Clearingstelle Urheberrecht im Internet
Die Clearingstelle Urheberrecht im Internet, kurz CUII, ist ein Zusammenschluss von Internetdienstanbietern und Vertretern von Urheberrechteinhabern, der die Sperrung von Webseiten, die von ihm als strukturell urheberrechtsverletzend eingestuft werden, in Deutschland koordiniert. Die CUII wird durch eine Geschäftsstelle innerhalb des Vereins „Selbstregulierung Informationswirtschaft e. V.“ vertreten.[1]
Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII) | |
---|---|
Rechtsform | Geschäftsstelle innerhalb des Vereins Selbstregulierung Informationswirtschaft e. V. |
Gründung | 18. Januar 2021 in Berlin |
Sitz | Berlin |
Zweck | Sperrung von strukturell urheberrechtsverletzenden Webseiten |
Mitglieder | 13 |
Website | https://cuii.info |
Vorgehen
Die Clearingstelle empfiehlt die Sperrung von Webseiten, die von ihr als strukturell urheberrechtsverletzend eingestuft werden. Darunter sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)[2] und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)[3] Webseiten zu verstehen, die urheberrechtlich geschützte Werke planmäßig und ohne Berechtigung vielen Nutzern zugänglich machen.
Die Mitglieder der CUII haben am 18. Januar 2021 einen Verhaltenskodex[4] sowie eine Verfahrensordnung vereinbart, nach deren Richtlinien ein Sperrverfahren abläuft. Das Verfahren beginnt mit einem Antrag eines Rechteinhabers, der unmittelbar oder mittelbar Mitglied der CUII ist.[4] Die Clearingstelle erteilt eine Sperrempfehlung, wenn ein dreiköpfiger Prüfungsausschuss unter Vorsitz eines pensionierten Richters des Bundesgerichtshofes diese einstimmig empfiehlt.[5] Die Bundesnetzagentur hat das Vorgehen der CUII geprüft und hält die DNS-Sperren für unbedenklich und vereinbar mit den Vorgaben der Netzneutralität.[6] Die einzelnen Verfahren der CUII werden zudem nochmals von der Bundesnetzagentur jeweils dahingehend überprüft, ob „die Sperre zur Durchsetzung von nationalen Rechtsvorschriften erforderlich ist und ob dabei die Vorgaben zur Netzneutralität eingehalten werden“.[7] Judikative Instanzen (Gerichte) werden nicht in das Verfahren eingebunden, was eine Zeitersparnis bei der Durchsetzung ermöglicht.
Umgesetzt werden die Beschlüsse durch Domain-Name-System-Sperren der teilnehmenden Internetdienstanbieter. Durch das Einstellen eines alternativen DNS-Servers oder die Nutzung eines Virtual-Private-Networks (VPN) können die Sperrungen umgangen werden.[8]
Geschichte
Die erste Empfehlung zur Sperrung einer Domain beschloss der Prüfungsausschuss am 22. Februar 2021. Es traf die Domain s.to des Anbieters Serien.sx.[9] Über die Einrichtung der Clearingstelle wurde die Öffentlichkeit am 11. März 2021 informiert.[10] Am gleichen Tag gab das Bundeskartellamt bekannt, dass es gegen den Start der Clearingstelle keine Einwände habe.[11]
Kritik
Die freiwillige Internetzensur und die Sperrverfahren ohne ein Urteil oder ein gerichtliches Verfahren wurden stark kritisiert. Die Piratenpartei forderte das sofortige Ende der DNS-Sperren.[12] Markus Beckedahl von Netzpolitik.org befürchtete, dass autoritäre Kräfte die aufgebaute Zensurinfrastruktur zur Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit gebrauchen könnten, wenn sie an die Macht kämen.[8] Der ehemalige Europaabgeordnete Felix Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte sah durch die CUII das Grundrecht auf Informationsfreiheit und die Netzneutralität in Gefahr. Des Weiteren kritisierte sie die Umgehung der Gerichte und befürchtete die CUII ebne „den Weg für weitere außergerichtliche Einschränkungen der Kommunikationsfreiheit.“[13] Rechtsanwalt Christian Solmecke verglich die Zensur mit der Internetzensur in der Volksrepublik China und sah dies als Gefahr für ein freies Internet. Er kritisierte außerdem die fehlende Urteilsfähigkeit und eigentlich notwendige Ausbildung der Bundesnetzagentur in dieser Thematik sowie die freiwillige Umgehung der Gerichte.[14] Zudem wird kritisiert, dass das Verfahren der CUII Anreize setzt, welche die Neutralität der Prüfer zweifelhaft erscheinen lässt.[15]
Politische Reaktionen
Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz kritisierte das Vorgehen der CUII gegenüber dem Magazin c’t. Er stellte dabei die Neutralität der CUII sowie die Vereinbarkeit ihres Vorgehens mit den europäischen Vorgaben zur Netzneutralität in Frage. Die Grünen-Fraktion im Bundestag wolle laut c’t des Weiteren die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der CUII vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages überprüfen lassen.[16]
Mitglieder
Die Internetdienstanbieter, die von Anfang an teilnehmen, sind Telekom Deutschland, Vodafone, 1&1 Aktiengesellschaft, Telefónica Germany und Mobilcom-Debitel.[17][18] Von den Urhebervertretern wirken der Bundesverband Musikindustrie, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die DFL Deutsche Fußball Liga, die International Association of Scientific, Technical and Medical Publishers (STM), die Motion Picture Association, der Game – Verband der deutschen Games-Branche, Sky Deutschland und der Verband der Filmverleiher bei der CUII mit.[17]
Liste gesperrter Seiten
Webservice | gesperrte Domains |
---|---|
Serienstream |
|
CannaPower |
|
nsw2u.com |
|
New Album Releases |
|
Burning-Series |
|
Streamkiste.tv |
|
Goldesel |
|
Einzelnachweise
- VERHALTENSKODEX Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII). §3 Geschäftsstelle. In: cuii.info. Selbstregulierung Informationswirtschaft e. V., 18. Januar 2021, abgerufen am 31. März 2021.
