Château Figeac
Das Château Figeac ist eines der bedeutendsten und traditionsreichsten Weingüter der französischen Gemeinde Saint-Émilion in der Region von Bordeaux. In der Hierarchie der Rotweine von Saint-Émilion gehört es als Premier Grand Cru Classé B der zweithöchsten Stufe an (siehe auch den Artikel Bordeauxwein (Klassifikation)).
Lage, Boden und Rebsorten
Das Château befindet sich im äußersten Nordwesten des Gebietes der Appellation von Saint-Émilion, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gemeinde Pomerol. Die 40 Hektar großen Weinberge profitieren von einer geologischen Besonderheit: Sie liegen auf bis zu sieben Meter dicken Kiesablagerungen, die der Fluss Isle in der Günz-Eiszeit aus dem Zentralmassiv herangeführt hat. Château Figeac teilt sich seinen Besitz mit den benachbarten Châteaux Cheval Blanc, La Tour-Figeac und La Dominique. Die Besitzerfamilie von Figeac leistet sich den Luxus eines 13 Hektar großen Parks.
Der vom übrigen Saint-Émilion gänzlich verschiedene Bodentyp hat auch eine andere Rebsortenwahl zur Folge. Während im übrigen Gebiet der Appellation überwiegend Merlot angebaut wird, nimmt diese Rebsorte beim Figeac nur 30 % ein. Der Kiesboden eignet sich mehr für den Anbau von Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc, auf die jeweils 35 % entfallen. Daher wird der Château Figeac auch als der Médoc-Wein von Saint-Émilion bezeichnet. Der Rebsortenspiegel ist die Frucht von Versuchen, mit denen der Besitzer Thierry Manoncourt in den Fünfzigerjahren begann. Er füllte separat vinifizierte Rebsorten der einzelnen Lagen in Flaschen, um ihr jeweiliges Entwicklungspotenzial zu ermitteln. Aufgrund der Ergebnisse wurde der Malbec eliminiert und der Anteil der Cabernets stark erhöht.
Der Wein
Weinbereitung
Im Château Figeac gelten die Qualitätsmaßstäbe der großen Bordeaux'. Das mittlere Alter der Reben liegt bei 35 Jahren, der Ertrag pendelt um die 40 hl/ha. Die Arbeit im Weinberg folgt den Regeln des integrierten Anbaus. Die Trauben werden von Hand gelesen, entrappt und im Keller nochmals mehrfach nachsortiert. Die Gärung findet heute wieder in Eichenbottichen statt. Château Figeac war in den Sechzigerjahren einer der Pioniere des Einsatzes von Edelstahltanks, diese werden heute nur noch für den Zweitwein La Grange Neuve de Figeac sowie für die Assemblage vor der Abfüllung verwendet. Seit 1998 erfährt der Wein vor Beginn der Gärung eine mehrtägige Präfermentation bei 14 °C. Vergärt wird ausschließlich mit natürlichen Hefen. Der Tresterhut wird bei der Maischegärung eingetaucht und mehrmals aufgelockert. Auch wenn die Maischestandzeit verlängert wurde, wird nach wie vor eher Finesse als Konzentration angestrebt. In den „Grand Vin“ geht auch der Wein der schonenden ersten Pressung ein, die zweite Pressung kommt in den Zweitwein.
Ausbau
Der Wein wird zügig und ohne Filterung in Barriquefässer transferiert, wo er 18 Monate lang verbleibt. Verwendet wird ausschließlich neues Holz. Alle drei Monate wird der Wein abgezogen. Geschönt wird mit Eiweiß, und die Flaschenabfüllung erfolgt ohne Filterung. Der 1971 erbaute Flaschenkeller wurde so konzipiert, dass der Wein ausschließlich mittels der Schwerkraft abgefüllt werden kann. Insgesamt werden jährlich rund 160.000 Flaschen Château Figeac und 65.000 Flaschen des Zweitweines erzeugt. Sie werden ausschließlich als „Primeur“ an Großhändler verkauft. Lediglich für spätere Degustationen verbleiben 200–300 Kisten im Château.
