Digitale Souveränität

Digitale Souveränität bezeichnet im Allgemeinen die Möglichkeit eines Menschen oder einer Gesellschaft[1] (Staat[2] etc.), digitale Medien selbstbestimmt nutzen zu können. Dies umfasst neben der individuellen Fähigkeit (vgl. Medienkompetenz) auch notwendige, äußere Rahmenbedingungen (z. B. sicherer Transportweg, geeignete Angebote, regulatorische Maßnahmen), um einen souveränen Umgang mit digitalen Medien zu gewährleisten.[3]

Bedeutung

Abgeleitet von dem Begriff der Souveränität versteht man unter digitaler Souveränität selbstbestimmtes Handeln unter vollständiger, eigener Kontrolle im Hinblick auf die Nutzung digitaler Medien. Der Begriff beschreibt zum einen die Notwendigkeit des souveränen Handelns in direktem Umgang mit digitalen Medien (z. B. Smartphones, Tablets, Internet etc.). Zum anderen erwarten Experten, dass die Entwicklung von digitaler Souveränität auch in verschiedenen anderen Bereichen (z. B. Kultur, Bildung, Politik und Forschung) indirekt „zukünftig stark über Nutzung und Erfolg“ entscheiden wird.[3]

Dimensionen

Vollständige digitale Souveränität kann folglich nur durch ein Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure (Bürger/Verbraucher, Regierung, Politik und Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft) erreicht werden. Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Entlang der bisherigen Veröffentlichungen und Verlautbarungen sind unterschiedliche Ansatzpunkte bzw. Dimensionen der Bedeutung und Tragweite zu erkennen.

Individuelle Fähigkeiten

Die digitale Gesellschaft in Deutschland und ihre Nutzertypen: 63 % digital wenig Erreichte und 37 % digital Souveräne

Die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen bestimmen dessen digitale Souveränität in hohem Maße. Denn digitale Souveränität, als Erweiterung des Begriffes Medienkompetenz, umfasst neben dem souveränen Umgang mit digitalen Medien auch die Kompetenz, sich mit relevanten Sicherheitsaspekten und möglichen Risiken auseinanderzusetzen.[3] Laut einer Studie der Initiative D21 sind bisher nur 37 Prozent der Bevölkerung digital souverän,[4] d. h. vertraut im Umgang mit digitalen Medien (2013: 33 Prozent)[5]. In der im Oktober 2013 veröffentlichten Studie des Bundesministeriums des Innern zum Thema „Zukunftspfade – Digitales Deutschland 2020“ wird konstatiert, dass das Schaffen von digitaler Souveränität in der Gesellschaft zwar von Schulen, Bildungseinrichtungen und Unternehmen vorangetrieben und unterstützt werden müsse, in erster Linie aber jeder Einzelne individuell für den Aufbau seiner eigenen digitalen Souveränität verantwortlich sei.[3]

Angebote

Eine weitere Voraussetzung ist die Etablierung von Angeboten, die digital souveränes Handeln ermöglichen. Erst die Bereitstellung von entsprechenden Produkten und Technologien, die auf allgemein akzeptierten Standards aufbauen, verhelfen zu digitaler Souveränität für den Einzelnen.[6] Die BITKOM nennt in der Publikation „IT-Strategie – Digitale Agenda für Deutschland“ den Ausbau sicherer und innovativer IT-Systeme als wesentliche Komponente im Hinblick auf die zukünftige digitale Entwicklung unserer Gesellschaft[7]; auch innerhalb der Politik wird vermehrt die Entwicklung entsprechender technologischer Möglichkeiten gefordert.[8] Vor allem die Notwendigkeit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird verstärkt diskutiert, welche die IT-Sicherheit erhöhen und die Gefahr von Datenmissbrauch verringern soll.[9]

Transportweg

Die Bereitstellung sicherer Transportwege ist zur Gewährleistung digitaler Souveränität essentiell.[10] Als Folge der so genannten NSA-Affäre wird vermehrt ein System gefordert, das die vertrauliche und sichere Übermittlung von Daten garantiert, um vollständige digitale Souveränität zu ermöglichen.[11] Der Einsatz transparenter, nachprüfbarer und zertifizierter Verfahren soll das Vertrauen in IT-Produkte und -Prozesse stärken und den sicheren und langfristigen Aufbau digitaler Souveränität unterstützen.[12]

Gesetzgebung bzw. Regulierung

Die äußeren Gegebenheiten beeinflussen zu einem großen Teil die digitale Souveränität der Bürger einer Gesellschaft und der Gesellschaft selbst. In diesem Zusammenhang sind auch eine einheitliche und eindeutige Gesetzgebung sowie staatliche Regulierungen wie Datenschutzrichtlinien und standardisierte Verfahren wichtig.[13] Auch die Diskussion um die Einführung einer EU-Datenschutzrichtlinie, die auch auf Daten in und aus dem Internet anwendbar sein soll, unterstreicht die Relevanz des Themas digitale Souveränität.[14]

Infrastruktur

Als Grundlage der zuvor genannten Aspekte wird vielfach der Zugang zu sicherer IT-Infrastruktur, also Hardware, als Technologiesouveränität genannt. Dies bezieht Fragen der Ressourcenbeschaffung, Produktentwicklung und Forschungsförderung mit ein.