- Urteil des I. Zivilsenats vom 26.11.2015 - I ZR 174/14 -. Abgerufen am 23. März 2021.
- Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 27. März 2014
- Verhaltenscodex Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII). (pdf) 18. Januar 2021, abgerufen am 13. März 2021.
- Bundesverband Musikindustrie: Internetzugangsanbieter und Rechteinhaber gründen unabhängige „Clearingstelle“. 11. März 2021, abgerufen am 13. März 2021.
- Bundesnetzagentur: Clearingstelle Urheberrecht im Internet veranlasst Sperrung einer Streaming-Website. 11. März 2021, abgerufen am 13. März 2021.
- DNS Sperren. Webseitensperren wegen Urheberrechtsverletzung. In: bundesnetzagentur.de. Bundesnetzagentur, abgerufen am 20. April 2021.
- Markus Beckedahl: Die Rückkehr der Netzsperren. Netzpolitik.org, 11. März 2021, abgerufen am 13. März 2021.
- CUII: Der PrüfungsausschussEmpfehlung zur Umsetzung einer DNS-Sperre. (pdf) Abgerufen am 13. März 2021.
- CUII: Internetzugangsanbieter und Rechteinhaber gründen unabhängige „Clearingstelle“. (pdf) 11. März 2021, abgerufen am 13. März 2021.
- Bundeskartellamt: Bundeskartellamt hat keine Einwände gegen Start der Clearingstelle Urheberrecht im Internet. 11. März 2021, abgerufen am 13. März 2021.
- Piratenpartei: DNS-Sperren – PIRATEN fordern sofortigen Stopp. 13. März 2021, abgerufen am 13. März 2021.
- Felix Reda: Edit Policy: Die CUII-Initiative – private Netzsperren ohne Gerichtsbeschluss. In: Heise online. 15. März 2021, abgerufen am 5. Mai 2021.
- Christian Solmecke: Gefahr für ein freies Internet - Clearingstelle Urheberrecht sperrt Webseiten! 29. März 2021, abgerufen am 29. März 2021.
- Nico Gielen: Im Hinterzimmer zur Netzsperre – Die neue Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII). In: DFN-Infobrief Recht. Forschungsstelle Recht im DFN, Juli 2021, abgerufen am 1. Juli 2021.
- Torsten Kleinz: Erste Websperren seit Jahren. In: Heise online. 29. April 2021, abgerufen am 5. Mai 2021.
- CUII: Mitglieder. Abgerufen am 13. März 2021.
- Torsten Kleinz: Urheberrechtsverletzungen auf Streaming-Sites: Neuer Anlauf für DNS-Sperren. Heise Online, 11. März 2021, abgerufen am 13. März 2021.
- Empfehlung zur Umsetzung einer DNS-Sperre canna.to. Abgerufen am 14. April 2021.
- Empfehlung zur Umsetzung einer DNS-Sperre nsw2u.com. Abgerufen am 31. Mai 2021.
- Empfehlung zur Umsetzung einer DNS-Sperre Newalbumreleases.net. Abgerufen am 3. August 2021.
- Empfehlung zur Umsetzung einer DNS-Sperre BS.to. Abgerufen am 9. September 2021.
- Empfehlung zur Umsetzung einer DNS-Sperre Streamkiste.tv. Abgerufen am 9. September 2021.