Fatinitza
Fatinitza ist eine Operette in drei Akten von Franz von Suppè (Musik) nach einem Libretto von Camillo Walzel und Richard Genée, die am 5. Januar 1876 im Carltheater in Wien uraufgeführt wurde. Eduard Rogati und Herbert Witt (Text) und Bruno Uher (Musik) erstellten 1950 für das Gärtnerplatz-Theater in München eine Neufassung, die einen tiefen Eingriff in den Stil des Originals mit zum Teil moderneren Tanzrythmen darstellt. Diese Fassung hat sich aber nicht auf den Bühnen durchgesetzt. In jüngster Zeit sind eher Bestrebungen zu beobachten, der Originalfassung wieder Geltung zu verschaffen.[1]
Werkdaten | |
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Titel: | Fatinitza |
Form: | Operette |
Originalsprache: | Deutsch |
Musik: | Franz von Suppè |
Libretto: | Camillo Walzel und Richard Genée (1876), Eduard Rogati und Herbert Witt (1950) |
Uraufführung: | 5. Januar 1876 |
Ort der Uraufführung: | Wien, Carltheater |
Ort und Zeit der Handlung: | Türkei und Odessa, 1853–1856 |
Personen | |
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Handlung
Ort und Zeit
Die Operette spielt in der Türkei und in Odessa zur Zeit des Krimkrieges (1853–1856).
Erster Akt
Bild: Feldlager der Bulgaren
Julian von Golz, Reporter einer deutschen Zeitung, besucht im Winter 1877 seinen Freund Wladimir Michailoff. Dieser ist Leutnant der bulgarischen Truppen, die zurzeit die türkische Festung İpsala belagern. Stolz erzählt Wladimir seinem Freund, er habe seine im vergangenen Jahr erlittene unglückliche Liebesbeziehung zu einem Theaterstück verarbeitet:
- 1876: In Tirnowo begegnet Wladimir der jungen Fürstin Lydia und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Auch für das Mädchen scheint Wladimir die Liebe auf den ersten Blick zu sein. Beide würden sich gerne näher kennenlernen, doch Lydia wird von ihrem Onkel, dem General Kantschukoff, allzu gut behütet. Julian empfiehlt seinem Freund, es mit einer List zu versuchen. Verkleidet als Türkenmädchen Fatinitza solle er sich bei der adligen Familie um die Stelle eines Hausmädchens bewerben. Zunächst scheint alles wunderbar zu klappen, denn der General zeigt sich entzückt, als die „Türkin“ bei ihm ihre Aufwartung macht. Wladimir merkt aber bald, dass es der General nur auf die Reize der jungen „Frau“ abgesehen hat und sie gerne erobern möchte. So heißt es, gleich wieder Abschied zu nehmen.
Zurück in der Gegenwart: Wladimirs Drama soll im Lager mit ihm in der Hauptrolle uraufgeführt werden. Schon ist er in Fatinitzas Garderobe geschlüpft und geschminkt, als völlig unerwartet der General im Lager auftaucht. Beim Anblick Fatinitzas entbrennt sein Herz aufs Neue für die vermeintliche Türkin. Zu Wladimirs Glück besucht auch noch seine geliebte Lydia die Truppe und lenkt ihren Onkel fürs Erste einmal ab. Brenzlig wird allerdings die Lage, als es einem türkischen Spähtrupp gelingt, ins Lager einzudringen und sowohl Lydia als auch Fatinitza zu entführen.
Zweiter Akt
Bild: In der türkischen Festung
Izzet Pascha, dem Gouverneur der Festung Ipsala, werden die Gefangenen vorgeführt. Sofort ist er von Lydias Schönheit eingenommen und will sie und ihre Begleiterin seinem Harem zuführen. Wladimir alias Fatinitza findet Gelegenheit, gegenüber Lydia sein Inkognito zu lüften. Erleichtert nehmen die zunehmend eifersüchtiger werdenden Haremsdamen zur Kenntnis, dass die zwei Neuen die Flucht planen. Dabei werden sie von der Marketenderin Manja unterstützt. Als dann der Pascha freudestrahlend seine neue Eroberung zum Tête-á-Tête abholen will, muss er enttäuscht feststellen, dass sie und ihre Begleiterin verschwunden sind.
Bald darauf kehrt Wladimir in die Festung zurück, diesmal jedoch in seiner Leutnantsuniform und mit schwer bewaffneten Soldaten im Schlepptau. So in die Enge getrieben, bleibt dem Pascha keine andere Wahl als zu kapitulieren.
