Dipole Repeller
Der Dipole Repeller (engl., 'Dipol-Abstoßer') ist ein sehr dünn besiedeltes Gebiet des Kosmos, aus dem sich benachbarte Galaxien entfernen. Er spielt – anders als der Shapley-Attraktor – eine abstoßende Rolle bei Geschwindigkeitsströmen.[1][2][3][4][5][6][7]
Entdeckung
Die Entdeckung wurde am 30. Januar 2017 von einem Team von Wissenschaftlern bekannt gegeben:
- Daniel Pomarède (französisches CEA und Universität Paris-Saclay)
- Hélène M. Courtois (Universität Lyon I)
- R. Brent Tully (Universität von Hawaii)
- Yehuda Hoffman (Hebräische Universität Jerusalem).
Die Daten stammen aus dem Cosmicflows-2 Projekt.
Sie identifizieren die Struktur als den dominanten Einfluss, der die Richtung und Geschwindigkeit von 631 km/s der Lokalen Gruppe gegenüber dem Hintergrundstrahlung erklärt. Zum Vergleich: Die Bahngeschwindigkeit der Erde um die Sonne beträgt 30 km/s; das Sonnensystem bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 230 km/s um das Zentrum der Milchstraße.[8]
Der Dipole Repeller ist in einem Abstand von 220 Megaparsec (220 Mpc) von der Milchstraße positioniert und fällt mit einem Bereich geringerer Galaxiendichte zusammen.
Der Shapley-Superhaufen, ein weiterer Bereich in der Umgebung der Milchstraße, erzeugt eine attraktive Kraft auf die Bewegung von Galaxien. Diese lokalisierte Anziehungskraft, ergänzt durch die Position des Dipole Repellers, ist der Hauptfaktor für die Dipolanisotropie der Hintergrundstrahlung.
Der Komplex vom Shapley-Superhaufen bis zum Dipole Repeller umfasst beinahe 1,7 Milliarden Lichtjahre und stellt 2017 das größte kartierte Gebiet im beobachtbaren Universum dar.
Das gleiche Forschungsteam identifizierte im September 2017 eine zweite Lücke mit abstoßender Wirkung: den Cold Spot Repeller.[9] Diese vielen und immensen Hohlräume, die die Materie ähnlich einer umgekehrten Gravitationskraft abstoßen, gehören zu den Hauptkomponenten des kosmischen Netzes der Geschwindigkeiten („kosmisches V-Netz“).[10] Siehe auch CMB Cold Spot.
Interpretationen und Zitate
Die Autoren des in der Zeitschrift Nature Astronomy veröffentlichten Artikels argumentieren, dass die Messungen der Abstandsgeschwindigkeit vom Dipole Repeller mit einer Erklärung unvereinbar sind, die ausschließlich auf einer attraktiven Gravitationskraft basiert. Keine einzige beobachtete Konzentration der Materie (gravitativ attraktiv) könne nach den Autoren die beobachteten Geschwindigkeiten und Entfernungsrichtungen von Sternen und Galaxien erklären:
- „Wir zeigen hier, dass die Abstoßung aus einem Subdichtebereich wichtig ist und dass die dominanten Einflüsse, die die beobachtete Strömung erzeugen, ein einzelner Attraktor - verbunden mit dem Shapley-Superhaufen - und ein einzelner zuvor nicht identifizierter abstoßender Bereich (Repeller) sind, die etwa gleich stark zum CMB-Dipol beitragen. […] Wir kommen zu dem Schluss, dass der Dipole Repeller keine fiktive Struktur ist, die durch einen Datenrandeffekt hervorgerufen wird, und dass Teilmengen von Daten, die nach Entfernung oder Galaxietyp ausgewählt wurden, ein Abstoßungsbecken offenbaren, das die Lokale Gruppe in die vom CMB-Dipol angegebene Richtung „drückt“.“[1][11]
Autor Hoffman sagte dem Guardian:
- „Wir zeigen, dass der Attraktor des Shapley-Superhaufens uns wirklich anzieht, aber fast 180 Grad in die andere Richtung gibt es eine Region ohne Galaxien, und diese Region schiebt uns zurück. Jetzt haben wir also eine Attraktion auf der einen Seite und einen Schubs auf der anderen. Es ist eine Geschichte von Liebe und Hass, Anziehung und Abstoßung.“[12]
