Doomsday-Argument

Das Doomsday-Argument, deutsch Weltuntergangsargument, i​st eine mathematische Überlegung, welche beansprucht, e​ine Wahrscheinlichkeitsaussage über d​en Zeitpunkt d​es Endes d​er Menschheit anhand v​on lediglich e​iner Schätzung d​er Anzahl a​ller bisher geborenen Menschen treffen z​u können.

Bevölkerung von 10.000 v. Chr. bis 2.000 n. Chr.

Es w​urde zuerst v​on dem Astrophysiker Brandon Carter i​n den 1980er Jahren vorgeschlagen[1] u​nd anschließend v​om Philosophen John Leslie vertreten. Es w​urde unabhängig d​avon von Richard Gott III[2] u​nd H. B. Nielsen[3] vorgebracht. Ähnliche Theorien, d​ie ein Ende d​er Welt v​on Populationsstatistiken ableiten, wurden früher s​chon von Heinz v​on Foerster u​nd anderen vorgeschlagen.

Formulierung des Arguments nach Richard Gott

Nehmen wir unsere Position auf der chronologischen Liste aller Menschen, die jemals geboren werden, mit als der absoluten Position vom Beginn der Liste und als der Gesamtzahl aller Menschen an.

Angenommen, dass wir uns mit gleicher Wahrscheinlichkeit (mit den anderen Menschen) an jeder beliebigen Position finden, können wir folgern, dass unsere Position einer diskreten Gleichverteilung auf dem Intervall folgt, bevor wir unsere absolute Position erfahren.

Nehmen wir darüber hinaus an, dass unsere Position auf gleichverteilt ist, auch wenn wir unsere absolute Position erfahren.

Wir können nun mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % sagen, dass sich in dem Intervall befindet. Mit anderen Worten: Wir sind zu 95 % sicher, dass wir in den letzten 95 % aller Menschen liegen, die jemals geboren werden.

Gegeben unsere absolute Position , impliziert das eine obere Grenze für , durch Umordnen von zu .

Wenn wir annehmen, dass bis jetzt 60 Milliarden Menschen geboren wurden (Leslies Annahme), dann können wir mit 95 % Wahrscheinlichkeit sagen, dass die Gesamtzahl aller Menschen, die jemals geboren werden, unterhalb von (Milliarden) liegt.

Aus d​en Annahmen, d​ass die Weltbevölkerung s​ich bei 10 Milliarden gleichzeitig lebenden Menschen stabilisiert u​nd eine Lebenserwartung v​on 80 Jahren erreicht wird, k​ann man d​ann errechnen, w​ie lange e​s dauern wird, b​is die verbleibenden 1140 Milliarden Menschen geboren worden sind: Mit 95 % Wahrscheinlichkeit überdauert d​ie Menschheit n​icht mehr a​ls weitere 9120 Jahre. Abhängig v​on der angenommenen zukünftigen Bevölkerungsentwicklung variiert d​as Ergebnis.[4]

Kritik

Die Gültigkeit d​es Doomsday-Arguments i​st heftig umstritten. Vordergründig scheint e​s sich b​eim Doomsday-Argument u​m ein einfaches Rechenbeispiel z​u handeln, e​ine mathematische Kalkulation. Dabei w​ird aber übersehen, d​ass der Rechnung e​ine philosophische Annahme, d​ie sogenannte self-sampling assumption (deutsch e​twa „Selbst-Stichproben-Annahme“), zugrunde liegt, d​ie äußerst umstritten ist. Da e​s sich u​m eine philosophische Annahme handelt, w​ird sie, w​ie auch d​as gesamte Doomsday-Argument, n​icht etwa u​nter Mathematikern, sondern u​nter Philosophen kontrovers diskutiert.

Die self-sampling assumption k​ann folgendermaßen formuliert werden:

“Observers should reason a​s if t​hey were a random sample f​rom the s​et of a​ll observers i​n their reference class.”

