Chālid ibn al-Walīd
Chālid ibn al-Walīd (arabisch خالد بن الوليد, DMG Ḫālid ibn al-Walīd auch Khaled Ebn El-Walid, * um 584 in Mekka; † 642 in Homs) war ein Gefährte Mohammeds und einer der bedeutendsten arabischen Feldherren während der Ridda-Kriege und bei den frühen islamischen Eroberungszügen. Auf Grund seiner militärischen Erfolge soll ihm Mohammed den Beinamen „Schwert Gottes“ (Saif Alllāh) verliehen haben.
Leben bis zum Tode des Propheten
Chālid ibn al-Walīd entstammte der Sippe Banū Machzūm vom Stamm der Quraisch in Mekka. Er gehörte zunächst zu den Gegnern des Propheten Mohammed und besiegte als Reiterführer von Mekka die Muslime 625 in der Schlacht von Uhud. Im Frühjahr 629 trat er aber zum Islam über. In der Folgezeit wurde er ein wichtiger Heerführer Mohammeds. So rettete er in der Schlacht bei Muʾta im September 629 die Muslime vor der Umzingelung durch die Byzantiner.
Nach der Einnahme von Mekka im Januar 630 fiel er allerdings einige Zeit beim Propheten in Ungnade. Grund dafür war die Affäre um die Banū Dschadhīma. Sie waren ein Clan des Stammes Kināna, der im Südosten von Mekka lebte. Im Februar 630 wurde Chālid von Mohammed mit einem Trupp von 350 Mann zu den Banū Dschadhīma gesandt, um sich ihrer Loyalität zu versichern. Obwohl es sich um ein friedliches Unternehmen handelte und die Banū Dschadhīma erklärten, bereits den Islam angenommen zu haben, ging Chālid gewaltsam gegen sie vor und tötete einige Männer von ihnen. Hierbei spielte es offensichtlich eine Rolle, dass Angehörige der Kināna zuvor einen Onkel und einen Bruder von ihm getötet hatten. Chālids Verhalten löste in Mekka allgemeine Empörung aus. Zur Beschwichtigung der Kritiker maßregelte der Prophet Chālid öffentlich. Chālid zog sich eine Zeitlang zurück, wurde dann aber wieder vom Propheten mit Wohlgefallen aufgenommen. Bei dieser Gelegenheit soll ihm Mohammed den Beinamen „Schwert Gottes“ verliehen haben.[1]
Beim Feldzug nach Tabūk führte die Chālid die Vorhut.[2] Im Oktober 630 wurde er mit 420 Reitern zu der Oase Dūmat al-Dschandal geschickt, die zu dieser Zeit von dem christlichen Stammeskönig (malik) Ukaidir ibn ʿAbd al-Malik aus dem Stamm der Kinda beherrscht wurde. Er konnte die Oase einnehmen und den König gefangen nehmen. Der Oase wurde eine jährliche Dschizya-Zahlung auferlegt.[3]
Rolle während der Ridda-Kriege
Als nach dem Tod Mohammeds die Ridda-Kriege ausbrachen, stellte ihn der Kalif Abū Bakr an die Spitze einer Armee, die gegen den aufständischen Stammeschef der Asad, Tulaiha ibn Chuwailid, und seine Verbündeten aus den Stämmen der Taiyi' und Ghatafān sowie anschließend gegen den abtrünnigen Dichter und Stammeschef Mālik ibn Nuwaira von den Yarbūʿ kämpfen sollte.[4]
Sieg bei Buzācha
Noch bevor die beiden Kampfverbände von Chālid und Tulaiha bei Buzācha im Nadschd aufeinandertrafen, wechselten die Taiyiʾ nach Verhandlungen auf die Seite von Chālid über. Zusammen mit den neu gewonnenen Verbündeten errang Chālid auf dem Schlachtfeld einen glänzenden Sieg über Tulaiha und dessen Verbündeten ʿUyaina ibn Hisn von den Ghatafān.[5] Nach dem Sieg von Buzācha verteilte Chālid die erbeuteten Waffen unter seinen Kämpfern, gliederte seine Armee in verschiedene Abteilungen und schickte diese in unterschiedliche Richtungen.[6] Eine dieser Abteilungen wurde unter der Führung eines Mannes von den Tamīm gegen den Stammesverband der ʿĀmir ibn Saʿsaʿa geschickt.[7]
Die Affäre um Mālik ibn Nuwaira
Eine andere Abteilung stieß im Spätherbst 632 auf zwölf Männer von den Yarbūʿ, unter denen sich auch Mālik ibn Nuwaira befand. Die Männer leisteten keinen Widerstand, erklärten, dass sie selbst Muslime seien, und wurden zu Chālids Lager in al-Butāh gebracht. Obwohl einige von Chālids Männern für die Gefangenen Fürsprache einlegten, mit dem Argument, dass sie als Muslime unverletzlich seien, ließ Chālid sie hinrichten. Wenig später heiratete Chālid Māliks Witwe Umm Tamīm, die als besonders schön galt.[8]
