söhne zu übertragen, geht aus der das alleinige Vertretungsrecht einschränkenden Klausel hervor. Die Söhne mussten sich verpflichten, alle über den Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes hinausgehenden Angelegenheiten nicht alleine zu entscheiden ohne vorher die Zustimmung ihres Vaters einzuholen.
1912 wurden die Turbinen für die Niagarafälle ausgeliefert. Sie sind bis heute in Betrieb und machten die Firma endgültig zum Weltunternehmen. Im Jahr darauf, am 17. Mai 1913, starb Friedrich Voith. Die Firma zählte damals circa 2280 Mitarbeiter.
Neben der Ausgestaltung seiner Fabrik widmete Friedrich Voith sich besonders der Heranziehung eines tüchtigen Arbeiterstammes. Die zahlreichen Wohlfahrtseinrichtungen legen Zeugnis über die Fürsorge seiner Angestellten ab. Für den Bau von hervorragenden Turbinen und Maschinen zur Herstellung von Papier und Holzstoff wurde er mehrfach ausgezeichnet. Als Mitglied der Handelskammer und als langjähriger Obmann des Bürgerausschusses nahm er auch am öffentlichen Leben und den städtischen Angelegenheiten teil. Er gehörte dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) an, dem er mit der Gründung des Württembergischen Bezirksvereins des VDI 1877 beigetreten war.[3] Zeitweise war er auch Mitglied des Vorstands des Württembergischen Bezirksvereins.[4]
Auszeichnungen
- 1873: Auszeichnung mit der Fortschrittsmedaille für den Voith-Schleifer
- 1890: Ernennung zum königlich württembergischen Kommerzienrat in Anerkennung seiner Verdienste um die heimatliche Industrie
- 1905: Ernennung zum königlich württembergischen Geheimen Kommerzienrat[5]
- 1906: Verleihung der Ehrendoktorwürde (Dr.-Ing. E. h.) der Technischen Hochschule Charlottenburg[5]
- 12. November 1908: Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Heidenheim
- 1. November 1910: Ernennung zum Ehrenburschen des Corps Stauffia[6]
Literatur
- Paul Gehring: Johann Matthäus Voith (1803–1874) und Friedrich Voith (1840–1913). Schöpfer einer Weltfirma für den Bau von Papiermaschinen und Wasserturbinen. In: Schwäbische Lebensbilder. Im Auftrag der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte hrsg. von Hermann Haering. 5. Bd. Stuttgart 1950, S. 293–313.
- Matthias Georgi: Voith – 150 Jahre Wirtschaftsgeschichte, München 2017, ISBN 978-3-8275-0111-0
Quellen
- Karl Kaspar Meck: Die Industrie- und Oberamtsstadt Heidenheim a. Br. nebst dem Schloß Hellenstein in der Vergangenheit und Gegenwart. Teil 1. Selbstverlag, Heidenheim an der Brenz 1904.
- Karl Burr, Gerhard Schweizer: Lebendige Vergangenheit im Kreis Heidenheim. Denkmale, Gedenksteine, Inschriften, Feldkreuze, Kapellen. Verlag der Heidenheimer Zeitung, Heidenheim an der Brenz 1983.
- Hans Wulz, Manfred Allenhöfer: Das Heidenheimer Land. Die Leute der Ostalb und ihre Geschichte. Band 3.
- Gerhard Schweier: Heidenheimer Chronik. Geschichte der Stadt Heidenheim an der Brenz 1911–1960. Stadt Heidenheim an der Brenz, 1962.
- Anne Nieberding: Die Unternehmenskultur im Kaiserreich. J. M. Voith und die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. (= Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 9.) (zugl. Dissertation, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2001.) C. H. Beck Verlag, München 2003, ISBN 3-406-49630-X.
Weblinks
Einzelnachweise
- Anne Nieberding: Unternehmenskultur im Kaiserreich. Die Gießerei J. M. Voith und die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. (= Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 9), Beck, München 2003, ISBN 3-406-49630-X, S. 34.
- Vgl. Hundert Jahre Papierfabrik Gemmrigheim. 1866–1966. Gemmrigheim 1966, S. 32.
- Zum Mitglieder-Verzeichniss. In: Wochenschrift des Vereines deutscher Ingenieure. Band 1, Nr. 35, 1. September 1877, S. 273.
- Verein Deutscher Ingenieure (Hrsg.): Mitgliederverzeichnis 1884. Berlin 1884, S. 7.
- Carl Heydt: Chronik des Corps Stauffia zu Stuttgart. 1960, S. 136.
- Carl Heydt: Chronik des Corps Stauffia zu Stuttgart. 1960, S. 116.