Bruus
Bruus, früher Brausebart oder Brusbart, ist ein sehr altes norddeutsches Kartenspiel, das gewöhnlich unter vier Personen gespielt wird. Früher sehr beliebt, ist es heute bis auf einige Orte in Schleswig-Holstein fast ausgestorben. Als Brusbart war es der Stammvater einer ganzen Familie von nordeuropäischen Kartenspielen, z. B. das schwedische Bräus und das dänische Brus, die heute noch gepflegt werden. Bruus selbst ist Nachfahre des uralten Karnöffelspiels. Benannt ist Bruus nach dem zweithöchsten Trumpf, der Herzkönig.
Geschichte
Laut Amelung könnte dieses "altdeutsche Spiel" schon 1650 aufgetaucht sein.[1] Auf jeden Fall geht das Brusbart-Spiel bzw. Brausebartspiel auf Anfang des 18. Jahrhunderts zurück. Schon Mitte desselben hat es sich weit über Nordeuropa ausgebreitet, z. B. nach Polen, Livland und Russland.[2] In der 1770er Jahren tauchen die früheste Erwähnungen auf. Zu dieser Zeit war es so beliebt, dass einer der Spieler in einem norddeutschen Schauspiel ankündigen konnte: "mein leevtes Spill is Bruusbaart”.[3]
Spielregeln
Bei Schwesing in Schleswig gelten heute die folgende Spielregeln.[4]
Vorbereitungen
Gespielt wird mit einer französischen Spielkarte von 36 Blatt. Die vier Spieler bilden zwei Parteien; die Partner sitzen einander gegenüber.
Karten
Die Rangfolge ist wie folgt:[4]
Die Rangfolge der Karten beim Bruus | |||
Matadore | |||
J♣ K♥ 8♠ | |||
Stecher | |||
9♣ 9♠ 9♥ 9♦ A♣ A♠ A♥ A♦ J♠ J♥ J♦ 6♣ 6♠ 6♥ 6♦ | |||
Freikarten | |||
7♣ 7♠ 7♥ 7♦ | |||
Luschen | |||
K♣ K♠ K♦ Q♣ Q♠ Q♥ Q♦ 10♣ 10♠ 10♥ 10♦ 8♣ 8♥ 8♦ |
Die drei Matadore sind der Kreuzbube (Spitz), die höchste Karte, der Herzkönig (Bruus) und die Pikacht (Tolle Hund, Toller oder Dulle). Die Rangfolge der Stecher und Siebener gilt immer: Kreuz > Pik > Herz > Karo.
Die Luschen sind praktisch wertlos und können nie stechen. Die Siebener als sog. Freikarten sind auch wertlos, außer wenn man eine derselben ausspielt. Beim letzten Fall kann sie nur von einer höherrangigen 7 gestochen werden.
Spielen
Gespielt wird immer im Uhrzeigersinn. Wer zuerst gibt, mischt die Karten und lässt nach rechts abheben. Der Abheber muss die unterste Karte sehen und sie dem Geber zeigen. Nach dem Abheben schaut der Geber ebenfalls die jetzt unterste Karte an und zeigt sie dem Abheber. Ist eine gezeigte Karte einer der drei Matadore, werden die Karten wieder gemischt. Jeder bekommt 3 Blatt, entweder einzeln oder en bloc. Der Stapel wird in die Mitte gelegt.
Die Vorhand spielt zuerst aus. Der Spieler kann jederzeit eine beliebige Karte ablegen. Wer hat die höchste Karte gespielt hat, bekommt den Stich, nimmt als erste eine neue Karte und spielt zum nächsten Stich aus. Ein Stich besteht immer aus vier Blatt.
Ziel jeder Partei ist, als erste 5 Stiche zu bekommen. Das zählt einen Punkt oder, wenn die verlierende Partei gar keinen Stich hat (Jann), zwei Punkte. Die Stiche einer Partei werden addiert.
Doppel- und Dreierstiche
Hat ein Spieler zwei Blatt derselben Wertes, kann er beide gleichzeitig ausspielen. Die Hintermänner müssen beide stechen um den Doppelstich zu gewinnen, wobei diese Karten verschiedene Werte haben kann. Kann ein nachfolgender nur eine Karte stechen, hat er den Stich verloren.
Hat ein Spieler drei Blatt derselben Wertes, kann er alle drei gleichzeitig ausspielen, auch wenn er nicht am Zug zum Ausspielen ist. Also übernimmt er die Vorhand. Jeder andere muss jetzt alle drei Karten stechen, um den Dreierstich zu bekommen.
Nach solch ein Doppel- oder Dreierstich müssen entsprechend viele neue Karten aufgenommen werden. Der Gewinner des Stiches zieht zuerst seine zwei oder drei Karten (solange noch vorhanden) und die andere in der Reihenfolge.