Als ʿUmar ibn al-Chattāb von diesem Verhalten hörte, drängte er Abū Bakr, Chālid wegen der Ermordung eines Muslims und aufgrund des von ihm begangenen Zinā-Vergehens (er hatte nicht die ʿidda-Warteperiode eingehalten) hinzurichten oder zumindest abzusetzen.[9] Andere machten ihm schwere Vorwürfe, dass er einige der angeblichen Apostaten zur Abschreckung der Stämme gefoltert und verbrannt habe.[10] In der islamischen Geschichtsschreibung wurde Chālids hartes Vorgehen gegen Mālik zum Teil damit gerechtfertigt, dass Mālik im Gespräch mit Chālid den Propheten Mohammed als "Euer Mann" bezeichnet, also eine Ausdrucksweise verwendet hatte, die darauf hindeutete, dass er außerhalb der muslimischen Gemeinschaft stand.[11]
Abū Bakr hielt in der Affäre um Mālik ibn Nuwaira seine schützende Hand über Chālid, so dass er seine militärischen Unternehmungen danach weiter fortsetzen konnte. In diesem Zusammenhang werden von ihm die Worte überliefert: „Niemals werde ich der sein, der ein Schwert in die Scheide steckt, das Gott (gegen die Ungläubigen) gezogen hat.“[12]
Schlacht bei ʿAqrabāʾ
Chālid führte auch bei der größten Schlacht innerhalb der Ridda-Kriege, derjenigen nämlich in der Ebene ʿAqrabāʾ in der Yamāma im Frühjahr 633, den Oberbefehl über die muslimische Armee. Chālids Gegner waren hier Musailima und die mit ihm verbündeten Banū Hanīfa. Wegen der großen Anzahl von Gefallenen wird der Ort auch als „Garten des Todes“ bezeichnet. Die islamischen Quellen berichten, dass Chālids Armee aus Muhādschirūn, Ansār und Angehörigen verschiedener Stämme bestand und Schurahbīl ibn Hasana seine Vorhut anführte. Al-Balādhurī berichtet, dass sich die Ansār lange gegen einen Angriff auf die Banū Hanīfa weigerten, dann aber doch darin einwilligten. Während der Kämpfe soll es im muslimischen Lager zu Spannungen zwischen den Beduinen und den Städtern gekommen sein, die sich gegenseitig Feigheit vor dem Feind vorwarfen.[13] Nach dem schließlich doch errungenen Sieg über Musailima ergaben sich die Banū Hanīfa und schlossen einen Friedensvertrag mit Chālid.[14] Er heiratete kurz danach Muddschāʿa, die Tochter eines Stammeschefs der Banū Hanīfa, der den Vertrag ausgehandelt hatte.
Nach dem Bericht von Saif ibn ʿUmar traf nach Schließung des Friedensvertrags ein Brief von Abū Bakr ein, in dem dieser Chālid aufforderte, alle erwachsenen Männer der Banū Hanīfa hinzurichten. Chālid hielt sich jedoch an das den Banū Hanīfa gegebene Wort. Dies brachte wiederum die Ansār gegen ihn auf, die sich um ihre Beute betrogen sahen und ihn verdächtigten, wegen seiner Ehefrau zu den Banū Hanīfa zu halten.[15] Sie beschwerten sich beim Kalifen, woraufhin ʿUmar erneut Chālids Absetzung forderte.[16]
Eroberungen im Vorderen Orient
Im Frühsommer 633 zog Chālid im Auftrag von Abū Bakr in Richtung Irak und eroberte die Städte al-Hīra, das damals den Lachmidenfürsten als Residenz diente, und al-Anbār, zu jener Zeit die zweitgrößte Stadt des Irak. Dann griff er die 90 Kilometer weiter südlich gelegene Grenzfestung ʿAin at-Tamr an, überwältigte deren Garnison und machte zahlreiche Gefangene, die nach Medina überführt wurden. In ʿAin at-Tamr erhielt Chālid den Auftrag, zu der Oase Dūmat al-Dschandal zu marschieren, wo der christliche Stammeschef Ukaidir ibn ʿAbd al-Malik seine Loyalität gegenüber Medina aufgekündigt und zusammen mit einer Koalition arabischer Stammesgruppen ein Zentrum des Widerstands gegen die muslimische Herrschaft aufgebaut hatte. Chālid konnte mit seinen Truppen diese Koalition besiegen; Ukaidir fiel in der Schlacht.[17]
Als sich eine größere Konfrontation der in Syrien operierenden Truppen mit der byzantinischen Armee ankündigte, forderte Abū Bakr den noch im Irak weilenden Chālid auf, sich eilends zu ihrer Verstärkung nach Syrien zu begeben. Am 24. April des Jahres 634 tauchte er mit seinen Truppen überraschend bei den christlichen Ghassaniden auf, die in der Ebene Mardsch Rāhit nördlich von Damaskus gerade das Osterfest feierten.[18] Die beiden arabischen Heere vereinten sich im Süden Syriens, und gemeinsam konnte man die Stadt Bosra einnehmen. Unter Chālids Oberbefehl besiegten die Araber am 30. Juli 634 ein byzantinisches Heer, das ihnen bei Adschnadain in Palästina entgegentrat.
