Borgward IV
Der Borgward IV (vollständige Bezeichnung: Schwerer Ladungsträger Borgward B IV; militärische Bezeichnung bei der Wehrmacht: Sonderkraftfahrzeug 301 (Sd.Kfz. 301)) war ein Kettenfahrzeug der Wehrmacht, das ferngesteuert eine Sprengladung an einem Ziel absetzen konnte. Es entstanden 1193 Exemplare des Borgward IV.[1]
Borgward IV | |
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Allgemeine Eigenschaften | |
Besatzung | 1 Fahrer |
Länge | 3658 mm oder 3962 mm |
Breite | 1829 mm |
Höhe | 1397 mm |
Masse | 3600 kg oder 4500 kg |
Panzerung und Bewaffnung | |
Panzerung | max. 20 mm |
Hauptbewaffnung | 363 kg, 450 kg oder 500 kg Sprengladung |
Sekundärbewaffnung | keine |
Beweglichkeit | |
Antrieb | Borgward 6-Zylinder-Reihenottomotor mit Wasserkühlung 51 kW, 57 kW oder 60 kW |
Federung | Drehstabfederung |
Geschwindigkeit | 50 km/h (Straße) |
Leistung/Gewicht | |
Reichweite | 120 km |
Geschichte
Insgesamt gab es bei der Wehrmacht drei verschiedene Ladungsträger: Den leichten Ladungsträger Goliath (Sd.Kfz. 302/303a/303b), den mittleren Ladungsträger Springer (Sd.Kfz. 304) und den schweren Ladungsträger Borgward IV (Sd.Kfz. 301). Dabei war der Borgward IV das größte dieser Fahrzeuge und als einziges in der Lage, die Sprengladung vor der Detonation abzusetzen und aus der Gefahrenzone zurückzufahren. Die beiden kleineren Ladungsträger wurden bei der Detonation ihrer Sprengladung jeweils mit zerstört.
Ursprünglich entwickelte die Firma Borgward den Borgward IV als Munitionsschlepper. Das Fahrzeug erwies sich in der ihm zugedachten Rolle aber als untauglich. Auch die Alternative als ferngelenkter Minensucher erwies sich für das Fahrzeug als nicht tragbar, da es in den meisten Fällen verloren ging. Dafür war es einfach zu teuer. Das Heereswaffenamt entschied deshalb 1941, den Borgward IV zum ferngelenkten Ladungsträger umzubauen. 1942 wurden die ersten Fahrzeuge an das Heereswaffenamt übergeben. Das Fahrzeug selbst war bedeutend größer als der Goliath und konnte auch eine wesentlich größere Sprengladung transportieren. Das Fahrzeug wurde per Funkbefehl zum Zielort geführt. Dort wurde die Sprengladung abgeworfen und das Fahrzeug per Funk aus dem Gefahrenbereich zurückgezogen. Im Gegensatz zum Goliath, der von vornherein per Funk gesteuert wurde, musste der Borgward IV von einem Fahrer relativ lange selbst zum Zielort geführt werden. War der Fahrer nahe genug an das Ziel herangekommen, saß er ab und führte das Fahrzeug per Funk weiter. Dadurch begab sich der Fahrer in enorme Gefahr. Der Borgward IV war zwar gepanzert, aber ab 1942/43 war dessen Panzerdicke nicht mehr ausreichend. Zudem war er wesentlich größer als der Goliath und wurde deshalb auch schneller erkannt und bekämpft. Es wurden drei Varianten gefertigt und als Ausführungen A, B und C bezeichnet. Von ersterer wurden 613 Stück gebaut, von den anderen beiden 565. Die Ausführungen unterschieden sich im wesentlich in der Reichweite der Sende-/Empfangsanlage und Änderungen an der Panzerung. Das Gegenstück Goliath wurde in mehr als 6200 Stück aller Varianten gefertigt. Zum Kriegsende wurden auch improvisierte Panzerjäger mit je 6 Stück Panzerschreck gebaut.