Wagen und Schlagen
Wer die Pikacht oder den Brus, den Herzkönig, ausspielt bzw. ablegt, kann "wagen" und, wenn erfolgreich, bekommt er einen Punkt. Spielt ein Gegner die jeweils nächsthöherene Karte, so hat er "geschlagen" und bekommt zwei Punkte. Er kann, solange es noch einen Gegenspieler gibt, "weiterwagen". Nur wenn der Herzkönig geschlagen hat und sofort von dem Spitz (Kreuzbube) geschlagen wird, gilt das erste "Schlagen" nicht, und der Partei, die den Spitz hat, macht einen "Generalschlag" und bekommt vier Punkte.
Wagen gilt nur, solange Karten in der Mitte liegen, und die nächsthöhere Karte noch nicht gespielt wurde und der Wagende nicht dieselbe auf der Hand hat und noch wenigstens ein Spieler nach ihm am Zug ist.
Wagen und schlagen kann stattfinden auch wenn eine 7 ausgespielt geworden ist, aber die 7 wird nicht damit gestochen.
Abrechnung
Punkte werden durch Streichhölzer "geschrieben" und auf folgende Weise:
Einfacher Gewinn - 1 Holz Doppelter Gewinn (Jann) - 2 Holz Erfolgreiches Wagen - 1 Holz Erfolgreiches Schlagen - 2 Holz Erfolgreiches Schlagen und Weiterwagen - 3 Holz Generalschlag - 4 Holz
Gewonnen hat diejene Partei, die zuerst 12 Holz bekommen hat, auch wenn das mitten im Spiel erfolgt(durch wagen oder schlagen).
Einzelnachweise
- Amelung (1906), S. 181.
- _ (1907), S. 24.
- Gaederk (2011), S. 227.
- Schoon (2020), S. 1–2.
Literatur
- _ (1800). Neues gesellschafliches Liederbuch. 4 Bd. Hamburg: H. C. Zimmer.
- _ (1804). "Mosje Christians Briefe über Hamburg", 2. Brief, in Hamburg und Altona, Vol. III-1.
- _ (1907). Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung, Bd. 28–33. Hamburg.
- _ (1961). Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung, Bd. 84–87. Verein für niederdeutsche Sprachforschung, Hamburg.
- Amelung, F. (1906). "Karten" in Düna-Zeitung No. 131, 19. Jhr., 1906. 10. (23.) Juni.
- Detlefsen, U. (2020). Die Bruus-Spielregeln. Spielregeln des Männergesangvereins "Frohsinn" von 1881 e.V.
- Dummett, Michael (1978). Reviews of "Der Nidwaldener Kaiserjass Und Seine Geschichte" and "Der Kaiserjass, Wie Er Heute in Nidwalden Gespielt Wird" in The Playing Card, Bd. 9, Nr. 4, May 1981.
- Eaton, Paul (2019). "Bruus: the Karnöffel of Schleswig. Part 1" in The Playing-Card, International Playing-Card Society, Bd. 48, Nr. 2, Okt–Dec 2019, S. 61–67.
- Eaton, Paul (2020). "Bruus: the Karnöffel of Schleswig. Part 2" in The Playing-Card, International Playing-Card Society, Bd. 48, Nr. 4, Apr–Jun 2020, S. 126–133.
- Feit, P. (1907). "Erklärung des Brausbartlieds (XXVIII, 23)." In Korrespondenzblatt des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung. Bd. 28. Soltau, Hamburg, Norden und Leipzig: Diedr.
- Frischbier, Hermann (1865). Preußische Sprichwörter und volksthümliche Redensarten, Bd. 1. Adolph Enslin, Berlin.
- Gaederk, Karl Theodor (2011). Das niederdeutsche Schauspiel. Bd. 1: Drama. Europäischer Literatur.
- Grimm, Jacob (1860). Deutsches Wörterbuch. Bd. 2. Leipzig: Hirzel.
- Schnack, E (1911). "Bruus, ein Kartenspiel" in Die Heimat (Monatliche Zeitschrift des Vereins für Naturkunde und regionale Kultur in Schleswig-Holstein), Hamburg, Lübeck und der Fürstentum Lübeck. 21. Jhr., Nr. 11. Nov 1911. AF Jensen, Kiel.
- Schoon, Dietrich (2020). Bruus. Regeln der 1. International Open Schwesing Bruus Turnier, 4. Mar 2020.
- Schütze, Johann Friedrich (1800). Holsteinisches Idiotikon. Bd. 1. Hamburg: Heinrich Ludwig Villaume.
- Zahn, W. (1885). "Niederdeutsche Namen der Spielkarten" in Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung, Bd. 10, S. 69–70.