David Pearce (Philosoph)
David Pearce (* 20. Jahrhundert in Brighton and Hove)[1] ist ein britischer Philosoph, Mitbegründer der World Transhumanist Association (inzwischen umbenannt in Humanity+, Inc.), und eine Persönlichkeit innerhalb der Transhumanismus-Bewegung.[2][3] Er betrachtet ethische Fragen aus der Perspektive des lexikalen negativen Utilitarismus.[4]
Themen
Pearce, wohnhaft in Brighton, England, betreibt eine Reihe von Websites zu transhumanistischen Themen und dem von ihm so bezeichneten „hedonistischen Imperativ“, einer moralischen Verpflichtung, auf die Abschaffung von Leid in allen empfindungsfähigen Lebewesen hinzuarbeiten.[5][6] Sein selbstpubliziertes Online-Manifest The Hedonistic Imperative (Der hedonistische Imperativ, 1995) umreißt, wie Pharmakologie, Gentechnik, Nanotechnologie und Neurochirurgie zur Eliminierung aller Formen unangenehmen Erlebens in menschlichem und nicht-menschlichem Leben konvergieren könnten, sodass „Gefälle von [unterschiedlich starker] Glückseligkeit“ an Stelle von Leid träten.[7][8] Pearce nennt dies „das abolitionistische Projekt“ („the abolitionist project“).[9]
Hedonistischer Transhumanismus
1995 gründete Pearce BLTC Research, ein Netzwerk von Websites, auf denen Texte über Transhumanismus und verwandte Themen aus den Bereichen der Pharmakologie und Biopsychiatrie veröffentlicht werden.[10] Im selben Jahr veröffentlichte er Der hedonistische Imperativ, worin er dafür argumentiert, dass „unsere posthumanen Nachfahren [...] das Genom der Wirbeltiere umschreiben, das globale Ökosystem neu entwerfen und Leid in der gesamten lebenden Welt abschaffen“ werden.[11]
Pearces Ideen inspirierten eine abolitionistische Strömung innerhalb des Transhumanismus, die auch als „hedonistischer Transhumanismus“ bezeichnet wird, basierend auf seiner Idee des „paradise engineering“ („Paradies-Entwicklung“) und seinem Argument, dass es sich bei der Abschaffung von Leid, welche er „das abolitionistische Projekt“ nennt, um einen moralischen Imperativ handelt.[9][12][13] Er verteidigt eine Version des negativen Utilitarismus.
Er umreißt, wie Medikamente und Technologien wie u. a. intrakraniale Selbstreizung („wireheading“), Designerdrogen und Gentechnik das Leid sämtlicher empfindungsfähiger Lebewesen beenden könnten.[9] Auch mentales Leid wäre dann ein Relikt der Vergangenheit, analog dazu, wie die vormals mit chirurgischen Eingriffen stets einhergehenden körperlichen Schmerzen durch die Einführung der Anästhesie größtenteils beseitigt wurden.[5] Die funktionale Rolle von Schmerzen würde dann von einem anderen Signal bereitgestellt werden, ohne die damit einhergehende negative Empfindung.[9]
Als Veganer argumentiert Pearce, dass Menschen die Verantwortung zuteil wird, nicht nur Tierquälerei innerhalb der menschlichen Gesellschaft zu vermeiden, sondern das gesamte globale Ökosystem neu zu entwerfen, sodass auch in freier Wildbahn lebende Tiere nicht länger leiden.[14] Er hat für ein „interspezifisches, globales Analog zum Wohlfahrtsstaat“ plädiert,[15] und schlägt vor, dass die Menschheit eines Tages Prädatoren „umprogrammieren“ und damit ihr Jagdverhalten einschränken könnte, um so das Leid ihrer Beutetiere zu verhindern.[16] Künstliche Regulierung der Fruchtbarkeit könnte dann die Populationen von Pflanzenfressern auf einem tragbarem Niveau stabilisieren, „eine zivilisiertere und mitfühlendere Richtlinienoption als Hunger, Beutemachen und Krankheit“.[17] Die zunehmende Anzahl von Veganern und Vegetariern innerhalb der transhumanistischen Bewegung wird teilweise Pearces Einfluss zugeschrieben.[18]
Humanity+ und andere Tätigkeiten
1998 gründete Pearce zusammen mit Nick Bostrom die World Transhumanist Association, welche seit 2008 als Humanity+ bekannt ist.[7] Pearce ist heute Mitglied des Beirats.[19]
Pearce ist ferner Fellow am Institute for Ethics and Emerging Technologies,[20] und im „futuristischen Beirat“ der Lifeboat Foundation.[21] Bis 2013 war er im Redaktionsbeirat des kontroversen und nicht peer reviewten Journals Medical Hypotheses.[22] Interviewt wurde er unter anderem von Vanity Fair (Deutschland) sowie in der BBC Radio 4 Sendung The Moral Maze.[23][24]
Bücher
- The Hedonistic Imperative 1995, OCLC 44325836.