Dritter Akt
Bild: Im Hause des Grafen Kantschukoff
Ein paar Wochen später unternimmt Wladimir einen neuen Anlauf, um bei seiner Geliebten landen zu können. Zusammen mit Manja und Julian sucht er sie unangemeldet in Tirnowo auf. Doch was er jetzt zu hören bekommt, versetzt ihm einen Schock: Auf Geheiß ihres Onkels soll Lydia einen von dessen Kriegskameraden heiraten. Der Marketenderin kommt die rettende Idee. Sie spielt dem General einen Brief zu, in dem von Fatinitzas baldigem Besuch die Rede ist. Sofort hellen sich die Züge des alten Haudegens auf. Anstelle von Fatinitza erscheint jedoch Wladimir und gibt vor, der Bruder des Türkenmädchens zu sein. Unter diesen Umständen wird ihm natürlich ein freudiger Empfang bereitet, zumal Kantschukoff in den Gesichtszügen eine große Ähnlichkeit mit Fatinitza erkennt. Der General lässt sich sogar das Versprechen abringen, einer Eheschließung Wladimirs mit Lydia nicht im Wege zu stehen, wenn er, Wladimir, es schaffe, dass ihm Fatinitza die Hand reiche. Nichts leichter als das, denkt Wladimir, und macht sich schleunigst davon. Bereits nach wenigen Minuten steht er wieder vor der Tür – verkleidet als Fatinitza. Nachdem diese Kantschikoff die Hand gereicht hat, gibt sich Wladimir zu erkennen. Darüber ist der General so verblüfft, dass er gegen die Verlobung der beiden jungen Leute nichts mehr einzuwenden hat.
Trivia
- Der Wortlaut des Berliner Gassenhauers „Du bist verrückt mein Kind, Du mußt nach Berlin, / Wo die Verrückten sind, / dort gehörst Du hin“, war ursprünglich „Du bist verrückt mein Kind, Du mußt nach Dalldorf hin, / Wo die Verrückten sind, / dort gehörst Du hin“ und entstand im Berliner Volksmund nach der Berliner Erstaufführung der „Fatinitza“ auf die Melodie des Trio des „Fatinitza-Marsches“ (Marschterzett im 3. Akt) und spielte auf die seit 1869 vorgesehene und 1877 bis 1879 errichtete Irrenanstalt an. Dalldorf, seit 1905 Wittenau, wurde jedoch schon 1877 durch den bekannten Text, der außerhalb Berlins erstmals nachweisbar ist, ersetzt. Dass auch der Text Franz von Suppè zugeschrieben wird, offenbart historische Unkenntnis, wie Andreas Weigel nachweist.[2]
Musikalische Höhepunkte
Höhepunkte (der Original-Fassung)
- Sie, die ich nie darf nennen. Romanze. Erster Akt, vierte Szene [Wladimir]
- Reporter-Lied (Ein Reporter ist ein Mann ). Erster Akt, fünfte Szene. [Julian]
- Himmelbombenelement!. Entree. Erster Akt, siebente Szene. [Kantschukoff].
- Reformen thu'n Noth. Couplet. Zweiter Akt, zweite Szene [Izzet].
- Jeder Trinker ist anfangs nüchtern. Duettino. Zweiter Akt, neunte Szene [Izzet].
- Fatinitza-Marsch
- Vorwärts mit frischem Mut (Marsch-Terzett Dritter Akt, fünfte Szene. [Wladimir, Lydia, Julian])
Musikalische Höhepunkte (der Rogati-Witt-Uher-Bearbeitung)
- Wie schade, Silberglöckchen klingt so helle (Walzer)
- Reich mir die Hand
- Ich bin verrückt nach dir (Duett, Marsch) [war in der Original-Fassung (1876) das populäre Marsch-Terzett]
Diskografie (Auswahl)
- Gesamtaufnahme: Stephanie Houtzeel, Steven Scheschareg, Bernhard Adler, Zora Antonić, Christian Bauer, Chor des Lehár-Festivals Bad Ischl, Franz-Lehár-Orchester, Vinzenz Praxmarer (2007) – CD CPO, Vertrieb: jpc
- Ouvertüre: Orchestre symphonique de Montréal, Charles Dutoit (1985) – CD Decca, Vertrieb: Universal
Nachwirkung
Im Jahre 1953 wurde in Wien-Favoriten (10. Bezirk) der Fatinitzaweg nach der Operette benannt.
Literatur
- Anton Würz: Reclams Operettenführer, 23. Auflage, ISBN 3-15-010512-9
- Volker Klotz: Operette, überarbeitete und erweiterte Auflage 2004, ISBN 3-7618-1596-4
- Hans-Dieter Roser: Franz von Suppé, ISBN 978-3-902494-22-1
Einzelnachweise
- Volker Klotz: Operette, S. 735, Hans-Dieter Roser: Franz von Suppé, S. 230, Reclams Operettenführer: „Fatinitza“, Aufführung 2006 Lehár Festival Bad Ischl.
- Andreas Weigel: Zur Entstehung, Urheberschaft und Rezeptionsgeschichte eines Berliner Gassenhauers (Korrektur eines weit verbreiteten Missverständnisses)., abgerufen am 28. Juni 2021.
Weblinks
- Fatinitza: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project
- Libretto, L. Rosner, Wien 1876 (Facsimile)
- CD-Tipp bei Klassika