Evangelische Stadtkirche Weingarten
Die neugotische Evangelische Stadtkirche in der Abt-Hyller-Straße 17 in Weingarten (Württemberg) wurde 1883 eingeweiht. Sie ist das geistliche Zentrum der Kirchengemeinde Weingarten der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.
Vorgeschichte und Bau
Zu Zeiten der Reichsabtei Weingarten war Altdorf, das spätere Weingarten, ein rein katholischer Ort. Erst im 19. Jahrhundert kamen die ersten evangelischen Christen in die Stadt. Ein Waisenhaus für katholische und evangelische Kinder, das im ehemaligen Kloster eingerichtet wurde, führte 1825 zur Gründung der Evangelischen Kirchengemeinde Weingarten. Die evangelischen Christen feierten Gottesdienst in einem Betsaal mitten im ehemaligen Kloster, auch als es später als Kaserne genutzt wurde. Die Räumlichkeiten dort waren zu klein und vom Zuschnitt her wenig geeignet, so dass der Ruf nach einer eigenen Kirche immer lauter wurde.
1878 wurde der Beschluss zum Kirchenbau dann gefasst. Mit Hilfe vieler Spenden evangelischer Christen und einem Darlehen konnten die 100.000 Mark, die dieser Bau in der Diaspora kostete, aufgebracht werden. Ein Drittel kam allein vom Gustav-Adolf-Verein, und auch der deutsche Kaiser Wilhelm I. spendete 1.000 Mark.
Als Architekt der Stadtkirche konnte der Stuttgarter Oberbaurat Prof. Christian Friedrich von Leins (1814–1892) gewonnen werden. Neben vielen evangelischen Kirchen in ganz Württemberg baute er in seiner Heimatstadt berühmte Gebäude wie die Villa Berg und den Königsbau am Schlossplatz. Mit seinen Initialen hat er sich an der Decke der Eingangshalle der Weingartener Stadtkirche verewigt.
Mit einem Festzug und einem feierlichen Gottesdienst wurde die Kirche am 5. August 1883 eingeweiht.
Mit dem Pfarrhaus von 1890 und der evangelischen Schule (heute Stadtbücherei) von 1894 entstand ein Zentrum evangelischen Gemeindelebens, das anfangs noch am Stadtrand lag, durch das stetige Wachstum der Stadt inzwischen aber ins Zentrum gerückt ist. Das Martin-Luther-Gemeindehaus mit Kindergarten ergänzt seit 1951 das Ensemble des späten 19. Jahrhunderts; 2017–2018 wurde es umfassend umgebaut und renoviert.
Umbauten und Renovierungen
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg zeigten sich an der Kirche starke Alterungserscheinungen. 1920 fiel sogar eine Kreuzblume vom Turm und durchschlug das Dach. 1931 wurde die Kirche daher renoviert und außen wie innen stark vereinfacht. Die Seitentürmchen am Kirchturm und Fialen am Kirchenschiff wurden entfernt; alle Backsteinflächen wurden verputzt. Im Inneren wurden dekorative Wandbemalungen übertüncht. Das brüchig gewordene Chorfenster wurde durch das noch heute sichtbare Fenster ersetzt. Zwei Gemälde an der Chorwand und eine neue schlichte Kanzel, die bei 1931 in die Kirche kamen, gingen bei einer weiteren Renovierung 1958 wieder verloren.
Zuletzt wurde die Kirche im Jahr 1980 kurz vor ihrem 100. Geburtstag umfassend restauriert. Bänke und Beleuchtung stammen aus dieser Zeit. Kleinere Sanierungsmaßnahmen folgten 2014. Eine umfassende Außenrenovierung ist geplant.
Architektur und Ausstattung
Die Kirche ist wie viele Gotteshäuser ihrer Zeit im neugotischen Stil gehalten. Sie ist heute im Inneren weitgehend schmucklos. Den Raumeindruck bestimmen die dreischiffige Holzdecke und die schlanken hölzernen Säulen im Kirchenschiff.
Das farbenfrohe Chorfenster zeigt Christus als Auferstandenen, in der Hand die Fahne als Symbol des Sieges über den Tod. Das Fenster ist eine Stiftung der Familie Wachter und wurde 1931 von Glasmaler Gaiser nach einem Entwurf des Stuttgarter Malers Walter Kohler (1903–1945) angefertigt. Von dem bei einem Luftangriff früh verstorbenen Kohler stammen Fenster in vielen Kirchen Württembergs und in der Moritzkirche in Halle/Saale.
Orgel
An der Orgel von 1883 zeigten sich im 20. Jahrhundert starke technische, bauliche und klangliche Mängel. Nach einem Dispositionsentwurf von Paul Horn wurde 1981 eine neue Orgel von Orgelbau Friedrich Weigle in Echterdingen gebaut (op. 1353). Die zweimanualige Instrument mit Pedal hat 24 Register mit insgesamt 1.400 Pfeifen. Sie wurde nach barocken Werksprinzipien angelegt, aber so, dass auch Werke der Romantik und Moderne auf ihr gespielt werden können. Spiel- und Registertraktur sind mechanisch. Die Orgel kommt ohne Spielhilfen wie feste oder freie Kombinationen aus. Sie erklingt regelmäßig in Gottesdiensten, in Konzerten und bei der Orgelmusik am Markttag an jedem ersten Mittwoch im Monat.
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- Koppeln (Fußtritte): II/I, I/P, II/P
- Anmerkungen:
- zieht automatisch Nr. 6 mit.
- Ab g1.
Glocken
Das Geläut im Turm besteht aus drei Glocken:[1]
- Stahlglocke h°, hergestellt vom Bochumer Verein, 1921 installiert
- Bronzeglocke d', hergestellt von Kurtz in Stuttgart, 1958 installiert
- Stahlglocke f', hergestellt vom Bochumer Verein, 1921 installiert
Literatur
- Gisela Langeheinicke: Die evangelische Kirchengemeinde Weingarten und ihre Stadtkirche. In: Festschrift Evangelische Stadtkirche Weingarten 1883–1983, Evangelische Kirchengemeinde, Weingarten 1983
- Christoph Heinrich Klein: Die neue evangelische Kirche in Weingarten. In: Blätter des Gustav-Adolf-Vereins für das Evangelische Württemberg. 1883
- Paul Krauß: Hundertfünf Jahre Evangelische Gemeinde Weingarten. Evangelische Kirchengemeinde, Weingarten 1930 (Digitalisat)
Einzelnachweise
- Weingarten (D - BW) Die Glocken der evangelischen Stadtkirche, YouTube-Video von Glockenfampf, 10. Juni 2014
Weblinks
- Evangelische Kirchengemeinde Weingarten
- Videos der Evangelischen Kirchengemeinde Weingarten bei Youtube