Dezentrale Ölmühle
Die dezentrale Ölmühle ist eine Produktionseinrichtung zur Erzeugung von Pflanzenöl. Ölsaaten oder -früchte werden in dieser Einrichtung durch Auspressen zu Pflanzenöl und dem Koppelprodukt Presskuchen verarbeitet. Die Dezentrale Ölmühle unterscheidet sich von der zentralen Ölmühle vor allem durch die geringere Verarbeitungskapazität (0,5 bis 25 t Ölsaat pro Tag), das Verarbeitungsverfahren (Kaltpressung, Erzeugung von nativem Öl) und – damit verbunden – die geringere Ölausbeute bei höherem Restfettgehalt im Presskuchen. Außerdem arbeiten dezentrale Ölmühlen in der Regel im landwirtschaftlichen Umfeld.
Verfahren
Die Verarbeitung der zu pressenden Produkte erfolgt nach dem Prinzip der Kaltpressung. Bei dieser Methode kommen lediglich zwei Verarbeitungsschritte zur Anwendung, und zwar die Pressung und die anschließende Filterung. Neben der eigentlichen Verarbeitung (Pressung) erfolgen in der Regel die Lagerung und Reinigung der Ölsaaten / -früchte sowie die Lagerung des Öls in der Ölmühle.
Arbeitsschritte
- Vorratslager für die Verarbeitungsprodukte
- Reinigung, ggf. Trocknung der Produkte
- Zwischenlagerung vor der Verarbeitung
- Verpressung der Produkte mittels Lochzylinder-Schneckenpresse bzw. Seiherstab-Schneckenpresse
- Lagerung des Truböls vor der Reinigung des Öls und des Presskuchens
- Ölreinigung durch Filterung oder Sedimentation
- Sicherheitsfilter (Polizeifilter)
- Endlagerung des Reinöls
Herstellung
Vorbereitung
Die Lagerung der Ölsaaten erfolgt im trockenen, belüfteten und schädlingssicheren Vorratslager der Ölsaaten in Hallen oder als Außenlager. Entnommen werden die Verarbeitungsprodukte beispielsweise über Förderschnecken. Trocknung und Reinigung der Ölsaaten spielen bei der dezentralen Ölmühle eine besondere Rolle, da Fehler bei der Lagerung die Qualität des naturbelassenen Öls stark mindern und nicht – wie bei zentralen Ölmühlen – durch nachfolgende Raffination ausgeglichen werden können. Wegen der bei dezentralen Ölmühlen geringeren Anzahl der Rohstoffchargen fallen zudem Qualitätsminderungen einzelner Chargen stärker ins Gewicht. Bei Rapssaat sollte die Restfeuchte weniger als 9 Prozent betragen. Verunreinigungen, zum Beispiel durch Unkrautsamen (Fremdbesatz) oder schlecht gereinigte Transportfahrzeuge, müssen vermieden oder entfernt werden.
Pressung
Für die Ölerzeugung werden die Ölsaaten bzw. -früchte gepresst. Das darin enthaltene Pflanzenöl tritt durch Öffnungen in der Ölpresse aus, die Feststoffe (Presskuchen) mit Restfettgehalt werden am Ende der Presse entnommen. In dezentralen Ölmühlen übliche Bauformen sind Zylinderloch-Schneckenpressen und Seiherstab-Schneckenpressen. Dabei wird ähnlich wie beim Fleischwolf das zu verarbeitende Produkt durch eine Schnecke (Spindel) in einem Zylinder transportiert. Das Pressgut wird der Schnecke über eine trichterförmige Öffnung zugeführt. Zylinderloch-Schneckenpressen kommen eher im kleinen Leistungsbereich (bis ca. 70 kg Saaten/ Stunde), die Seiherstab-Schneckenpresse eher im größeren Leistungsbereich zum Einsatz.
Reinigung
Nach der Pressung ist das Öl noch sehr stark mit Press-Sedimenten verunreinigt. Deshalb wird es bis zur Filterung im Trubölbehälter zwischengelagert. Hier kommt dann in der Regel ein Rührwerk zum Einsatz, welches die Sedimente in der Schwebe hält, bevor die Ölreinigung stattfindet. Die Ölreinigung erfolgt durch Filterung und/oder Sedimentation.
Bei der Filterung kommen die Kammerfilterpresse, die kuchenbildende Filtration und Beutelfilter zum Einsatz. Vor allem als nachgelagerte Sicherheits- oder Polizeifilter werden Kerzenfilter genutzt. Damit wird gewährleistet, dass im Öl keine Verunreinigungen mehr enthalten sind, bevor das Produkt die Ölmühle verlässt.
