Ehemaliges HEAG-Umspannwerk
Das ehemalige HEAG-Umspannwerk ist ein früher als Schalt- und Umspannwerk genutztes Bauwerk in Darmstadt. Heute beherbergt es einen Gemeindesaal und ein Restaurant (Altes Schalthaus).
Ehemaliges HEAG-Umspannwerk | |
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Ansicht des alten Schalthauses | |
Daten | |
Ort | Darmstadt |
Architekt | Georg Markwort und Eugen Seibert |
Bauherr | HEAG |
Baujahr | 1926 |
Koordinaten | 49° 52′ 31,1″ N, 8° 37′ 24″ O |
Architektur
Beschreibung
Die Anlage nach Plänen der Architekten Georg Markwort und Eugen Seibert besteht aus zwei Gebäuden, dem großen, zweigeschossigen Umspannwerk und der kleinen, einstöckigen Halle unmittelbar östlich davon. Markwort und Seibert orientierten sich bei der Planung des Umspannwerkes an Beispielen expressionistischer Architektur. Typische Details dieser Stilrichtung sind die horizontale Betonung des Bauwerkes durch Gesimse und die schmalen, hohen Stahlfenster. Die Fenster sind diagonal versprosst und schließen oben dreieckig ab. Die Treppengiebel sind durch diagonale Putzstreifen geschmückt. Das markante Bauwerk besteht aus Mauerwerk. Farbliche Akzente setzen die dunklen Stahlfenster und der rote Sandstein auf der hellen Putzfassade. Auf der Westseite des Umspannwerkes befindet sich eine geschosshohe Loggia. Die Loggia wird von sich nach oben verdickenden vierkantigen Säulen aus rotem Sandstein getragen.
- Rückansicht
- Seitenansicht
Denkmalschutz
Aufgrund der expressionistisch beeinflussten Architektur wurde das alte Gebäude erhalten und 1988 unter Denkmalschutz gestellt. Ursprünglich war geplant, dieses als Bürgerhaus weiter zu nutzen. Mit der Sanierung und dem Innenausbau wurde 1998 durch den Trägerverein begonnen. Fertiggestellt wurde das Projekt im Dezember 1999, seitdem wird es als Restaurant (Altes Schalthaus) und Veranstaltungssaal genutzt. Gleichzeitig mit der Sanierung wurde auch die Hauptschaltwarte erneuert.[1][2]
Geschichte
Anfänge der Elektrizitätsversorgung in Darmstadt
Die Elektrifizierung Darmstadts begann bereits Ende des 19. Jahrhunderts – das erste Elektrizitätswerk, die Centralstation, wurde 1888 in der Darmstädter Innenstadt in Betrieb genommen, um die Straßenbeleuchtung und insbesondere die 1897 neu eingeführte elektrische Straßenbahn mit elektrischen Strom zu versorgen. Nach New York und Berlin war Darmstadt unter Federführung des Elektrotechnik-Pioniers Erasmus Kittler somit die dritte Stadt weltweit mit flächendeckender Stromversorgung. Aufgrund des immer weiter steigenden Stromverbrauches in der expandierenden Stadt wurde die Anlage von 1903 bis 1906 erweitert. Bei einer Leistung von rund 2000 kW versorgte sie zahlreiche Unternehmen der Stadt mit Gleichstrom.
Schnell stellten sich jedoch die Nachteile eines städtischen Gleichstromnetzes heraus, da sich neue Unternehmen vorwiegend am Stadtrand ansiedelten und damit häufig nicht mehr in Reichweite des Netzes lagen. Aufgrund der sehr hohen Übertragungsverluste des Gleichstromes konnte schon bei einer Strecke von nur wenigen Kilometern keine zuverlässige Stromversorgung mehr sichergestellt werden. Schon 1907 bewilligte die Stadtverordnetenversammlung deshalb einen Kredit über 1,8 Millionen Mark zum Bau eines weiteren Elektrizitätswerkes. Das 1909 fertiggestellte Werk am Dornheimer Weg (Elektrizitätswerk II) mit einer Leistung von 4000 kW verfügte über zwei Dampfturbinen mit je einem Gleichstrom- und einem Drehstromgenerator. Hauptabnehmer des Werkes waren die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Betriebsanlagen der Eisenbahn. Auch das städtische Niederspannungsnetz wurde über das zweite Elektrizitätswerk gespeist, was zur Folge hatte, dass die alte Centralstation nach und nach zurückgefahren wurde.[1] Noch bis 1976 diente sie als Lastverteiler, ehe 1999 nach langem Leerstand ein Kulturzentrum in die ehemalige Maschinenhalle einzog.
