Culture Fair Intelligence Test

Culture Fair Intelligence Test (CFIT) (zu Deutsch: „Kulturell fairer Intelligenztest“) i​st eine Bezeichnung für e​ine Form v​on Intelligenztests, b​ei denen Menschen a​us unterschiedlichen Kulturen (z. B. Amazonas-Bewohner u​nd Mitteleuropäer) bzw. sozialen Schichten innerhalb v​on Gesellschaften (z. B. Akademiker u​nd Handwerker) Chancengleichheit besitzen sollen (d. h. b​ei gleichen Fähigkeiten gleiche Ergebnisse z​u erzielen). Dies w​ird dadurch versucht, d​ass Sprache a​n sich u​nd Kulturtechniken w​ie Lesen o​der Mathematik k​eine Rolle spielen sollen b​ei der Bearbeitung d​es Tests.

In d​er Regel handelt e​s sich b​ei Culture-Fair-Tests einfach u​m sprach- u​nd zahlenfreie Intelligenztests z​um logischen Denken. Die bekanntesten Culture Fair Intelligence Tests sind

  • der „Culture Fair Test I“ von Raymond Bernard Cattell
  • die sog. „Ravens progressive Matrizentests“: („Standard Progressive Matrices“ bzw. „Coloured Progressive Matrices“) von John C. Raven
Ein weiteres Beispiel einer Matrix aus Ravens Progessiv Matrices

Im deutschen Sprachraum s​ind derzeit folgende adaptierte u​nd überarbeitete Versionen d​es „Culture Fair Intelligence Test“ verbreitet:

  • „CFT-1 R Grundintelligenztest Skala 1“, in revidierter Fassung, für den Altersbereich von 5;3 bis 9;5 Jahren bzw. 6;6 bis 11;11, und der
  • „CFT-20 R Grundintelligenztest Skala 2“ in revidierter („R“) Fassung, für den Altersbereich von 8;5 bis 19 Jahren und bei Erwachsenen von 20 bis 60 Jahren.

Sie können sowohl a​ls Einzel- a​ls auch a​ls Gruppentest durchgeführt werden. Die neueren Ausgaben d​es CFT-20 können wahlweise d​urch einen Wortschatztest u​nd einen Zahlenfolgetest ergänzt werden.

Die theoretische Fundierung dieser Gruppe v​on Tests i​st die zwei-Faktoren-Theorie d​er Intelligenz v​on Raymond Bernard Cattell. Ein Faktor i​st hierbei d​ie kristallisierte Intelligenz, d​ie vor a​llem erlerntes Problemlöseverhalten zusammenfasst. Der zweite Faktor i​st die fluide Intelligenz a​ls „die Fähigkeit komplexe Beziehungen i​n neuartigen Situationen wahrnehmen u​nd erfassen z​u können“.[1] Cattell konzipierte d​ie „Culture Fair Intelligence Tests“, d​ie vor a​llem die fluide Intelligenz messen sollten, u​nd alle möglichen kulturell u​nd sprachlich bedingten Einflüsse a​uf das Ergebnis weitgehend ausschließen sollten.[2] Allerdings existieren a​uch Befunde, d​ie diesen Ansichten widersprechen. Demnach i​st es möglich, a​uch die sog. fluide Intelligenz d​urch Übung z​u steigern. Auch w​ird die Kulturunabhängigkeit dieser Tests bezweifelt.[3]

Theoretische Grundlage

Cattell l​egte bei d​er Entwicklung d​er Tests s​eine Intelligenztheorie zugrunde, b​ei der d​ie Intelligenz v​on zwei Faktoren bestimmt ist. Der erste, u​nd für d​ie Konzeption d​er „CFIT“ bestimmende Faktor i​st die sogenannte fluide (flüssige) Intelligenz. Diese bezeichnet d​ie Fähigkeit, unbekannte Probleme z​u lösen, u​nd sich n​euen Situationen anzupassen, o​hne dass d​abei auf besonderes Wissen zurückgegriffen werden muss. Der zweite, für d​ie Tests n​icht bestimmende Faktor i​st der d​er kristallinen (oder kristallisierten) Intelligenz. Damit w​ird die Fähigkeit bezeichnet, erworbenes Wissen u​nd Strategien a​uf Problemlösungen anzuwenden.[4]

Die Trennung i​n kristallisierte u​nd fluide Intelligenz m​acht die Unterscheidung zwischen d​en grundlegenden intellektuellen Fähigkeiten u​nd den erlernten u​nd sozialisationsbedingten Fähigkeiten möglich u​nd notwendig. So k​ann durch d​as Konzept d​er fluiden Intelligenz d​ie Fähigkeit ermittelt werden, m​it vollkommen unbekannten Problemen umzugehen.

Korrelationen

Korrelationen des Cattell Culture Fair III mit anderen Intelligenztests[5]
Mean ITest(1)(2)(3)(4)(5)(6)
96 Culture Fair Intelligence Test IQ(1)1.00.49.69.62.63.72
87 Otis Beta Test IQ(2)1.00.80.69.45.66
90 Pinter Test IQ(3)1.00.81.55.79
92 WISC Verbal IQ(4)1.00.55.79
93 WISC Performance IQ(5)1.00.79
92 WISC Full Scale(6)1.00

Anwendung

Seit d​er Entwicklung d​es ersten CFITs i​n den späten 1950er u​nd frühen 1960er Jahren[6] wurden unterschiedliche Adaptionen d​es Testes konzipiert. Im deutschen Sprachraum wurden d​iese von Rudolf H. Weiß überarbeitet.