- David Pearce: The Biointelligence Explosion: How Recursively Self-Improving Organic Robots will Modify their Own Source Code and Bootstrap Our Way to Full-Spectrum Superintelligence. In: Amnon H. Eden, James H. Moor, Johnny H. Søraker, Eric Steinhart (Hrsg.): Singularity Hypotheses: A Scientific and Philosophical Assessment. Springer, Heidelberg u. a. 2012, ISBN 978-3-642-32559-5, S. 199–239 (Zugang zu PDF in semantic.org oder Digitalisat in archive.org [abgerufen am 15. Februar 2021]).
Weblinks
Einzelnachweise
- goodreads.com: David Pearce.
- Nick Bostrom: A history of transhumanist thought. (PDF) In: Journal of Evolution and Technology. 14, Nr. 1, April 2005, S. 15–16.
- Philip Brey, Johnny Hartz Søraker: Philosophy of Computing and Information Technology. In Anthonie Meijers (ed.): Philosophy of Technology and Engineering Sciences. Elsevier 2009: S. 1389.
- Negative Utilitarianism FAQ. In: www.utilitarianism.com. Abgerufen am 14. September 2019.
- Power, Katherine: The End of Suffering. In: Philosophy Now.
- Michael Hauskeller: „Nietzsche, the Overhuman and the Posthuman: A Reply to Stefan Sorgner“. In: Journal of Evolution and Technology. Januar 2010, 21(1), 5–8.
- Bostrom (2005), 15.
- David Pearce: „The Biointelligence Explosion.“, In: Amnon H. Eden, et al. (hgg.): Singularity Hypotheses: A Scientific and Philosophical Assessment. Berlin: Springer-Verlag 2012: S. 199–236.
- Jeanine Thweatt-Bates: Cyborg Selves: A Theological Anthropology of the Posthuman. London: Routledge 2016: S. 50–51 (1. Ed. 2012).
- William Emile DeMars: NGOs and Transnational Networks: Wild Cards in World Politics. Pluto Press 2005. 171 ISBN 074531905X
- Nathan A. Adams IV: An Unnatural Assault on Natural Law. In: Charles W. Colson, Nigel M. de S. Cameron (Hrsg.): Human Dignity in the Biotech Century: A Christian Vision for Public Policy. Downers Grove, IL: InterVarsity, 2004, ISBN 0-8308-2783-8, S. 167.
- James J. Hughes: „The Compatibility of Religious and Transhumanist Views of Metaphysics, Suffering, Virtue and Transcendence in an Enhanced Future.“ Institute for Ethics and Emerging Technologies 2007: S. 20.
- Bostrom (2005), 16.
- Thweatt-Bates 2016: S. 100–101.
- David Pearce und James Kent (Interview): The Genomic Bodhisattva. In: H+ Magazine 16. September 2009. „Jewish Nobel Laureate Isaac Bashevis Singer described life for factory-farmed animals as 'an eternal Treblinka': a world of concentration camps extermination camps and industrialized mass-killing. Strip away our ingrained anthropocentric bias, and what we do to other sentient beings is barbaric. Combating great evil justifies heroic personal sacrifice; going vegan entails mild personal inconvenience. The non-human animals we factory-farm and kill are functionally akin to human babies and toddlers. Babies and toddlers need looking after, not liberating. As the master species we have a duty of care to lesser beings, just as we have a duty of care to vulnerable and handicapped humans. As our mastery of technology matures, I think we need to build a cross-species global analogue of the welfare state.“
- Manon Verchot: Meet the people who want to turn predators into herbivores. In: TreeHugger. 30. September 2014. Archiviert vom Original am 4. März 2018. Abgerufen am 4. März 2018.
- Pearce, David. Interview von George Dvorsky. The Radical Plan to Phase Out Earth’s Predatory Species. 30. Juli 2014.
- Simon Fairlie: Meat: A Benign Extravagance. Chelsea Green Publishing 2010: S. 230–231. ISBN 1603583254
- „Advisors“, Humanity+.
- Fellows - IEET. Institute for Ethics and Emerging Technologies.
- Advisory boards, Lifeboat Foundation.
- Medical Hypotheses Editorial Advisory Board, 2013. In: Medical Hypotheses. Archiviert vom Original am 26. Juni 2013.
- Ingo Niermann: Mehr Rausch für alle. In: Vanity Fair, 5. April 2007.
- The Pursuit of Happiness, The Moral Maze. BBC Radio 4. 7. August 2013.