Charakter und Jahrgänge
Der Château Figeac ist einer der herausragenden Rotweine von Bordeaux. Seinen Geschmack charakterisieren reiche Aromen roter Früchte, Töne von Konfitüre und eine würzige Fülle. Trotz seiner kräftigen Tannine wirkt er im Mund geschmeidig und rund. Er zeichnet sich durch große Nachhaltigkeit aus. Typisch für ihn ist, dass er anfangs recht leicht wirkt, sich seine Intensität aber an der Luft stetig steigert.
Der Merlot-Anteil macht ihn schon nach kürzerer Zeit zugänglich, seine Struktur erlaubt ihm aber, in der Flasche jahrzehntelang zu reifen. Bekannt ist er dafür, dass sich auch kleinere Jahrgänge sehr positiv entwickeln. Als große Jahrgänge können 2005, 2000, 1998, 1995, 1990, 1989, 1986, 1982, 1966, 1964 und 1949 gelten. Laut Michael Broadbent zählt auch der 1971er zu den Lieblingsweinen des Besitzers.
Geschichte
Die Ursprünge des Gutes liegen wohl in römischer Zeit, zumindest wird sein Name auf eine gallo-römische Villa des 2. Jahrhunderts namens Figeacus zurückgeführt. Der Besitz bestand das ganze Mittelalter hindurch und gehörte nacheinander verschiedenen führenden Familien der Region. Die ältesten Partien des Schlossgebäudes stammen aus dem 15. Jahrhundert. Im 17. Jahrhundert kam es an die Familie Carle, deren Mitglied François de Carle von Ludwig XIV. zum Bürgermeister von Saint-Émilion auf Lebenszeit ernannt wurde. Im 18. Jahrhundert baute Élie de Carle das Château Figeac zum großen Weingut aus. Er ließ auch das Schloss erneuern. Damals umfasste das Gut 250 Hektar Weinberge, Wälder und Weideland. Der Wein wurde an begüterte Kunden in ganz Europa geliefert. Nach seinem Tod brachte der aufwändige Lebensstil seiner Witwe das Gut jedoch in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Nach und nach wurden Teile verkauft, aus denen dann später selbst berühmte Weingüter hervorgingen: Château Beauregard und Château La Conseillante in Pomerol, Château Cheval Blanc und Château La Marzelle in Saint-Émilion. Einige führen Figeac noch heute in ihrem Namen, so Château La Tour-Figeac oder Château La Tour du Pin-Figeac.
Das restliche Gut wechselte im 19. Jahrhundert mehrmals den Besitzer. Mehltau und Reblaus setzten dem Weinbau zusätzlich zu, so dass Château Figeac seinen führenden Rang unter den Bordelaiser Weinen verlor. 1896 kaufte es André Villepigue, der Urgroßvater von Thierry Manoncourt. Dieser war noch ein junger Agraringenieur, als ihm 1947 die Bewirtschaftung des Gutes übertragen wurde. Seine beharrliche, wissenschaftlich untermauerte Arbeit an Weinbergen und Keller brachte Château Figeac wieder seinen früheren Rang zurück. Seit 1988 unterstützt ihn dabei sein Schwiegersohn Eric d'Aramon, der behutsame Änderungen in der Weinbereitung einführte.
Sein großes Ziel hat Thierry Manoncourt allerdings nicht erreicht: die Aufnahme in die absolute Spitze der Premier Grand Cru Classés A von Saint-Émilion. Bei der turnusmäßigen Revision der Klassifizierung im Jahr 1995 wurde ihm dieser Aufstieg mit dem Argument versagt, der Château Figeac sei nicht teuer genug! Das mag auch daran liegen, dass er bei Robert Parker weniger hoch im Kurs steht. Château Figeac legt Wert auf die Feststellung, dass diesem keine Probe des Jahrgangs 2004 geschickt wurde. Die 2006er Revision brachte Château Figeac zwar die Bestätigung als Premier Grand Cru Classé B, aber dem Aufstieg rückte es nicht näher.
Literatur
- Pierre Casamayor: L'irrésistible ascension d'un rescapé in: Revue du Vin de France No. 430, April 1999, S. 104–108.