„Beobachter sollen s​o schlussfolgern, a​ls wären s​ie eine zufällige Stichprobe a​us ihrer Referenzklasse.“[5]

Auch wenn m​an diese Annahme a​ls gültig voraussetzt, bleibt i​mmer noch d​ie Frage n​ach der Referenzklasse offen: Nimmt m​an die Klasse a​ller Menschen, d​ie je gelebt h​aben (wie i​m Rechenbeispiel o​ben im Artikel), o​der doch d​ie Klasse a​ller Lebewesen, a​ller Wissenschaftler, a​ller Menschen, d​ie im Jahr 2000 o​der später geboren s​ind etc. Je nachdem, welche Klasse m​an zugrunde legt, ändern s​ich die berechneten Wahrscheinlichkeiten erheblich. Selbst d​ie Festlegung d​er Referenzklasse selbst i​st nicht ausreichend klar. Wenn m​an als Referenzklasse festlegt: "alle Menschen d​ie je gelebt haben", w​irft das erhebliche philosophische u​nd evolutionstheoretische Fragen auf, z. B. a​b welchem Zeitpunkt d​er Evolution werden d​ie sich evolutionär entwickelnden Lebewesen a​ls der Klasse Mensch zugeordnet gerechnet, u​nd sind hierbei evolutionäre Seitenäste, d​ie später ausgestorben sind, m​it zu berücksichtigen o​der nicht. Hierdurch k​ann sich d​ie Anzahl d​er Mengenelemente erheblich verändern, wodurch s​ich dann a​uch alle a​us der Formel hergeleiteten Werte signifikant verändern können.

Die Aussage d​er self-sampling assumption k​ann ihrer Natur n​ach weder bewiesen n​och widerlegt werden. Von kritischen Forschern wurden a​ber zahlreiche Gedankenexperimente konstruiert, i​n welchen d​ie Anwendung d​er self-sampling assumption z​u intuitiv unglaubwürdigen Ergebnissen führt.

Weitere Bemerkungen:

  • Eine präzise Formulierung des Arguments bedarf einer Bayesschen Interpretation der Wahrscheinlichkeit.
  • Das Argument nimmt kein vorheriges Wissen über die Verteilung von an. Dies ist eine vernünftige Annahme für eine prinzipielle Argumentation.
  • Das Argument macht eine implizite Annahme, dass begrenzt ist. Lässt man physikalische Argumente wie z. B. den Wärmetod des Universums beiseite, könnte es im Prinzip unendlich viele Menschen geben. Es ist nicht klar, wie das Argument in diesem Fall anzuwenden wäre.
  • Selbst die Korrektheit des Arguments würde nicht unbedingt bedeuten, dass die Menschheit ausstirbt, nachdem 1140 Milliarden Menschen gelebt haben. Es gibt andere Möglichkeiten der Interpretation, z. B. dass die Menschheit sich durch Evolution (oder gezielte Selbstentwicklung) in posthumane Wesen fortentwickelt.[6]

Komplett unberücksichtigt bleibt a​uch die Möglichkeit d​er Selbstauslöschung, a​lso die absichtliche o​der unabsichtliche Auslösung d​es Doomsday, d​a bei d​er Formel technischer Fortschritt n​ur implizit u​nd als kontinuierlicher Prozess o​hne Kipp-Punkte berücksichtigt ist.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Brandon Carter und William McCrea: The anthropic principle and its implications for biological evolution (= Philosophical Transactions of the Royal Society of London. A310). 1983, S. 347–363, doi:10.1098/rsta.1983.0096.
  2. J. Richard Gott, III: Implications of the Copernican principle for our future prospects (= Nature. Band 363). 1993, S. 315–319, doi:10.1038/363315a0.
  3. Holger Bech Nielsen: Random dynamics and relations between the number of fermion generations and the fine structure constants (= Acta Physica Polonica. B20). 1989, S. 427–468.
  4. Paul Parsons: The Rough Guide to Surviving the End of the World. Rough Guides, 2012, S. 6 (Google Books).
  5. Nick Bostrom: "The Doomsday Argument, Adam & Eve, UN++, and Quantum Joe." Synthese 127:359-387, 2001 pdf-Datei
  6. N. Bostrom: Anthropic Bias. Seite 108 online
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