Einseiltechnik
Die Einseiltechnik, auch SRT genannt (von engl. „single rope technique“) dient in der Höhlenforschung zum Befahren von überwiegend vertikalen Strecken wie zum Beispiel Schächten. Da in Höhlen viele Stellen auch aufgrund von Nässe und Lehm nur schwierig im klassischen Stil erklettert werden können – und vor allem in der Höhle die Sicherheit oberste Priorität genießt – werden diese mit den bestmöglichen technischen Hilfsmitteln überwunden. Zudem geht es in der Höhlenforschung nicht darum, irgendein Ziel auf einem möglichst schwierigen Weg zu erreichen wie beim Sportklettern, sondern um das Erreichen eines Zieles möglichst zeitsparend und eben vor allem so sicher wie möglich.
Entwicklung
Bis in die 1970er-Jahre war es üblich, Schächte mittels Drahtseilleitern zu überwinden. Diese haben trotz möglichster Leichtbauweise – nur so schmal wie ein Bergschuh, Alusprossen – den Nachteil, schwer und voluminös zu sein und stellen somit, vor allem in kilometerlangen Höhlen, ein erhebliches Transportproblem dar. Abgesehen davon erfordert das Steigen auf einer solchen Drahtseilleiter einige Übung und ist sehr anstrengend. Vor allem das Absteigen ist mühsam: Beim Steigen auf die jeweils untere Sprosse der Drahtseilleiter hat diese, ist sie freihängend, die Tendenz auszuweichen. Ist sie am Felsen anliegend, muss sie erst irgendwie vom Felsen weggedrückt werden. Das kostet nicht nur Kraft, sondern stellt auch ein Sicherheitsrisiko dar. Außerdem ist es üblich, den Auf- oder Absteigenden zusätzlich mit einem Seil zu sichern. Das macht sogenannte Schachtposten nötig, die den letzten Mann beim Absteigen sichern und dann – womöglich tagelang – warten müssen, bis der erste wieder aufsteigt.
Somit war die ursprünglich in Frankreich entwickelte Einseiltechnik eine Revolution in der Höhlenforschung, die es nunmehr ermöglichte, auch schwierigste Schachthöhlen und extrem tiefe Abstiege mit wesentlich verringertem Materialaufwand und vor allem stark reduziertem Risiko zu meistern.
Ausrüstung
Die grundlegende Einseiltechnik-Ausrüstung besteht aus einem Sitz- und Brustgurt, einem Abseilgerät, mehreren Steigklemmen mit Fußschlinge und einem Sicherungset, dem sogenannten Cowtail. Die Ausrüstung für die Froschtechnik besteht aus: [1]
- Der Speleo-Sitzgurt ist einem Klettergurt recht ähnlich. Allerdings ist das Bandmaterial oft breiter, damit man längere Zeit im Gurt sitzen kann, zudem sind stark beanspruchte Stellen mit PVC verstärkt. Der Anseilpunkt ist unbeweglicher als beim Klettergurt und nah am Körper, um das Aufsteigen am Seil zu vereinfachen. Als zentraler Anseilpunkt dient ein Halbrund-Schraubglied.
- Der Speleo-Brustgurt dient zum Fixieren der Bruststeigklemme am Körper und hat meistens keine Sicherheitsfunktion.
- Die (Brust-)Steigklemme wird direkt am Halbrund-Schraubglied befestigt.
- Bei der Handsteigklemme handelt es sich um eine Steigklemme mit Griff, an der eine Fußschlinge befestigt ist.
- Das Cowtail besteht aus einer kurzen und einer langen Sicherungsschlinge, an deren Ende ein Schraubkarabiner sitzt.
- Das Abseilgerät hat zwei oder mehrere festsitzende Rollen, um die das Seil gelegt wird. Die Reibung zwischen Seil und Rollen ist groß genug, um die Abfahrtsgeschwindigkeit mit den Händen, die das Seil unterhalb des Abseilgerätes halten, entsprechend zu kontrollieren. Zusätzlich kann noch eine Sicherungsklemme verwendet werden, die, sollte die abfahrende Person ohnmächtig werden und das Seil nicht mehr halten können, die Abfahrt stoppt.
Für andere Techniken werden noch weitere Ausrüstungsteile benötigt. So wird zum Beispiel für die Raupentechnik noch eine weitere Handsteigklemme mit Fußschlinge verwendet. Zusätzlich bzw. optional werden Fußsteigklemmen oder Handsteigklemmen mit Flaschenzugsystem verwendet.
Technik
Es existieren verschiedene Aufstiegsmethoden, darunter die Frosch- und die Raupentechnik, welche sich auch in der Ausrüstung unterscheiden. Die Froschtechnik ist die in Europa am weitesten verbreitete Technik.
Das Aufsteigen geschieht mit den Steigklemmen. Diese lassen sich, wenn sie nicht belastet werden, nach oben schieben; bei Belastung klemmen sie sich am Seil sicher fest. Eine Methode ist nun, an beide Steigklemmen Fußschlingen zu befestigen, eine davon wird zusätzlich auch in den Brustgurt gehängt. Abwechselnd schiebt man nun die eine und die andere Klemme hoch und steigt so Schritt für Schritt höher.
Eine andere Möglichkeit ist, die eine Klemme am Brustgurt zu befestigen und die andere an beiden Füßen, um sich so mit raupenartigen Bewegungen hochzuarbeiten. So steht für den eigentlichen Steigvorgang die Kraft beider Beine gleichzeitig zur Verfügung.
In den Anfängen der Einseiltechnik wurden die vom Sportklettern her bekannten dynamischen Seile (nach DIN EN 892) verwendet, die eine Dehnung von bis zu 10 % haben, um einen Sturz ins Seil möglichst sanft zu bremsen. Das hatte den Nachteil, dass man vom Schachtboden aus erst einige Meter "hochsteigen" musste ohne den Boden zu verlassen. Erst nachdem die Seildehnung überwunden war, begann der Aufstieg. Die Seilindustrie hat darauf reagiert und semi-statische Seile (sogenannte Speleo-Seile nach DIN EN 1891) entwickelt, die eine reduzierte Dehnung von 4 % aufweisen. Diese werden heute auch in der Seilzugangstechnik eingesetzt. Seile sind heutzutage als Meterware erhältlich, so dass größere Schachttiefen mit einem einzigen Seil überwunden werden können.
Literatur
- Georges Marbach, Bernard Tourte: Alpine Caving Techniques. A Guide to Safe and Efficient Caving. Speleo Projects, Allschwil 2002, ISBN 3908495105 (übersetzt aus dem Französischen)