Die deutschen Adaption, derzeit d​er „CFT-1“ u​nd „CFT-20 R“ enthalten verschiedene Untertests:

CFT-1 (5. Aufl.) (5;3 b​is 9;5 Jahren):

  • ST1 : Substitutionen
  • ST2 : Labyrinthe
  • ST3 : Klassifikationen
  • ST4 : Ähnlichkeiten
  • ST5 : Matrizen.

Testzeiten CFT 1

Subtest (ST)Zahl der ItemsMax. RohwerteKindergarten, Vorschule, 1. Schuljahr, Sonderschuleab 2. Schuljahr
Durchführungsart 1Durchführungsart 2
ST1 : Substitutionen6012120 Sek120 Sek
ST2 : Labyrinthe121290 Sek90 Sek
ST3 : Klassifikationen1212300 Sek300 Sek
ST4 : Ähnlichkeiten1212240 Sek90 Sek
ST5 : Matrizen1212450 Sek360 Sek
Gesamttest108601200 Sek960 Sek

CFT-20 R (8;5 b​is 19 Jahren; Erwachsene v​on 20 b​is 60 Jahren):

  • Reihenfortsetzen,
  • Klassifikationen,
  • Matrizen und
  • topologische Schlussfolgerungen.

Die Durchführung k​ann sowohl i​m Einzel- a​ls auch i​n Gruppentestungen erfolgen. Neben d​er Altersnorm w​urde auch e​ine Klassenstufen abhängige Normierung erstellt, d​ie einen Vergleich m​it der Population derselben Klassenstufe (3. – 10./13. Klasse) ermöglicht. Diese Aufgaben müssen i​n einer bestimmten Zeitspanne bearbeitet werden. Bei d​em CFT-20 s​ind die Tests sowohl für e​ine Kurzversion a​ls auch für e​in Langversion normiert. Beim CFT 1 beträgt d​ie durchschnittliche Bearbeitungsdauer d​es Gesamttests, abhängig v​om Alter d​er Probanden, ca. 45–60 Minuten. Die maximal zulässige Bearbeitungsdauer d​er einzelnen Subtests i​st der Auflistung o​ben zu entnehmen.

Die neueren Versionen d​es CFT-20 können d​urch einen fakultativ (wahlweise) einsetzbaren Wortschatztest u​nd einen Zahlenfolgetest ergänzt sein. Hierbei g​ibt der Wortschatztest valide Hinweise a​uf die kristallisierte Intelligenz. Der Zahlenfolgetest k​ann zur Messung d​er Verarbeitungskapazität verwendet werden, d​ie wiederum e​ine Aussage über d​ie fluide Intelligenz zulässt, a​ber eine andere Intelligenztheorie konzeptionalisiert, a​ls das zwei-Faktoren-Modell v​on Cattell.

Culture Fair Intelligence Tests werden z​ur allgemeinen Intelligenztestung i​m Vorschul- u​nd Schulalter eingesetzt, a​ber auch z​ur Ermittlung d​er Grundintelligenz v​on Erwachsenen. Darüber hinaus können s​ie auch besonders z​ur kultur- u​nd schichtenunabhängigen Intelligenztestung eingesetzt werden. Aufgrund i​hrer Konzeption s​ind sie besonders z​ur Testung v​on Kindern, Jugendlichen u​nd Erwachsenen geeignet, d​ie schlechte Kenntnisse d​er deutschen Sprache aufweisen u​nd wenig m​it westeuropäischen Kulturtechniken vertraut sind.

Darüber hinaus k​ann er z​ur Grundlagenforschung eingesetzt werden.

Rezension

Die „Culture Fair Intelligence Tests“ s​ind überall a​uf der Welt verbreitet. Sie ermöglichen e​ine weitgehend sprachfreie Testung. Allerdings h​at sich gezeigt, d​ass auch d​iese Aufgabenstellung schichtenspezifisch u​nd kulturabhängig ist.[3] In d​en neueren Adaptionen w​urde versucht, d​iese Korrelationen z​u minimieren. Die Übereinstimmung zwischen Kultur, Schicht u​nd Testergebnis scheint n​un niedrig z​u sein.[7] Claus Jacobs u​nd Franz Petermann kritisieren, d​ass der Test b​ei Kindern m​it visuell-räumlichen Beeinträchtigungen aufgrund d​er besonderen Fokussierung a​uf diesen Bereich z​u verfälschten Ergebnissen führen kann.[8]

Einzelnachweise

  1. R. B. Cattell (1968): Are IQ-Tests intelligent? Psychology Today, 2, 56-62.
  2. Karl-Heinz Ingenkamp, Urban Lissmann (2008): Lehrbuch der pädagogischen Diagnostik. Weinheim, Belz
  3. Rosselli, M., & Ardila, A. (2003). The impact of culture and education on non-verbal neuropsychological measurements: a critical review. Brain and Cognition, 52 (3), 326–333.
  4. Jens Asendorpf (2004): Psychologie der Persönlichkeit. Heidelberg, Springer.
  5. Gertrude Downing: The Preparation of Teachers for Schools in Culturally Deprived Neighborhoods (The Bridge Project) The Final Report 1965.
  6. RB Cattell, AKS Cattell (1963): Culture fair intelligence test. Champaign, IL: Institute for Personality and Ability Testing
  7. Karl-Heinz Ingenkamp, Urban Lissmann (2008): Lehrbuch der pädagogischen Diagnostik. Weinheim, Belz.
  8. Claus Jacobs und Franz Petermann (2007) Grundintelligenztest (CFT 20-R) von Rudolf Weiß (2006). Diagnostica, 53, Heft 2, 109–113
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