Bei der Sedimentation, die bei kleineren Ölproduktionsanlagen angewandt wird, dient anstelle einer äußeren Energiezufuhr (z. B. zum Antrieb einer Druckpumpe) das Erdschwerefeld zur Reinigung des Truböls von den Sedimenten. Dabei wird das ausgepresste Öl in ein Behältnis gegeben, in dem es bis zu mehreren Wochen verharrt, während die schwereren Sedimente durch die Erdanziehung langsam zu Boden sinken. Nach der Sedimentation wird das gereinigte Öl langsam aus dem Behältnis entnommen, so dass die abgesenkten Partikel im Sedimentationsbehältnis verbleiben. Anschließend wird das Öl durch einen Sicherheitsfilter geleitet und im Reinöl-Tank gelagert. Neuere Sedimentationsverfahren laufen kontinuierlich ab. Dabei fließt das zu reinigende Truböl über ein Röhrensystem durch nacheinander geschaltete Behältnisse.[1]
Lagerung
Die Reinöl-Lagerung soll möglichst kühl und dunkel erfolgen. Insofern ist es sinnvoll, die Lager in Hallen oder unterirdisch zu installieren. Als Material für die Reinöl-Lagerung kommen häufig Tanks aus Edelstahl zum Einsatz. Die Lagertanks sollten möglichst einfach zu reinigen und vor dem Eintrag von Kondenswasser geschützt sein.
Die sachgerechte Lagerung des Presskuchens ist entscheidend, um dessen Qualität zu erhalten. Bei der Produktion entwickelt der Presskuchen eine hohe Temperatur und hat noch einen hohen Anteil an Wasserdampf. Um den Wassergehalt zu senken, ist bei längerfristiger Lagerung eine Kühlung und Belüftung wichtig.
Rohstoffe und verwendete Produkte
Viele verschiedene Ölfrüchte und -pflanzen werden in dezentralen Ölmühlen verarbeitet. Dabei sind folgende Nutzungsarten von Bedeutung:
- Pflanzenöle als Nahrungsmittel (Speiseöl, Grundstoff für viele weitere Nahrungsmittel)
- Pflanzenöle als Energieträger und nachwachsende Rohstoffe (Biokraftstoff, Wärmeerzeugung, bio-basierte Kunststoffe, Grundstoff für die Kosmetikindustrie)
- Presskuchen als Koppelprodukt bei der Ölgewinnung (hochwertiges eiweiß- und fettreiches Futtermittel, Brennstoff und Substrat für die Biogaserzeugung).
Für den Bereich Speiseöl gibt es viele regionale bzw. traditionelle Spezialitäten, die meistens regional oder direkt vermarktet werden. Die in den letzten Jahren in Deutschland entstandenen dezentralen Ölmühlen verarbeiten überwiegend Rapssaat.
Wirtschaftliche Bedeutung
In Deutschland sind seit den 1990er Jahren viele dezentrale Ölmühlen entstanden. Nach Angabe des Technologie- und Förderzentrums Straubing waren im Jahr 1999 ca. 79 dezentrale Ölmühlen bekannt, im Frühjahr 2004 dagegen mindestens 219 Anlagen.[2] Im Jahr 2008 sind etwa 600 Anlagen in Betrieb. Der Zuwachs dieser dezentralen Ölmühlen ist im Wesentlichen im Kontext der Erzeugung regenerativer Energieträger, insbesondere der Biokraftstoffe entstanden. Als Ausgangsprodukt für Biodiesel und Rapsöl-Kraftstoff kommt der Rapssaat eine Bedeutung zu.
Für den Sektor Landwirtschaft, in den sehr viele dezentrale Mühlen direkt eingebunden sind, haben in den sogenannten Industrienationen diese dazu beigetragen, ein zweites Standbein, einen weiteren Absatzmarkt zu erzeugen.
Die politischen Rahmenbedingungen tragen wesentlich dazu bei, ob dezentrale Ölmühlen eine wirtschaftliche Perspektive auf Dauer gegeben ist. Die Abwägung dieser zu den im Folgenden angeführten Punkten ist international Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen.
Ökologische und soziale Aspekte
Mit der Verwendung von Pflanzenöl als Biokraftstoff werden auch ökologische Aspekte verbunden. Theoretisch gilt, dass bei der Verwendung von Pflanzenöl nur so viele klimaschädliche CO2-Emissionen verursacht werden, wie beim Aufwachsen der Pflanze gebunden wurde. In der Praxis ist zu berücksichtigen, dass durch Anbau, Verarbeitung und Transport der Ölprodukte mit konventionellen Methoden wieder ein Teil der Emissionen aus dem CO2-Kreislauf herausgenommen werden. Im Gegensatz zur zentralen Verarbeitung verarbeiten dezentrale Ölmühlen in der Regel regional hergestellte Ölsaaten. Umweltbelastende Transportwege werden dabei eingespart.
Literatur
- FNR, Handbuch Herstellung von Rapsölkraftstoff in dezentralen Ölgewinnungsanlagen (pdf) (5,41 MB)
- KTBL – Schrift 427, Dezentrale Ölsaatenverarbeitung
- Eder, Barbara / Eder, Franz „Pflanzenöl als Kraftstoff“, ISBN 978-3-936896-05-3.
- Technologie und Förderzentrum Straubing (TFZ): Herstellung – Ölgewinnung.