Erotianos (Grammatiker)

Erotianos, altgriechisch Ἐρωτιανός, lateinisch Erotianus, deutsch a​uch Erotian,[1] l​ebte vermutlich i​m 1. Jh. n. Chr. i​n Rom u​nd war e​in griechischer Grammatiker u​nd Kommentator d​es Hippokrates. Es i​st ungewiss, o​b er selbst Arzt war.

Das Glossar des Erotianos, Edition Franz, Leipzig 1780

Zeitliche Einordnung

Seine Vita i​st unbekannt. Er l​ebte vermutlich i​n Rom z​ur Zeit d​es Kaisers Nero, 54–68 n. Chr. Denn e​r ruft dessen Archiater Andromachus i​m ersten Satz d​es Proömiums seines Werks (siehe unten) an: «Τὴν Ἱπποκράτους πραγματείαν, αρχίατρε Ἀνδρόμαχε, οὐκ ὀλίγα σμβαλλομένην πᾶσιν ἀνθρώποις ὁρῶν […]» (deutsch: „Ich sehe, d​ass die Beschäftigung m​it Hippokrates, o d​u Archiater Andromachus, n​icht wenig a​llen Menschen nützt […]“) Der Vokativ Ἀνδρόμαχε k​ann als symbolischer Anruf u​m Beistand für s​eine Autorentätigkeit, a​ber auch – s​o seine Herausgeber – a​ls Widmung verstanden werden.

Werk

Er ist der Autor eines erhaltenen Glossars mit dem Titel Τῶν παρ' Ἱπποκράτει Λέξεων Συναγωγή Sammlung der Wörter (Ausdrücke, Begriffe) bei Hippokrates. Es enthält die früheste Liste der Schriften des Hippokrates und die Titel mehrerer Abhandlungen früherer Kommentatoren, die verlorengegangen sind, wie zum Beispiel die des griechischen Arztes Bakcheios aus Tanagra. Durch die Zitate aus den Schriften der wichtigsten Ärzte und Grammatiker der Antike ist er eine bedeutende Quelle für die Geschichte der Medizin, insbesondere für die wissenschaftliche Rezeption des Hippokrates. Von Galen wird er ausführlich benutzt. Im Proömium nennt er den Zweck seiner Arbeit. Er wolle in seinem Glossar, dessen alphabetische Anordnung wohl nicht von ihm stammt,[2] die Ausdrücke, die in jenen Schriften unklar seien und der allgemeinen Gewohnheit des Sprechens fernstünden, erklären.[3]

Literatur

Textausgaben

  • Henricus Stephanus, Ed.: Erotiani lexicon in Hippocratem, in: Dictionarium medicum vel expositiones vocum medicinalium ad verbum excerptae ex Hippocrate, Paris 1563; älteste Druckversion nach mehreren Kodizes, mit lateinischen Erläuterungen.
  • Bartolomeo Eustachi, Ed.: Erotiani Graeci scriptoris vetustissimi vocum, quae apud Hippocratem sunt, collectio. Venedig 1566; mit Einleitung, Übersetzung, Anmerkungen auf Latein (Digitalisat).
  • Johann Georg Friedrich Franz, Ed.: Erotiani, Galeni et Herodoti Glossaria in Hippocratem. Leipzig 1780; verbesserte Ausgabe unter Einbeziehung weiterer Kodizes, mit Übersetzung und Anmerkungen auf Latein (Digitalisat).
  • Joseph Klein, Ed.: Erotiani vocum Hippocraticarum conlectio. Dykiana, Leipzig 1865; verbesserte textkritische Ausgabe mit ausführlicher Einleitung und den Fragmenten (Digitalisat).
  • Ernst Nachmanson, Ed.: Erotianus vocum Hippocraticarum collectio, cum fragmentis. Appelbergs Boktryckeri, Uppsala 1918, textkritische Ausgabe (Digitalisat).

Sekundärliteratur

  • Maximilian Samson Friedrich Schoell: Geschichte der Griechischen Litteratur. Band 1, Duncker und Humblot, Berlin 1828, S. 544–545 (mit Überblick über seine Einteilung des hippokratischen Textkorpus).
  • Ernst Nachmanson: Erotianstudien. Akad. Bokhandel, Uppsala 1917 (Digitalisat).
  • Vivian Nutton: Erotianus. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 4, Metzler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01474-6, Sp. 91–92 (mit Quellenbelegen).

Anmerkungen

  1. Aussprache und Betonung: Ἐρωτιᾱνός; da langes α: Eroti'anos, Eroti'anus, Eroti'an.
  2. Nutton: „Der überlieferte alphabetische Aufbau des Glossars stammt nicht von E., da er in seinem Vorwort ausdrücklich betont, er habe die Wörter in der Folge ihres Vorkommens in ca. 37 hippokratischen Schriften erklärt […]“, siehe Literatur.
  3. Lateinische Version von Franz: […] iure volui voces, quae in ilis commentariis essent obscurae, et multum a communi consuetudine loquendi alienae, interpretari, siehe Literatur.
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