Festung (Schach)
Eine Festung im Schachspiel ist eine Stellung, in der eine Partei ihre an sich unterlegenen Kräfte so aufgestellt hat, dass die Gegenpartei weder Matt noch eine Abwicklung in ein gewonnenes Endspiel erzwingen kann. Mit Hilfe einer Festung erreicht eine materiell unterlegene Partei ein Remis.
Der russische Schachtrainer Mark Dworezki definiert eine Festung als eine „uneinnehmbare Stellung, in der man sich auf passive Verteidigung beschränkt“. Gelegentlich sei möglicherweise ein exakter Zug nötig. Der Festungsbau sei eine wichtige Verteidigungsmethode im Endspiel.[1]
Beispiele
1952
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In diesem Beispiel hat Schwarz zwar einen materiellen Vorteil von einem Turm gegen zwei Bauern, kann aber nicht gewinnen, weil sein König nicht eingreifen kann und Weiß die Einbruchsfelder des Turms auf der h-Linie kontrolliert.
1. … Th8–h3
2. Kg1–g2! Th3–h6
3. Kg2–g1! remis, denn der schwarze König wird zuverlässig von den beiden weißen Bauern abgeschirmt, und der Turm allein kann nicht eindringen.
Belgien 1970
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In dieser Stellung aus einer Partie Arschak Petrosjan − Laszlo Hazai steht Schwarz auf Verlust. Weiß verfügt über das einfache Manöver Db2–d2, Ka2–b3, Sa4–c3, Kb3–a4, Sc3–a2–c1–b3, wonach Weiß den Ba5 erobern würde und dann leicht gewinnt. Hazai fand den geistreichen Zug 1. … Da7–b6!?, der noch eine letzte Falle stellte, in die Petrosjan fiel. Er schlug mit 2. Sa4xb6+? die Dame, weil er glaubte, nach 2. … c7xb6 die durch h5–h4 drohende Festung mit dem Bauernopfer 3. h3–h4 vermeiden zu können. Doch nach 3. … g5xh4 opferte Schwarz im folgenden Zug seinerseits den Bauern mit 4. … h4–h3, und nach 5. g2xh3 h5–h4 war jede Einbruchsmöglichkeit versperrt.
Wijk aan Zee 2019
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Anish Giri hatte mit seinem letzten Zug b5–b6 den schwarzen Bauern blockiert. Nun drohte er nach Kf5–g4 den schwarzen Springer zu gewinnen. Da es keine Möglichkeit gab, dies zu verhindern, gab Samuel Shankland zur Überraschung Giris auf. Shankland hatte übersehen, dass er den Springer gar nicht benötigte, weil er bereits eine bekannte Festung im Endspiel Läufer und Bauer gegen Bauer errichtet hatte. Nach 1. … Kd5–d6 kommt der schwarze König nach c8, der weiße König kann den Bauern b7 nicht angreifen, ohne Schwarz pattzusetzen. Die Stellung ist remis.
Weitere Beispiele:
- Im Anschluss an die berühmte Kombination in der Partie Tylkowski – Wojciechowski, Poznań 1931 musste Weiß möglicherweise nur deshalb verlieren, weil er versäumte, beginnend mit 37. Tb3 eine Festung zu errichten.
- Siehe auch: Der falsche Läufer
Bekannte Festungen
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Eine bekannte Festung im Endspiel Dame gegen Turm und Bauer zeigt Diagramm 1. Weiß pendelt mit dem Turm zwischen f3 und h3 bzw. mit dem König zwischen g1, h1 und h2. Der schwarze König kann in keinem Fall die 3. Reihe überschreiten. Selbst wenn der König auf e2 statt e4 stehen würde, könnte er nie die f-Linie überschreiten. Wichtig ist, dass der weiße Bauer hier noch auf seinem Ausgangsfeld steht, sodass Schwarz die Festung nicht umgehen und von hinten angreifen kann.
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Im Endspiel Läufer und Springerbauer gegen Bauer gibt es die Festung aus Diagramm 2. Weiß pendelt mit dem König zwischen g1 und h1. Der schwarze König kann sich dem Bauern g2 nicht annähern, weil Weiß dann patt ist. Aufpassen muss Weiß lediglich, wenn Schwarz den Läufer auf f3 opfert: Dieser darf nur geschlagen werden, wenn der weiße König auf g1 steht, weil Weiß nach Kxf3 mit dem Zug Kf1 die Opposition herstellt und remis hält. Bei Königsstellung auf h1 darf Weiß nicht schlagen, da er die Opposition nicht erreicht und nach Kxf3 und g2 verliert.
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Das seltene bauernlose Endspiel Dame gegen Läufer und Springer ist meistens gewonnen. Diagramm 3 zeigt die einzige sichere Festung, die Max Karstedt bereits 1903 fand. Schwarz kann mit dem König niemals dauerhaft die Felder f1, f2, f3, g3, h3 betreten. Falls der weiße König auf g1 oder h2 gezwungen wird, kann der Läufer zwischen h1 und g2 pendeln. Die Stellung, die gespiegelt werden kann, geht auf eine im Deutschen Wochenschach veröffentlichte Studie Karstedts zurück.[2]
Aktive Festungen
Zumeist besteht eine Festung aus einem kleinen Areal des Schachbretts, das von der schwächeren Seite gehalten wird, oder die stärkere Seite vermag einen Bauernwall nicht zu durchbrechen. Erstaunlicherweise können jedoch auch offensiv wirkende Figuren Festungen aufbauen.
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Der schwarze König ist eingesperrt und völlig bewegungsunfähig. Ohne ihn kann die Dame nicht matt setzen, und sie gegen einen Springer zu opfern, führt zu einem unentschiedenen Endspiel. Der einzig mögliche Gewinnversuch wäre, dass Schwarz mit der Dame seinerseits den weißen König einsperrt, Weiß in Zugzwang bringt und die Springer sich mit Verlust trennen müssen. Doch dies ginge nur auf den Feldern f7 oder g6, die beide der Springer e5 kontrolliert. Daher ist die Stellung remis.
Probleme für Schachcomputer und Schachprogramme
Da Festungen nicht ein definitives Partieende (wie etwa Patt) darstellen und eine Seite materiell dauerhaft überlegen ist, sind Schachcomputer und Schachprogramme üblicherweise nicht in der Lage, mit ihren normalen Bewertungsmethoden eine Festung als solche zu erkennen. Entsprechende Fähigkeiten müssen gesondert in sie einprogrammiert werden.
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Nach 1. De7xc7+ Kb7xc7 2. b2–b4! hat Weiß eine Festung aufgebaut. Ob Schwarz auf b4 tauscht, den Bauern nach c4 vorschiebt oder ihn auf c5 stehen lässt, ist egal – die schwarzen Bauern kommen nicht am weißen König vorbei, und dessen schwarzes Gegenüber ist durch die weißen Bauern ausgesperrt. Shredder 7.04 war noch im Jahre 2003 nicht in der Lage, diese Stellung als einfaches Remis zu erkennen.[4]
Einzelnachweise
- Mark Dworezki: Geheimnisse gezielten Schachtrainings. Edition Olms 1993. ISBN 3-283-00254-1. S. 49 und S. 113.
- Siehe Selection out of 126 studies composed by Max Arn K.S. Karstedt auf arves.org; die Studie selbst findet sich hier auf dem PDB-Server.
- Behtings Studie in der Problemdatenbank der Schwalbe: .
- Tim Krabbés Schachtagebuch, Eintrag 223