Technik
Der Borgward IV ist ein kettengetriebenes und gepanzertes Fahrzeug. Es ist etwa 3658 mm (US-Bericht)[2] oder 3962 mm (Bradford)[3] lang, 1829 mm breit und 1397 mm hoch.[2] An der Vorderseite ist es mit 10 mm starken Panzerplatten gepanzert, an den Seiten mit insgesamt 13 mm starken Platten.[2] An der stärksten Stelle ist die Panzerung bis zu 20 mm stark.[4] Die Masse des Borgward IV beträgt laut Bradford und US-Bericht ca. 3600 kg[3][2], im HGM Wien ist die Masse mit 4500 kg angegeben.[4] Davon stark abweichend spricht Tarczyński von 5000 kg.[5] Fritz Trenkle schreibt, dass es unterschiedliche Ausführungen mit Massen von 4000 kg bis 6000 kg gab.[1] Das Fahrzeug hat eine geschweißte Panzerwanne, die in drei Segmente unterteilt ist. Im Heckbereich ist der Motor mitsamt Fahrzeughydraulik und Funkausrüstung eingebaut. In einem der vorderen Segmente ist das Getriebe eingebaut, daneben ist der Fahrerplatz im dritten Segment.[2] Angetrieben wird das Fahrzeug von einem wassergekühlten Reihensechszylinderottomotor mit 3745 cm³[4][5] Hubraum und OHV-Ventilsteuerung, der Laut US-Bericht eine Leistung von 80 hp (60 kW)[2] entwickelt, im HGM ist die Leistung mit 70 PS (51 kW) angegeben.[4] Tarczyński nennt eine Leistung von 57 kW.[5] Vom Motor wird das Drehmoment über eine Nasskupplung auf das Getriebe übertragen, das einen lang übersetzten Gang und einen Kriechgang hat. In beiden Gängen kann vorwärts und rückwärts gefahren werden. Vom Getriebe wird das Drehmoment über vier Stirnräder auf die vorderen Antriebsräder übertragen. Das Fahrzeug hat Drehstabfedern. Je Seite laufen die Gleisketten in fünf Rädern, sie werden mittig geführt. Die Laufflächen sind demontierbar und aus Gummi, die Breite beträgt ca. 200 mm.[2] Damit kann der Borgward IV ca. 50 km/h schnell fahren.[4] Die Sprengladung ist an der Fahrzeugfront angebracht und kann abgesenkt und abgesetzt werden.[2] Über die Sprengladung gibt es unterschiedliche Angaben, im HGM ist die Masse mit 500 kg Ekrasit angegeben,[4] der US-Bericht spricht von 800 lb (363 kg),[2] George Bradford und Fritz Trenkle geben wie das HGM 500 kg an.[3][1] Weitere Quellen nennen 450 kg.[6] Die Funkfernsteuerung arbeitet mit einem Überlagerungsempfänger mit Amplitudenmodulation und einer Frequenz von 24,6 MHz. Die Zwischenfrequenz beträgt 0,464 MHz.[2]
Funde
Am 31. März 2010 wurde bei Abbruch- und Erdarbeiten am Wiener Südbahnhof neben anderen Kriegsrelikten aus der Schlacht um Wien auch ein gut erhaltener Borgward IV Ausführung C[7] gefunden. Er wurde von Experten des Heeresgeschichtlichen Museums Wien geborgen, dort gereinigt und konserviert und wird nunmehr in der Dauerausstellung des Museums gezeigt.[8][9]
Museale Rezeption
In folgenden Museen sind schwere Ladungsträger vom Typ Borgward IV ausgestellt:
- Overlord Museum Normandie
- Heeresgeschichtliches Museum, Wien
- Deutsches Panzermuseum, Munster
Siehe auch
- SWORDS, ein aktuelles Gerät der US-Streitkräfte
Literatur
- Thomas Ilming: Die „Wunderwaffe“ unter dem Südbahnhof: Borgward B IV c, in: Viribus Unitis, Jahresbericht 2010 des Heeresgeschichtlichen Museums. Wien 2011, S. 150–156, ISBN 978-3-902551-19-1
- Alexander Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg. Infanteriewaffen, ungepanzerte Fahrzeuge, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie, Spezialwaffen, Flugzeuge, Schiffe. Parragon Books, Bath 2007, ISBN 978-1-4054-8584-5.
- Markus Jaugitz: Die deutsche Fernlenktruppe. Teil 1: 1940–1943. Podzun-Pallas, Wölfersheim-Berstadt 1994, ISBN 3-7909-0502-X, (Waffen-Arsenal Special 10).
- Markus Jaugitz: Die deutsche Fernlenktruppe. Teil 2: 1943–1945. Podzun-Pallas, Wölfersheim-Berstadt 1995, ISBN 3-7909-0529-1, (Waffen-Arsenal Special 12).
Weblinks
Einzelnachweise
- Fritz Trenkle: Die deutschen Funklenkverfahren bis 1945. Hüthig. 1987. S. 154
- RADIO CONTROLLED DEMOLITION VEHICLE – B IV
- George Bradford: German Late War Armored Fight Vehicles. Stackpole Books. 2006. ISBN 978-0-8117-3355-7. S. 28
- Beschreibung des Fahrzeuges im Heeresgeschichtlichen Museum (kleines Schild, im Bild rechts zu sehen)
- Jan Tarczyński: Pojazdy Armii Krajowej w Powstaniu Warszawskim: szkic historyczny. Wydawn. Komunikacji i Łączności, 1994. ISBN 9788320611212. S. 27
- Uwe Feist, Robert Johnson, Kurt Rieger: Die Wehrmacht, Volume 2, Band 2. Battle Born Books. 2008. ISBN 978-0-615-22233-2. S. 173
- Heeresgeschichtliches Museum / Militärhistorisches Institut (Hrsg.): Das Heeresgeschichtliche Museum im Wiener Arsenal. Verlag Militaria, Wien 2016, ISBN 978-3-902551-69-6, S. 148
- Kampfzone Südbahnhof (Memento vom 30. Dezember 2012 im Webarchiv archive.today), in: Wiener Zeitung.at, 31. März 2010
- Bild des ausgestellten Fahrzeugs auf dmmb.info, abgerufen am 12. Februar 2014