Gründung und Expansion der HEAG
Am 15. April 1912 gründeten die Stadt Darmstadt, die Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft, die Provinz Starkenburg, der Großindustrielle Hugo Stinnes und der spätere Direktor des Stinnes AG, Walter Bucerius, als Aktionäre die HEAG (Hessische Eisenbahn-Aktiengesellschaft). Neben dem Betrieb der beiden Straßenbahnnetze in Darmstadt – der elektrischen sowie der Dampfstraßenbahn – als Hauptaufgabe wurde durch die Gesellschaft auch der Ausbau des städtischen Stromnetzes vorangetrieben. Sie übernahm die beiden Elektrizitätswerke der Stadt und der näheren Umgebung (Region Starkenburg), indem immer mehr Gemeinden ihre örtliche Gleichstromerzeugung an das HEAG-Netz abtraten.
Neben einem immer weiter expandierenden Mittel- und Niederspannungsnetz (750 km im Jahr 1919) entstanden auch einige Verbindungen mit benachbarten Versorgungsunternehmen. Ab 1915 war das HEAG-Netz über eine 20-kV-Leitung nach Heppenheim mit dem Elektrizitätswerk Rheinau in Mannheim verbunden.
Zwei Jahre später, 1917, musste die HEAG auf Betreiben der Elektrizitätswirtschaftsstelle Berlin einen Stromlieferungsvertrag mit dem Braunkohlekraftwerk der Gewerkschaft Gustav in Dettingen am Main abschließen. Durch die Abnahme der im Kraftwerk Dettingen erzeugten Energie sollte der Braunkohleabbau in der Untermainregion wirtschaftlich gehalten werden. Um den Strom aus dem Kraftwerk nach Darmstadt zu übertragen, wurde eine einkreisige 20-kV-Freileitung gebaut, die das Kraftwerk mit dem Elektrizitätswerk II am Dornheimer Weg verband. Diese Leitung wurde im Juni 1918 in Betrieb genommen.[1]
Eine weitere 20-kV-Leitung baute die HEAG im Jahr 1923, um ihr Stromnetz mit dem des Überlandwerks Groß-Gerau zu verbinden. Diese Leitung führte vom Darmstädter Umspannwerk aus nach Nordwesten und endete im Umspannwerk Hof Schönau in Bauschheim. Über sie konnte das Überlandwerk Groß-Gerau bei einem eventuellen Ausfall des Mainzer Kraftwerks, von dem es damals hauptsächlich seinen Strom bezog, stattdessen elektrische Energie aus dem HEAG-Netz beziehen.[3]
Bau des Schalthauses
Ab 1924 wurde das Gleichstromnetz in Darmstadt schrittweise auf Wechselstrom umgestellt, weshalb die Gleichstromerzeugung im Elektrizitätswerk II eingestellt wurde. An der Stelle des alten Werks baute die HEAG eine 50/20-kV-Umspannstation für die Einspeisung der Leitung aus Dettingen. Das von den Architekten Georg Markwort und Eugen Seibert geplante Gebäude wurde im Oktober 1926 fertiggestellt. Mit Inbetriebnahme der beiden Umformer, die eine Leistung 10.000 kVA hatten, stellte man die Freileitung schließlich von 20 auf 50 kV um.
Bau der Freileitung
Für die Anbindung des Umspannwerks wurde, zusätzlich zur bestehenden Leitung nach Dettingen, eine neue Leitungsverbindung gebaut, um das Darmstädter Ortsnetz der HEAG mit dem zur selben Zeit neu entstehenden Übertragungsnetz des RWE zu koppeln. Über diese konnte zusätzlich zur Eigenerzeugung im Kraftwerk Dettingen zusätzliche elektrische Energie bezogen, im Bedarfsfall aber auch eingespeist werden.
Die neue Freileitung führte von der Schaltanlage des Dettinger Kraftwerks mit einem Stromkreis zum Umspannwerk am Dornheimer Weg, der zweite Stromkreis führte von Dettingen zum Umspannwerk Kelsterbach des RWE südwestlich von Frankfurt am Main. Zusätzlich führte ein Stromkreis vom Umspannwerk Kelsterbach zum Umspannwerk am Dornheimer Weg. Bei Inbetriebnahme im Jahr 1927 wurden die Stromkreise noch mit 50 kV betrieben, sowohl Masten als auch Isolatoren entlang der Strecke waren aber bereits für die höhere Spannungsebene von 100 kV ausgelegt.
Primär erfolgte die Versorgung des Werks über die direkte Leitung nach Dettingen. Die neue Leitung über Kelsterbach diente hauptsächlich als Reserve, stellte neben der nun möglichen Übertragung größerer Strommengen aber auch einen Verbundbetrieb der HEAG mit benachbarten Energieversorgungsunternehmen her: Über das Umspannwerk Kelsterbach mit dem RWE und den Mainkraftwerken, über das Umspannwerk am Kraftwerk Dettingen mit der PreußenElektra und dem Bayernwerk, dass bereits seit 1924 ein 100-kV-Leitungsnetz betrieb.
