Erwartung (Psychologie)
Eine Erwartung bezieht sich auf die Annahme oder Antizipation eines zukünftigen Ereignisses. Die damit verbundene subjektive Wahrscheinlichkeit kann dabei graduell verschieden sein. Der Begriff Überzeugung impliziert hingegen eine subjektive Gewissheit. Die Begriffe Erwartungen (englisch: expectancies) und Überzeugungen (englisch: beliefs) werden nicht streng unterschieden.[1] Das Lexikon der Psychologie[2] bezieht sich auf P. Lersch[3], wenn es schreibt: Erwartung sei die vorstellungsmäßige Vorwegnahme und Vergegenwärtigung kommender Ereignisse in ihrem Bezug auf die Thematik unserer Strebungen. Diese leitete sich aus vorausgehenden Erfahrungen ab. Dem Handeln gemäß der Erwartung gehe die Erwartungsspannung voraus.
In formaler Hinsicht kann sich eine Erwartung beziehen:
- auf das Verhältnis der eigenen Person zum Verhalten (Selbstwirksamkeitserwartung)
- auf das Verhältnis des eigenen Verhaltens auf unmittelbare Folgen (Ergebniserwartung) oder mittelbare Folgen (Instrumentalitätserwartung)
- auf die Frage, von wem oder was das Eintreten gewünschter Ereignisse oder Ergebnisse abhängt (Kontrollüberzeugung)
- auf die Frage, was die Ursachen für ein bestimmtes Ergebnis sind (Attribution)[4]
Zu den Erwartungen zählt man in der Persönlichkeitsforschung unter anderem
- Optimismus – Pessimismus (siehe auch: Defensiver Pessimismus) – Realismus
- die Selbstwirksamkeitserwartung
- Kontrollüberzeugungen
- Attributionsstile
In der Allgemeinen Psychologie wird Erwartungseffekt (auch: Einstellungseffekt) das Phänomen genannt, "dass wir das Gesehene oder Gelesene gemäß unserer Erwartung interpretieren."[5]. Bei Experimenten spricht man auch vom Experimentator-Erwartungs-Effekt.
Philosophie
Der Kirchenlehrer Augustinus von Hippo stellte in seiner Philosophie der Zeit (→ Abschnitt Geschichte) die Erwartung als psychologischen Aspekt der Zukunft deren physikalischem Aspekt (Zeitmessung) gegenüber. Über den Gegensatz Zukunft/Vergangenheit ergibt sich so ein Gegensatz zur Erinnerung (dem psychologischen Aspekt der Vergangenheit).
Literatur
- Hannelore Weber; Thomas Rammsayer: Differentielle Psychologie – Persönlichkeitsforschung. Hogrefe, Göttingen u. a. 2012, ISBN 978-3-8017-2172-5, S. 13 85–105.
Einzelnachweise
- So Hannelore Weber; Thomas Rammsayer: Differentielle Psychologie – Persönlichkeitsforschung. Hogrefe, Göttingen u. a. 2012, S. 86.
- Herder Verlag Freiburg, Basel, Wien, Bd. 1, S. 526
- Aufbau der Person, München 1962, S. 268
- Nach Hannelore Weber; Thomas Rammsayer: Differentielle Psychologie – Persönlichkeitsforschung. Hogrefe, Göttingen u. a. 2012, S. 86 f.
- Christian Becker-Carus; Mike Wendt: Allgemeine Psychologie. Eine Einführung. 2. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2017, ISBN 978-3-662-53006-1, S. 10