Bischofsherberge
Die Bischofsherberge ist zwar ein denkmalgeschütztes ehemaliges Stadthaus der Bischöfe von Ratzeburg und später der (Groß)herzöge von Mecklenburg-Strelitz in der Großen Burgstraße 11 zu Lübeck, es ist aber auch seit Jahren dem Verfall preisgegeben.
Geschichte
Im Mittelalter, als das Hotelwesen – wie man es heute kennt – noch undenkbar war, legte man sich, sofern man hier oft tätig war, ein Haus zu.
So kaufte der Hamburger Rat 1444 das Grundstück Klingberg 1 was den hier anwesenden Hamburger Ratsherrn als Absteige diente. Im damaligen Sprachgebrauch war es die Hamburger Herberge. Später und dann bis 1942 war es Lübecks Hotel Stadt Hamburg. Das Haus Nummer 1 am Platze. In ihm stiegen der Kaiser, Thomas Mann oder die Comedian Harmonists ab.
Der Abt des Klosters Reinfeld hatte sein Quartier in der Marlesgrube 73 und 75, die Abgesandten des Rates zu Rostock wohnten in der Fleischhauerstraße 28.
Die Bischofsherberge ist eins von zwei Ratzeburger Stadthäusern in Lübeck. Auch das Ratzeburger Domkapitel besaß ein Stadthaus in Lübeck. Es lag der Katharinenkirche gegenüber an der Ecke Königstraße/Pfaffenstraße und wurde 1551 an Lübecker Kaufleute verkauft.
Das Grundstück wurde 1289 erstmals erwähnt und 1324 bebaut.
Anno 1491 erwarb das Grundstück Bernt Meyer vom Ersamen Rade to Lübeke Hoffsmyt. Er verkaufte es aber noch im selbigen Jahr an den Bischof von Ratzeburg, Johannes (1479–1511), dem es die Bezeichnung Bischofsherberge verdankte.
Der Bischof Henricus, Johannes’ Nachfolger, fand in der Bischofsherberge den Tod.
Im Jahre 1524 fand in Lübeck eine Zusammenkunft zwischen Vertretern des Papstes, des Kaisers, Englands, Niederlands, Sachsens, Brandenburgs und Mecklenburgs statt, um über die Wiedereinsetzung des vertriebenen Königs Christian von Dänemark zu verhandeln. Herzog Albrecht von Mecklenburg und Bischof Henricus von Ratzeburg nahmen hieran teil. Als der Letztgenannte eines Abends, wo er auf Einladung des Herzogs bei ihm zur Tafel gewesen war, nach Hause – eben in der Bischofsherberge – zurückkehren wollte, traf ihn unterwegs der Schlag. Gelähmt und sprachlos musste er fünf Monate auf dem Krankenbett liegen, bevor er am 2. Oktober 1524 verstarb. Er wurde nach Schönberg überführt und dort in der Kirche vor dem Altar beigesetzt. Da der Herzog Magnus von Lauenburg ihm gegenüber feindlich gesinnt war, wurde ihm eine Beisetzung im Ratzeburger Dom, der Bischofskirche, verwehrt.
Als das Haus Ende des 16. Jahrhunderts baufällig wurde, ließ es das Domkapitel abbrechen und anno 1588 neu erbauen. Diese Zahl findet sich im Maueranker an der Giebelfront. Die Frau des Bistumsverwalters, des Herzogs von Mecklenburg, Christoph, steuerte zu diesem Haus 2.000 Reichstaler bei. Dafür verpfändete sie ihr Haus. Es wird gesagt, dass gleich nach dem Bau im Jahre 1589 sich die Nachbarn über den aus gehauenen Steinen geschmückten Giebel echauffiert hätten.
Nach der Beschreibung von Gottlieb Matthias Carl Masch, dem ein Inventar von 1795 vorlag, hatte das dreigeschossige Haus über der Thür zwei Mecklenburgische Wappen, unten im Hause ist eine mit Feldsteinen gepflasterte Diele, eine Stube und Küche, im nördlichen Flügel 2 Stuben, im südlichen eine Kammer, ein Verschlag, eine kleine Stube; unter dem Hause 2 Keller. In der zweiten Etage vorne ein Vorsaal, 2 Stuben und eine Kammer; im nördlichen Flügel Stube und Kammer, im südlichen 2 Kammern. In der dritten Etage Vorboden, Stube und 2 Kammern und darüber der Hausboden. Der Zwerchhaus-Giebel des traufenständigen Baus war ursprünglich mit ausgehauenen Steinen verziert.
Wohl gleichzeitig erhielt die verputzte Fassade eine klassizistische Gestaltung durch profilierte Putzgesimse.