Eine weitere Verbindung auf der 100-kV-Ebene sollte vom Dornheimer Weg ausgehend zum Umspannwerk Mannheim-Rheinau führen, um dort mit dem Badenwerk einen Verbundbetrieb auf der Hochspannungsebene herzustellen. Diese Leitung wurde 1926 bis Heppenheim fertiggestellt, die Fortsetzung nach Mannheim wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet.
Aufgrund der nun vorhandenen Verbindungen zu den wesentlich effektiver arbeitenden Großkraftwerken und Netzen der umliegenden Energieversorgungsunternehmen legte die HEAG das Elektrizitätswerk II 1931 endgültig still. Ein Jahr später war die Umstellung von Gleich- auf Wechselstrom im Versorgungsgebiet abgeschlossen.
- Kraftwerk Dettingen
- 110-kV-Leitungsmast
- Ehemaliger Abzweigmast zum Umspannwerk am Dornheimer Weg
Zeit des Nationalsozialismus
Als Maßnahme der Nationalsozialisten wurde im Jahr 1935 beschlossen, eine einheitliche Spannung von 110 kV flächendeckend im deutschen Verbundnetz einzuführen. Im November 1935 wurde daher im südlichen Teil des HEAG-Geländes am Dornheimer Weg eine neue Freiluft-Schaltanlage fertiggestellt, die zwischen der 110- und der 20-kV-Ebene transformierte. Nach nur etwa 10 Jahren Betriebszeit wurde die Anlage im Schalthaus daher schon wieder stillgelegt.
Bis 1940 wurden zwei weitere 110-kV-Umspannwerke im Versorgungsgebiet in Betrieb genommen, diese befanden sich am 1933 errichteten Neckarkraftwerk Hirschhorn und in Erbach. Über das Mittelspannungsnetz bestanden Verbindungen in andere Bereiche des HEAG-Netzgebietes, auch nach Darmstadt. Im Zweiten Weltkrieg kamen diesen Verbindungen eine erhebliche Bedeutung zu, da das stillgelegte Elektrizitätswerk II im Zuge der Bombardierung der Bahnanlagen am 13. September 1944 beschädigt wurde. Da das Umspannwerk am Dornheimer Weg noch funktionierte, bezog man den Strom nun vom Kraftwerk Hirschhorn, wodurch über das Umspannwerk Erbach die Elektrizitätsversorgung in Darmstadt aufrechterhalten konnte.[1]
Neubau
Das alte Gebäude wurde bis ins Jahr 1965 zusätzlich zur Freiluftanlage im südlichen Werksteil als Umspannwerk betrieben, ehe eine neue 110-kV-Freiluftschaltanlage gebaut wurde. 1972 ging auf dem Gelände die Hauptschaltwarte des HEAG-Netzes in Betrieb, die die vier bisherigen regionalen Netzleitstellen ersetzte. Sie galt bei Inbetriebnahme als eine der modernsten Anlagen in Deutschland.[1] Zusätzlich gingen im Darmstädter Stadtgebiet in den Jahren 1964 und 1971 zwei weitere Umspannwerke der 110-kV-Ebene in Betrieb.
Zusätzlich zum Bau neuer Umspannwerke entstanden auch neue Leitungsverbindungen, etwa vom Dornheimer Weg zum Umspannwerk Urberach, das in den 1950er Jahren in einer ersten Ausbaustufe auf der 110-kV-Ebene eingerichtet und in den 1970er Jahren um eine 220- und 380-kV-Anlage erweitert wurde. Die alte 50-kV-Leitung nach Dettingen wurde somit nicht mehr benötigt und daher abgebaut. Südwestlich von Urberach an der L 3097 wurde ein letzter Leitungsmast erhalten.
Die 1926 gebaute Leitung mit Verbindung sowohl zum Kraftwerk Dettingen als auch zum Umspannwerk Kelsterbach wurde im Zuge von Umstrukturierungen am Umspannwerk Kelsterbach in Verbindung mit dem Ausbau des Gewerbegebiets Weiterstadt Anfang 2010 abgebaut. Das an der Strecke liegende Umspannwerk Weiterstadt wird seitdem über einen Erdkabelabzweig der Leitung nach Urberach versorgt.
Zur heutigen Freiluftschaltanlage führt eine vierkreisige 110-kV-Leitung, die sich unmittelbar westlich auf die Trassen Richtung Pfungstadt/Heppenheim sowie Urberach/Darmstadt-Nord verzweigt.
Literatur
- Günter Fries et al.: Stadt Darmstadt. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen.) Vieweg, Braunschweig 1994, ISBN 3-528-06249-5, S. 569.
Einzelnachweise
- HEAG: Chronik 1912–2012. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 18. März 2017.
- Altes Schalthaus Darmstadt: Geschichte. Abgerufen am 25. Februar 2018.
- 100 Jahre Energie für eine starke Region, Festschrift 100 Jahre ÜWG