Nachdem ʿUmar 634 die Herrschaft übernommen hatte, entzog er Chālid den Oberbefehl über die Truppen in Syrien, doch handelte Chālid bei der Eroberung von Damaskus im Sommer 635 noch den Kapitulationsvertrag mit der Stadt aus. Kurz danach erfolgte die Kommandoübergabe an Abū ʿUbaida ibn al-Dscharrāh.[19] Die Gründe für Chālids Absetzung durch ʿUmar sind nicht vollständig klar. Zu den Motiven, die genannt werden, gehören der Groll ʿUmar's aufgrund der Mālik-Affäre, die besondere Nähe ʿUmars zu Abū ʿUbaida sowie die Eigenmächtigkeit Chālids beim Umgang mit Geld.[20] Später zog ʿUmar auch einen Teil von Chālids Privatvermögen ein.[21]
Literatur
- Khalil ʿAthamina: “The Appointment and Dismissal of Khālid b. Al-Walīd from the Supreme Command: A Study of the Political Strategy of the Early Muslim Caliphs in Syria” in Arabica 41/2 (1994) 253–272.
- Patricia Crone: Art. Khālid b. al-Walīd. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition Bd. IV, S. 928–929.
- Fred McGraw Donner: The early Islamic Conquests. Princeton 1981.
- Klaus Klier: Ḫālid und ʿUmar: Quellenkritische Untersuchung zur Historiographie der frühislamischen Zeit. (Islamkundliche Untersuchungen 217) Berlin 1998. Digitalisat
- Elias Shoufany: Al-Riddah and the Muslim Conquest of Arabia. University of Toronto Press, Toronto 1973.
Belege
- Vgl. zu dieser Episode Klier: Ḫālid und ʿUmar: Quellenkritische Untersuchung. 1998, S. 30–66.
- Klier: Ḫālid und ʿUmar: Quellenkritische Untersuchung. 1998, S. 20.
- W. Montgomery Watt: Muhammad at Medina. Oxford 1956. S. 114f.
- Vgl. Shoufany 116.
- Vgl. Shoufany 118.
- Vgl. Shoufany 120, 125.
- Vgl. Shoufany 125.
- Vgl. Klier: Ḫālid und ʿUmar: Quellenkritische Untersuchung. 1998, S. 103–105
- Vgl. Klier: Ḫālid und ʿUmar: Quellenkritische Untersuchung. 1998, S. 105–107 und Shoufany 124.
- Vgl. Shoufany 124.
- Vgl. Ella Landau-Tasseron: Art. Mālik ibn Nuwaira. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition Bd. VI, S. 267a–269a. Hier S. 268a.
- Zit. Klier: Ḫālid und ʿUmar: Quellenkritische Untersuchung. 1998, S. 105.
- Vgl. Shoufany 128–130.
- Vgl. Shoufany 125f.
- Vgl. Shoufany 130.
- Vgl. Shoufany 131.
- Vgl. Donner 176–190.
- Vgl. Donner 124.
- Vgl. Klier: Ḫālid und ʿUmar: Quellenkritische Untersuchung. 1998, S. 161f.
- Vgl. Klier: Ḫālid und ʿUmar: Quellenkritische Untersuchung. 1998, S. 216.
- Vgl. Klier: Ḫālid und ʿUmar: Quellenkritische Untersuchung. 1998, S. 189.