Zwischen der Stadt Lübeck und den Eigentümern des Hauses, also zunächst den Administratoren des Stifts, dann ab 1648 den Herzögen von Mecklenburg-Schwerin und ab 1701 den Herzögen von Mecklenburg-Strelitz in ihrer Eigenschaft als Fürsten von Ratzeburg gab es lang anhaltenden Streit, weil von Ratzeburger Seite Haus und Grundstück als Exklave angesehen wurden, deren Bewohner von lübeckischen Steuern und Oberhoheit exempt seien.
Ab 1648 diente es als Mecklenburg-Schwerinsches Posthaus; nach dem Hamburger Vergleich (1701) hörte dies jedoch auf. Das Haus wurde zum Wirtshaus und Ausspann, in dem aber nur die Landwirte und Händler aus Schönberg (Mecklenburg) und dem Ratzeburger Land einkehren durften.
1720 wurde es an den Gastwirt Isaac Ree verpachtet. Dort dürften aber nur Bewohner des Fürstentums Ratzeburg verkehren. Lübeckern wollte der Rat nicht zulassen. Der Pächter hatte sich in einem Vertrage zu verpflichten, dem Mecklenburger Herzog treu, hold und gewärtig zu sein, alle Irrungen mit dem Rat zu vermeiden, aber doch für die altwohlhergebrachten Gerechtigkeiten des Hauses zu sorgen und die Ratzeburger Regierung als seine alleinige ordentliche Obrigkeit zu erkennen und davor zu erscheinen. Lübeck zog ihn auch nur zum Wacht- und Leuchtengeld heran. Bis zur Aufhebung 1754 hatten die Schönberger Bauern hier auch noch das Privileg der Stallfreiheit und konnten ihre Pferde im Querhaus unterstellen.
Diese Sonderrechte beendete die Franzosenzeit.
Die Ratzeburger Regierung sah sich 1812 genötigt, das Haus zu verkaufen und Joch. Zühlcke, Pächter seit 1797, erwarb es für 700 Reichstaler. Die Adressbücher bezeichnen Zühlcke, der 1833 starb, als Wirt in der Bischofsherberge. Erst als Joh. Hinr. Schacht 1841 das Haus erworben hatte gab er ihm die Benennung, die es bis zum Schluss führte – Zum Großherzog von Mecklenburg.
Das Haus blieb eine bei den Mecklenburgern beliebte Schankwirtschaft und Ausspanne. Von 1841 bis zu ihrer Schließung gegen Ende des 20. Jahrhunderts hieß sie Zum Großherzog von Mecklenburg.
Als besondere Eigenheit des Gasthauses wird noch 1933 vermerkt, dass es zu den Empfängern gehörte, an die noch zu jener Zeit ein Schönberger Osterfladen geliefert wurde. Einst hatte er 16 Pfund zu wiegen. Ein Bericht von 1812 nannte diese Lieferung eine ins graue Altertum reichende Gewohnheit.
Seit 1967 steht das Vorderhaus, seit 1992 die gesamte Grundstücksbebauung mit Vorderhaus, Doppelflügelanlage und Quergebäude unter Denkmalschutz. Trotz mehrfacher Umbauten finden sich noch Raumstrukturen des 16. Jahrhunderts, besonders in den Flügeln, und Raumausstattungen vom Barock bis ins 19. Jahrhundert. Heute steht das sanierungsbedürftige Haus leer. Es befindet sich im Eigentum eines Vereins, mit dem die Stadt Lübeck seit längerem verhandelt.[1][2]
Literatur
- Gottlieb Matthias Carl Masch: Geschichte des Bisthums Ratzeburg. F. Aschenfeldt, Lübeck 1835, S. 417f. (Volltext)
- Klaus J. Groth: Weltkulturerbe Lübeck: denkmalgeschützte Häuser. Schmidt-Römhild, Lübeck 1999, ISBN 3-7950-1231-7, S. 194.
- Die Bischofsherberge. In: Vaterstädtische Blätter. Lübeck, 1. April 1933.
Einzelnachweise
- [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:Defekte_Weblinks&dwl=http://www.ln-online.de/regional/2056477 Seite nicht mehr abrufbar], Suche in Webarchiven: [http://timetravel.mementoweb.org/list/2010/http://www.ln-online.de/regional/2056477 Geheime Welt in der alten Burg.] In: Lübecker Nachrichten. 1. Februar 2007; abgerufen am 21. Juni 2009.
- Historische Herberge zerfällt langsam. In: Lübecker Nachrichten. 31. Dezember 2015; abgerufen am 1. August 2017.