Hoffman sagte auch zu Wired:
- „Neben der Anziehungskraft auf den bekannten Shapley-Superhaufen werden wir auch von dem neu entdeckten abstoßenden Dipol weggedrückt. Dadurch wurde deutlich, dass Schub und Zug von ähnlicher Bedeutung an der Position unserer Galaxie sind.“[13]
Hoffman sagte zu IFLScience:
- „Nach Abzug der durchschnittlichen Ausdehnung des Universums ist die Netto-Gravitationskraft überdurchschnittlich dichter Regionen die einer Anziehungskraft und die unterdurchschnittlich dichter Regionen die einer Abstoßung.“[14]
Diese Position steht im Einklang mit der des CNRS, wie es in einer Pressemitteilung heißt:
- „Im Laufe der Jahre hat sich die Debatte über die relative Bedeutung dieser beiden Attraktoren[15] verfahren, da sie nicht ausreichen, um unsere Bewegung zu erklären, zumal sie nicht genau in die Richtung von Shapley zeigt, wie sie es sollte. […] Das Team entdeckte so, dass am Standort unserer Galaxie die abstoßenden und anziehenden Kräfte von fernen Objekten von vergleichbarer Bedeutung sind und folgerte, dass die Haupteinflüsse auf die Bewegung unserer Galaxie der Shapley-Attraktor und eine riesige leere Region (d. h. ohne sichtbare und unsichtbare Materie) sind, die bis dahin nicht identifiziert worden war und die Dipole Repeller genannt wurde.“[2][16]
Während die überwiegende Zahl der Astronomen (darunter die Originalautoren) von einer quasi abstoßenden Wirkung aufgrund unterdurchschnittlicher Materiedichte in den leeren Regionen ausgehen, vertritt der Kosmologe Jean-Pierre Petit die Ansicht, dass zur Erklärung die Gravitationstheorie und Kosmologie um eine abstoßende Komponente gemäß seinem Janus-Modell erweitert werden müsse und dass die Beobachtung sein Modell unterstützen würde.[17][18]
Einzelnachweise
- Hélène M. Courtois, R. Brent Tully, Daniel Pomarède, Yehuda Hoffman: The dipole repeller. In: Nature Astronomy. Band 1, Nr. 2, Februar 2017, ISSN 2397-3366, S. 1–5, doi:10.1038/s41550-016-0036 (nature.com [abgerufen am 8. Februar 2019])., Arxiv (der Arxiv Preprint ist nicht völlig mit der endgültigen Publikation identisch).
- Poussée par un vide, notre galaxie surfe à plus de 2 millions de km/h, Pressemitteilung CEA, Univ. Lyon, CNRS, 30. Januar 2017
- CEA: Poussée par un vide, notre galaxie surfe à plus de 2 millions de km/h. 30. Januar 2017, abgerufen am 8. Februar 2019 (französisch).
- Cosmic Void “Pushes” Milky Way. In: Sky & Telescope. 30. Januar 2017, abgerufen am 8. Februar 2019 (amerikanisches Englisch).
- L'attraction et la répulsion à l'origine du déplacement de notre galaxie. 23. Februar 2017, abgerufen am 8. Februar 2019 (fr-FR).
- Mānoa: Newly discovered intergalactic void repels Milky Way | University of Hawaii News. Abgerufen am 8. Februar 2019.
- MVS Import: Kosmos: „Zentrum der Abstoßung“ entdeckt. In: scinexx | Das Wissensmagazin. 31. Januar 2017 (scinexx.de [abgerufen am 10. Februar 2019]).
- Résumé: notre position et nos mouvements : du système solaire à l'Univers. Abgerufen am 8. Februar 2019.
- Hélène M. Courtois, R. Brent Tully, Yehuda Hoffman, Daniel Pomarède, Romain Graziani: Cosmicflows-3: Cold Spot Repeller? In: The Astrophysical Journal. Band 847, Nr. 1, 1. September 2017, ISSN 2041-8205, S. L6, doi:10.3847/2041-8213/aa88b2.
