Christusgemeinschaft
Christusgemeinschaft ist der Name einer religiösen Sondergemeinschaft, die besonders im Bereich des katholischen Bistums Osnabrück tätig ist. Die Christusgemeinschaft wurde Anfang der 1980er Jahre von der damaligen Thuiner Ordensschwester Stephanie Bensmann und Pfarrer Gerhard Stenzaly gegründet.
Nach eigenen Angaben ist das Hauptanliegen der Christusgemeinschaft, die Gemeinschaft mit Christus im Alltag zu stärken. Schwerpunkt sei dabei die Förderung der eucharistischen Anbetung. Hierzu zähle beispielsweise das Angebot der „Herz-Jesu-Katechesen“, die einmal im Monat stattfinden. Diese Veranstaltungen dauern vom Freitagnachmittag bis zum Sonntagabend. Während der stillen Anbetung am Freitagnachmittag werde die Gelegenheit zur Beichte gegeben. Abends finde dann eine Katechese mit anschließender Aussprache und eine heilige Messe statt. Am nächsten Morgen treffe man sich dann, um sich in Kleingruppen über die Katechese auszutauschen und weitere Anregungen zum geistlichen Leben zu erhalten. Der Tag münde in einer nächtlichen Anbetung bis zum Sonntagmorgen mit abschließender heiliger Messe. Außerdem treffe sich die Gemeinschaft auch an jedem Mittwochabend zur eucharistischen Anbetung. Es würden auch geistliche Wochenenden oder Ferienkurse angeboten. Die Gemeinschaft habe ein eigenes Repertoire an Lobpreis- und Anbetungsliedern, die als Liederbuch herausgegeben würden.
Die Christusgemeinschaft lässt sich zur charismatischen Szene zählen bzw. entstammt dieser.
Die Gemeinschaft ist umstritten. 2005 traten 70 Ordensfrauen aus der Gemeinschaft der Thuiner Franziskanerinnen aus, die offenbar über die Christusgemeinschaft in die Schwesternkongregation gekommen waren, darin aber nicht die von ihnen gesuchte kontemplative Lebensform gefunden hatten.[1][2] Ehemalige Mitglieder berichteten in Leserbriefen an die Osnabrücker Bistumszeitung Kirchenbote von einer „extrem konservativen, wenn nicht als fundamentalistisch einzustufenden religiösen Gemeinschaft“, die für einige „zur Schockerfahrung“ geworden sei. Persönliche Freiheit sei nicht akzeptiert worden, Entscheidungen auch aus dem privaten Umfeld habe man mit dem geistlichen Führer der Gemeinschaft in der jeweiligen Gemeinde absprechen müssen. Die taz berichtet 2005, den meist jungen Mitgliedern sei vom Kontakt zu ihrer Familie abgeraten worden, weil er nicht gut für ihre geistliche Entwicklung sei.[1]
Dies waren schon früher die Gründe für den damaligen Osnabrücker Bischof Ludwig Averkamp, Anfang der 1990er Jahre eine Kommission einzuberufen, in der sich alle Betroffenen zu den Problemen rund um die Christusgemeinschaft äußern konnten. Eine wirkliche Klärung fand aber weder in dieser Zeit statt, noch während der folgenden Bemühungen des heutigen Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode, der den Dialog noch einmal zu intensivieren versuchte. Allein der Vorwurf des Sektierertums konnte entkräftet werden. Die Kommission formulierte aber Forderungen an die Gruppe: unter anderem ein Wechsel des Namens, eine Offenlegung der Aktivitäten und Strukturen sowie ein deutliches Bekenntnis zur Toleranz gegenüber anderen geistlichen Wegen der Jugendlichen, als sie die Christusgemeinschaft beschreite. Zudem äußerte die Kommission „große Sorge“ über eine Polarisierung und Spannung im Klerus und in einigen Gemeinden in diesem Zusammenhang. In diesem Dialog mit dem Bistum scheint es die Christusgemeinschaft versäumt zu haben, die angesprochenen Probleme offen zu klären. Eine kirchenrechtliche Anerkennung verweigerte das Bistum Osnabrück der Gemeinschaft.
Im März 2010 wurde der damalige Pfarrer von Spelle, der als führender Kopf der Christusgemeinschaft galt, durch Bischof Bode seines Amtes enthoben, da gegen ihn der Vorwurf erhoben wurde, im Mai/Juni 1990 als Kaplan in Haren (Ems) eine 14-jährige Messdienerin vergewaltigt zu haben.[3][4] Nach der Vergewaltigung soll sich eine drei Jahre dauernde „sexuelle und gewaltbetonte“ Beziehung mit dem Opfer entwickelt haben.[3] Der Priester räumte eine sexuelle Beziehung ein, wies den Vorwurf einer Vergewaltigung jedoch zurück. Das Landgericht Osnabrück beschloss im September 2011, die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen. Es hieß, die Aussagen der Frau seien zu vage, um eine Gewaltanwendung des Priesters und damit eine Vergewaltigung zu belegen. Eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen kam ebenfalls nicht infrage, da eine solche Tat bereits verjährt wäre.[4] Im Mai 2010 bezeichnete eine seinerzeit 23 Jahre alte Frau sich als weiteres Opfer des Priesters. Indes zog sie ihre Vorwürfe im September 2011 zurück.[5] 2013 entschied das vom Vatikan beauftragte Offizialat des Bistums Münster, dass der Priester keine Leitungsämter mehr übernehmen darf und nicht mehr in der Kinder- und Jugendseelsorge tätig werden darf. Auch entzog es ihm die Beichtvollmacht. Der Priester soll ein psychologisches Gutachten vorlegen, auf dessen Grundlage die Glaubenskongregation entscheiden will, wo und wie der Geistliche künftig tätig sein kann.[6] Das Bistum verfügte 2014, dass dem inzwischen 54-Jährigen in den kommenden drei Jahren als Hilfskraft die Aufgabe zukomme, Material zum Widerstand von Priestern und anderen kirchlichen Mitarbeitern in der Zeit des Nationalsozialismus aufzubereiten und zu erforschen.[7]
Um die Christusgemeinschaft ist es seit diesen Vorkommnissen still geworden.
Einzelnachweise
- Nonnen auf der Flucht
- Katrin Wernke: Achtzig abtrünnige Nonnen brauchen einen neuen Job. In: welt.de. 30. Oktober 2005, abgerufen am 31. Dezember 2020.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: Pfarrer wegen Vergewaltigung angeklagt. 24. August 2010 (Kindesmissbrauch – Pfarrer wegen Vergewaltigung angeklagt)
- Tageszeitung: Gewaltfrage ungeklärt, Tat verjährt, 29. September 2010 (Vorwürfe gegen Priester Gewaltfrage ungeklärt, Tat verjährt)
- Norddeutscher Rundfunk: Sex-Priester kommt erneut davon. 29. September 2011 (Sex-Priester kommt erneut davon (Memento vom 4. September 2012 im Webarchiv archive.today))
- Bistum Osnabrück: Kirchengericht verurteilt ehemaligen Pfarrer. 4. Juli 2013 (Kirchengericht verurteilt ehemaligen Pfarrer)
- http://www.noz.de/deutschland-welt/niedersachsen/artikel/481984/verurteilter-priester-aus-spelle-soll-ns-akten-aufarbeiten