Franny und Zooey
Franny und Zooey (Franny and Zooey) ist ein 1961 erschienenes Buch von J. D. Salinger. Salinger veröffentlichte darin die beiden bereits 1955 beziehungsweise 1957 entstandenen Erzählungen Franny und Zooey. Beide handeln, wie fast das gesamte schmale Werk Salingers, vom Schicksal einzelner Mitglieder der New Yorker Familie Glass. Schon im Jahr seines Erscheinens erreichte das Buch Platz eins auf der Bestsellerliste der New York Times.
Die deutsche Übersetzung des Buchs besorgten Annemarie Böll und Heinrich Böll. 2007 erschien eine Neuübersetzung von Eike Schönfeld, der zuvor bereits Salingers einzigen (ebenfalls zunächst durch Bölls Hilfe übersetzten) Roman Der Fänger im Roggen neu übersetzt hatte.
Erzähler
Zu Beginn des Abschnitts "Zooey" gibt sich der Erzähler als Buddy Glass, der Bruder der beiden Hauptfiguren zu erkennen, kündigt aber an, von sich selbst in der Dritten Person zu berichten. Buddy Glass ist die Schriftstellerfigur, die in anderen Erzählungen auch über den verstorbenen Bruder Seymoure berichtet.
Inhalt
Der erste Teil Franny füllt nur ein Fünftel des Buches, spielt im Umkreis eines Colleges der amerikanischen Ostküste (laut John Updike vermutlich Princeton) und handelt von einer Studienanfängerin, die sich mehr und mehr von der Egozentrik und Scheinheiligkeit ihrer Kommilitonen enttäuscht fühlt.
Der zweite, längere Teil ist nach Frannys fünf Jahre älterem Bruder Zooey benannt, einem emotional wesentlich abgeklärteren, kleinen Sprachgenie, das schon als Zwölfjähriger den Wortschatz eines Geisteswissenschaftlers besessen haben soll. Er wird von seiner Mutter Bessie gebeten, sich um Franny zu kümmern und herauszufinden, was es mit deren depressivem kleinen Nervenzusammenbruch auf sich hat.
Franny
Lane Coutell holt seine Freundin Franny am Bahnhof ab, um das Wochenende mit ihr zu verbringen. Er hat vor, gemeinsam ein Football-Match[1] zu besuchen und anschließend auf eine Party zu gehen. Zunächst aber lädt er Franny in ein vornehmes Restaurant ein. Während sie auf die verschiedenen Gänge warten, erzählt er ihr von seinen Studienerfolgen und versucht sie damit zu beeindrucken, dass seine literaturwissenschaftliche Arbeit über Flaubert demnächst veröffentlicht werden soll. Franny jedoch reagiert nervös, isst kaum etwas, raucht zu viel und lässt es an der nötigen Begeisterung fehlen. Von Lane zur Rede gestellt, beginnt sie die gesamte College-Ausbildung in Frage zu stellen und Lanes Studienfreunde als oberflächlich zu kritisieren. Plötzlich wird ihr unwohl, kalter Schweiß steht ihr auf der Stirn und sie fürchtet ohnmächtig zu werden. Sie flieht zur Toilette, bekommt einen Weinanfall, fängt sich aber wieder und kehrt an Lanes Tisch zurück. Dem ist die ganze Sache rätselhaft und peinlich zugleich, aber sieht vor allem seinen schönen gemeinsamen Wochenendplan ins Wasser fallen. Um Mitleid bemüht, fragt er Franny nach dem kleinen Buch, das sie mitgebracht hat und den Titel The Way of a Pilgrim trägt.[2] Begeistert erklärt sie ihm, dass es um einen russischen Wanderer geht, der unablässig das Jesusgebet ("Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner, eines Sünders") spricht, und zwar so intensiv, selbstverständlich und endlos, bis es ihm genauso unbewusst wie sein Atmen wird und er, gleichsam wie in Trance, Gott zu erkennen glaubt.
Als Lane das Verhalten des Pilgers als interessantes psychologisches Phänomen abtut und der immer noch völlig faszinierten Franny erklärt, dass er sie liebe, wird ihr erneut übel. Sie steht auf, bricht aber ohnmächtig zusammen und wacht erst fünf Minuten später im Büro des Geschäftsführers wieder auf. Die Geschichte endet damit, dass Franny das Jesusgedicht zu murmeln beginnt, während Lane, sehr besorgt um das mysteriöse Verhalten seiner Freundin, hinaus auf die Straße geht, um ein Taxi anzuhalten und Franny nach Hause zu bringen.
Zooey
Die Fortsetzung der Geschichte von Frannys Nervenzusammenbruch spielt zwei Tage später. Der 25-jährige Zooey Glass sitzt in der Badewanne, raucht und liest einen vier Jahre alten Brief seines großen Bruders und Vorbilds Buddy. Seine Mutter Bessie kommt dazu, setzt sich auf den Badewannenrand, beginnt ihm ausführlich über ihre Besorgnis wegen Frannys Depressionen zu erzählen und lässt sich auch durch Zooeys wiederholte Frotzeleien und rüde Aufforderungen, endlich zu verschwinden und ihn in Ruhe sein Bad nehmen zu lassen, nicht von ihrem Ziel abbringen: Sie will ihn davon überzeugen, dass Franny einen Psychiater aufsuchen müsse. Zooey aber ist strikt dagegen und will die Angelegenheit in die eigene Hand nehmen.
Als die kleine Schwester auf seine Fragen nach dem Sinn des Jesusgebets auch ihm gegenüber äußerst gereizt und abweisend reagiert, greift er zu einem Trick. Er zieht sich in das ehemalige Kinderzimmer seines großen Bruders zurück, greift zum Telefon und ruft Franny an. Da Buddys und Zooeys Stimmen am Telefon kaum zu unterscheiden sind, fällt es ihm leicht, sich als der (von Franny sehr verehrte) ältere Bruder Buddy auszugeben und ihr behutsam einige Ratschläge zu geben. Und auch nachdem Franny das Spiel nach einer Weile durchschaut hat, legt diese nicht auf, sondern spricht weiter und öffnet sich ihm immer mehr. Als Zooey ihr schließlich von Seymour erzählt, ihrem ältesten Bruder, der von allen Mitgliedern der Familie Glass wie ein Heiliger geliebt wird (und das nicht erst, seit er vor einigen Jahren auf seiner Hochzeitsreise Selbstmord beging)[3], und ihr von dessen geheimnisvollem Rat für Lebenskünstler berichtet, löst sich Frannys Spannung völlig und sie kann zufrieden ins Bett kriechen und selig einschlafen.
Literatur
- Jerome D. Salinger: Franny und Zooey, aus d. Amerik. von Annemarie und Heinrich Böll. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1963; als TB im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek, 30. Auflage 2003, ISBN 978-3-499-10906-5.
- Neue Übersetzung von E. Schönfeld, Kiepe 2007 bzw. rororo-TB, 2007, ISBN 978-3-499-24558-9.
Einzelnachweise
- Die Begegnung findet zur Zeit der berühmten "Yale-Games" statt, einer American-Football-Championship zwischen Yale und Harvard.
- Das russische Original eines unbekannten Autors hat den Titel Откровенные рассказы странника духовному своему отцу (Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers). Es stellt eine für die russische Tradition des Hesychasmus des 19. und die Imjaslavie (Verehrung des Namens Gottes)-Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts bedeutungsvolle Schrift dar.
- Vgl. hierzu Ein Herrlicher Tag für Bananenfisch (A Perfect Day for Banana Fish), die erste von Salingers Neun Erzählungen (Nine Stories)