- Daniel Pomarède, Yehuda Hoffman, Hélène M. Courtois, R. Brent Tully: The Cosmic V-Web. In: The Astrophysical Journal. Band 845, Nr. 1, 1. August 2017, ISSN 0004-637X, S. 55, doi:10.3847/1538-4357/aa7f78.
- Im Original: We show here that repulsion from an underdensity is important and that the dominant influences causing the observed flow are a single attractor — associated with the Shapley concentration — and a single previously unidentified repeller, which contribute roughly equally to the CMB dipole. (S. 1) We conclude that the dipole repeller is not a fictitious structure induced by an ‘edge of the data’ effect, and that subsets of the data, chosen either by distance or galaxy type, uncover a basin of repulsion that ‘pushes’ the Local Group in the direction pointed by the CMB dipole. (S. 4)
- Ian Sample Science editor: Milky Way being pushed through space by cosmic dead zone, say scientists. In: The Guardian. 30. Januar 2017, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 8. Februar 2019])., We show that the Shapley attractor is really pulling, but then almost 180 degrees in the other direction is a region devoid of galaxies, and this region is repelling us,” said Hoffman. “So now we have a pull from one side and a push from the other. It’s a story of love and hate, attraction and repulsion.
- Victoria Woollaston: The Milky Way is being pushed through space by a void called the Dipole Repeller. In: Wired UK. 30. Januar 2017, ISSN 1357-0978 (wired.co.uk [abgerufen am 8. Februar 2019]). In addition to being pulled towards the known Shapley Concentration, we are also being pushed away from the newly discovered Dipole Repeller. Thus it has become apparent that push and pull are of comparable importance at our location.
- The Milky Way Is Running Away From An Extragalactic Void. Abgerufen am 8. Februar 2019 (englisch).. After subtracting out the mean expansion of the universe, the net gravitational force of the overdense regions is that of an attraction and that of the under-dense regions is that of repulsion.
- Gemeint ist der Große Attraktor und der Shapley-Superhaufen.
- Im Original: Mais,aufil des ans, le débat s’est enlisé sur l'importance relative de ces deux attracteurs, ceux-ci ne suffisant pas pour expliquer notre mouvement, d’autant qu’il ne pointe pas exactement dans la direction de Shapley comme cela devrait être le cas. ...L’équipe a ainsi découvert qu’à l’emplacement de notre galaxie les forces répulsives et attractives provenant d’entités lointaines sont d'importances comparables et en a déduit que les influences majeures qui sont à l’origine de notre mouvement sont l'attracteur Shapley et une vaste région de vide (c’est-à-dire dépourvue de matière visible et invisible), précédemment non identifiée, qu’il sont nomméle Dipole Repeller.
- About the Dipole Repeller | Request PDF. Abgerufen am 8. Februar 2019 (englisch).
- G. D’Agostini, J. P. Petit: Constraints on Janus Cosmological model from recent observations of supernovae type Ia. In: Astrophysics and Space Science. Band 363, Nr. 7, 6. Juni 2018, ISSN 1572-946X, S. 139, doi:10.1007/s10509-018-3365-3.
Siehe auch
- (fr) Jean-Pierre PETIT, « JANUS 17 : La seule interprétation cohérente du Great Repeller »
- (fr) Modèle cosmologique bimétrique
- (en) List of largest structures and voids
Weblinks
- The Dipole Repeller Dieses Video wurde als Anhang zur ursprünglichen Publikation "The Dipole Repeller" von Yehuda Hoffman, Daniel Pomarède, R. Brent Tully und Hélène Courtois Nature Astronomy produziert.
- The Cosmic V-Web Dieses Video wurde als Anhang zur ursprünglichen Publikation von Yehuda Hoffman, Daniel Pomarède, R. Brent Tully und Hélène Courtois "The Cosmic V-Web" im Astrophysical Journal produziert.
- Eine Visualisierung des kosmischen V-Web in der virtuellen Realität ist auf der Plattform Sketchfab verfügbar.