Siehe auch

Literatur

  • Lorina Buhr, Stefanie Hammer, Hagen Schölzel (Hrsg.): Staat, Internet und digitale Gouvernementalität. Springer VS, Wiesbaden, 2018, ISBN 978-3-658-18270-0, S. 238
  • Mike Friedrichsen, Peter-J. Bisa (Hrsg.): Digitale Souveränität. Vertrauen in der Netzwerkgesellschaft. Springer VS, Wiesbaden, 2016, ISBN 978-3-658-07348-0, S. 421
  • Enrico Peuker: Verfassungswandel durch Digitalisierung. Digitale Souveränität als verfassungsrechtliches Leitbild. In: Jus publicum. Nr. 286. Mohr Siebeck, Tübingen 2020, ISBN 978-3-16-158210-3 (Habilitationsschrift, Humboldt-Universität zu Berlin, 2019).
  • Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (Hrsg.): Digitale Souveränität und Bildung. Waxmann Verlag, Münster, 2018, ISBN 978-3-8309-3813-2, S. 290
  • Gesellschaft für Informatik e.V. (Hrsg.): Schlüsselaspekte digitaler Souveränität, Mai 2020
  • Volker Wittpahl (Hrsg.): iit-Themenband Digitale Souveränität. Bürger, Unternehmen, Staat. Springer Vieweg Open (Link), 2017, ISBN 978-3-662-55788-4, S. 193

Einzelnachweise

  1. Dr. Bernhard Rohleder: Digitale Souveränität: Positionsbestimmung und erste Handlungsempfehlungen für Deutschland und Europa. BITKOM, abgerufen am 16. Dezember 2019 (deutsch).
  2. Europas fatale Abhängigkeit von Microsoft. Abgerufen am 16. Dezember 2019.
  3. Zukunftspfade Digitales Deutschland 2020. Eine Studie des IT-Planungsrats, durchgeführt von TNS Infratest, Oktober 2013, abgerufen am 9. Dezember 2019.
  4. D21-Digital-Index – Die Entwicklung der digitalen Gesellschaft, S. 16/17. Eine Studie der Initiative D21, durchgeführt von TNS Infratest, November 2014.
  5. D21-Digital-Index – Auf dem Weg in ein digitales Deutschland?!, S. 58/59. Eine Studie der Initiative D21, durchgeführt von TNS Infratest, April 2013.
  6. Digitale Vision für Europa. FAZ.net, 21. November 2013, abgerufen am 20. Juni 2014, 09:50 Uhr.
  7. IT-Strategie – Digitale Agenda für Deutschland. Publikation des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V., 2014, S. 47, abgerufen am 23. Juni 2014, 11:55 Uhr.
  8. Bundestag sucht Wege aus dem NSA-Debakel. dw.de, 18. November 2013, abgerufen am 23. Juni 2014, 11:37 Uhr.
  9. NSA-Ausschuss: Experten fordern Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein. heise.de, 24. Juni 2014, abgerufen am 4. Juli 2014, 15:30 Uhr.
  10. Digitale Souveränität. spiegel.de, 3. Februar 2014, abgerufen am 20. Juni 2014, 10:57 Uhr.
  11. Digitale Souveränität zurückgewinnen. bundesregierung.de, Interview mit Alexander Dobrindt, 23. Dezember 2013, abgerufen am 18. Juni 2014, 18:07 Uhr.
  12. IT-Strategie – Digitale Agenda für Deutschland. Publikation des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V., 2014, S. 47, abgerufen am 23. Juni 2014, 11:55 Uhr.
  13. Digitale Vision für Europa. FAZ.net, 21. November 2013, abgerufen am 20. Juni 2014, 09:50 Uhr.
  14. Stellungnahme des Bundesinnenministeriums zur Datenschutz-Grundverordnung für die Berliner Datenschutzrunde. berliner-datenschutzrunde.de, Gastbeitrag, 14. Mai 2014, abgerufen am 20. Juni 2014, 16:10 Uhr.
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