Boychukismus
Der Boychukismus (ukrainisch Бойчукізм, wiss. Transliteration Bojčukism) bezeichnet ein kulturelles und künstlerisches Phänomen in der Kunstgeschichte der Ukraine, das von den 1910er bis in die 1930er Jahre bestand. Der Name leitet sich von dem Begründer der Bewegung, Mychajlo Bojtschuk, ab.
Geschichte
Entwicklung
Der Boychukismus geht auf die Gründung eines Ateliers für neobyzantinische Kunst in Paris durch Mychajlo Bojtschuk im Jahr 1909 zurück, das zum Ausgangspunkt einer künstlerischen Schule wurde. Die Künstler versuchten die ukrainische Kunst auf der Grundlage der kulturellen Errungenschaften der byzantinischen Kunst und der Kiewer Rus wiederzubeleben. Die Franzosen nannten diese Neuerungen Renovation Byzantine, die später als Schule des ukrainischen Monumentalismus oder Boychukismus bekannt wurde. Bojtschuk und seine Anhänger strebten nach einer Reform der ukrainischen Kunst und der Schaffung eines neuen ukrainischen Stils, der national und eng mit dem Alltagsleben der Menschen verbunden sein sollte. Dazu kehrten sie sich von zeitgenössischen Kunstströmungen ab und nutzten Tempera statt Öl, kollektives statt individuelles Schaffen und besinnten sich auf das historische Erbe statt es zu negieren.[1] Die Boychukisten beherrschten die Techniken der Fresko- und Seccomalerei, d. h. der Verwendung von mit Wachs verdünnten Nass- und Trockenfarben.
In den 1920er Jahren schufen die Anhänger des Boychukismus am Staatlichen Kunstinstitut in Kiew eine Werkstatt nach mittelalterlichem Vorbild, in der der künstlerische Schaffensprozess von der Herstellung der Farben und Pinsel bis zu den fertigen Werken gemeinschaftlich erfolgte. Sie glaubten daran, dass ihr Schaffen dazu beitrug, eine ideale Gesellschaft zu errichten.
Repressionen
Die ideologischen und künstlerischen Grundsätze der Boychukisten passten nicht in den kanonisierten Rahmen der "sowjetischen Kunst", weshalb radikale Sozialisten den Vorwurf erhoben, dass die Künstler das Bild des sowjetischen Volkes und der sozialistischen Realität verfälschen würden. Zu Beginn der 1920er und 1930er Jahre verschärften die bolschewistischen Behörden den Kampf gegen die Kulaken auf dem ukrainischen Land. Aufgrund der Dominanz des bäuerlichen Themas in den Werken der Boychukisten wurden sie beschuldigt, das bürgerlich-kulakische Element sowie Nationalismus und Formalismus zu propagieren.
Die Werke der Boychukisten wurden bis auf wenige Ausnahmen zerstört. Zu den hinterbliebenen Werken zählen vor allem skizzenhafte Werke.
Merkmale
Der Boychukismus strebte nach einer Synthese von ukrainischer Volkskunst und der kirchlichen Kunst von Byzanz. Der künstlerische Stil zeichnet sich durch kompositorische Klarheit, hohe Plastizität, ornamentale Flächigkeit, strenge und ausgewogene, rhythmische und farbige Harmonie sowie die Einfachheit der Zeichnung und die rationale Anordnung der Massen und Linien aus.
Die Boychukisten lehnten den vorherrschenden Einfluss des Naturalismus ab und strebten nach einer nationalen ukrainischen Identität. Thematisch dominierten bäuerliche Sujets.
Zu den wichtigsten Vertreten neben Mychajlo Bojtschu zählen Tymofiy Boychuk, Vasyl Sedlyar, Ivan Padalka, Sofiia Nalepinska, Oksana Pavlenko, Antonina Ivanova, Mykola Rokytskyi, Serhiy Kolos und Okhrim Kravchenko.
Ausstellungen
Eine erste retrospektive Ausstellung namens Boychuk and Boychukists, Boychukism fand in der Lemberger Nationalen Kunstgalerie und im Staatlichen Museum der bildenden Künste der Ukraine statt, wobei die Kuratorin Olena Ripko eine museale Rehabilitierung des Stils vornahm.
2017/2018 fand zudem die Ausstellung Boychukism. Great Style ‘Project‘ im Mystetskyj Arsenal in Kiew statt, in der mehr als 300 Gemälde, Grafiken und Mosaike gezeigt wurden.
Weblinks
Einzelnachweise
- BOYCHUKISM. Great style project. In: Арсенал. Abgerufen am 26. Februar 2022 (britisches Englisch).