Bino (Markenname)
Bino war eine Marke für flüssige Speisewürze, gekörnte Brühe, Brühpaste, Brühwürfel und Soßenwürfel, die in der DDR hergestellt wurden. Der Name ist aus dem Herstellungsort Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld-Nord abgeleitet. Daher standen die vier Buchstaben für Bitterfeld-Nord.
Die Elektrochemischen Werke Bitterfeld der I.G. Farbenindustrie AG, die 1946 in die Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) für Mineraldünger „Kaustik“ übernommen wurden und nun Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld (EKB) hießen, besaßen einen sowjetischen Generaldirektor und einen deutschen Hauptdirektor. Der sowjetische Generaldirektor forderte 1947 den deutschen Hauptdirektor Dr. Adolf Beck (1892–1949) auf, Vorschläge zur Produktion neuer Konsumgüter zu unterbreiten, um die Notlage der Bevölkerung zu verringern.[1] Daraufhin schlug Beck vor, Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt zu bringen. Es gab wenig Fleisch in den Geschäften, so sollte ein Beitrag zur Schließung der Eiweißlücke geleistet werden. In der Ostzone gab es keine von der in der Schweiz ansässigen Firma Maggi A.G. hergestellten Produkte mehr. Maggi wurde nur noch in den Westzonen gehandelt. Ein Ersatzprodukt musste her, dass den Hausfrauen die Zubereitung von Fleisch- (Ersatz) und Gemüsebrühen erleichtern sollte. 1948 wurde die Produktion von Speisewürze BINO im Werk Bitterfeld-Nord aufgenommen.
Bis in die Mitte der 1960er Jahre entwickelten die Bitterfelder Chemiker unter dem Label BINO Kräftigungsmittel, Aufbaustoffe, Würzpasten, Brühwürfel, Eiweißpulver, Wurstbindemittel, Eispulver, Hefen und Zahnpasta zur Versorgung der Bevölkerung.
Das äußere Erscheinungsbild der braunen Glasflasche für die Speisewürze, sowie die gelb-braunen Etiketten lehnten sich dabei am westlichen Pendant von Maggi an. Die Speisewürze bestand aus natürlichen Rohstoffen, u. a. Sehnen, Hufe, Hörner von Rindern, Abfällen der Fischverarbeitung, Kasein, Hefe, Keratine, Weizenkleber, Ölsamenextrakte und Sojabohnenmehl, die einer Eiweiß-Hydrolyse unterzogen wurden, so dass wasserlösliche hygienisch einwandfreie Produkte entstanden. Wie Untersuchungen ergaben, besaßen die BINO-Brühwürfel einen vergleichbaren Kaloriengehalt wie Fleisch und Fisch und waren weder unappetitlich noch gesundheitsschädlich, sondern sie hatten infolge einer Erhöhung der Magensaftsekretion und der Peristaltik des Darms eine verdauungsfördernde Wirkung.[2]
Immer wieder wurde versucht, die BINO-Produkte zu diffamieren. Die schwerwiegendste Anschuldigung war, dass Abfallprodukte der Igelit-Produktion, die den krebserregenden Weichmacher Orthotrikresylphosphat (OTKP) enthalten, für die BINO-Produktion als Rohstoffe verwendet werden.[3] Die westdeutsche Zeitschrift „Die Welt“ veröffentlichte am 1. März 1952 auf der Titelseite ihrer Berliner Ausgabe einen Artikel mit der Überschrift „Lebensgefährliche Suppenwürfel“.[4] Auch die Bild Zeitung titelte am 2. August 1952: „Ostzonen-Suppenwürfel bringen Krebs“. In den Artikeln wurde aufgeführt, dass das Gesundheitsministerium von Sachsen-Anhalt (das es gar nicht gab) die Einstellung der BINO-Produktion verfügt habe.[5] Wer hinter der Falschmeldung stand war nicht zu ermitteln. Eine zivilrechtliche Verfolgung der für die Falschmeldung verantwortlichen Personen war aufgrund der Teilung Deutschlands nicht möglich.
Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) schrieb in ihrem Mitteilungsblatt über die BINO-Fehlinformation im Heft 9/10 von 1952, dass Igelit-Abfälle aus Polyvinylchloriden (CH2CHCl)n bestehen, die stickstofffrei sind, während Brüherzeugnisse aus Eiweißhydrolysaten bestehen.[6]
Aber so war es in den 1950er Jahren, selbst um heiße Brühe gab es einen kalten Krieg.
Industriell hergestellte Suppenwürzen galten in der DDR als schmackhafte, preiswerte und zeitsparende Alternative zur herkömmlichen Zubereitung von Fleisch- und Gemüsebrühen.[1]
Werbung und Rezeption
In den 1960er Jahren wurde die Würze mit dem Slogan „Koche mit Liebe, würze mit Bino!“ oder „Liebe geht doch durch den Magen“ beworben. Manfred Krug zitierte den ersten Slogan im Titelsong des Films Auf der Sonnenseite[2].
Der Name der Hamburger Band Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs spielt auf westdeutsche Schlagzeilen (Bildzeitung: „Ostzonen-Suppenwürfel bringen Krebs“) zu Bino von 1952 an.
Einzelnachweise
[1] Matter, Günter: Elektron – Geschichte und Renaissance eines außergewöhnlichen Metalls, Bochumer Studien zur Technik- und Umweltgeschichte, Band 9, Klartext-Verlag 2019, S. 254.
[2] Hloch, Albert: Speisewürze, Brühwürfel, Brühpaste, Die Lebensmittel-Industrie, 2 (1950) Nr. 4, S. 219.
[3] Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Außenstelle Merseburg (LHASA MER), VEB EKB, I 507, Nr. 169: Schreiben an Bundesministerium für Ernährung der BRD vom 09.10.1952.
[4] LHASA MER, VEB EKB, I 507, 169: Aktennotiz vom 20.05.1952.
[5] LHASA MER, VEB EKB, I 507, Nr. 169: Schreiben an Prof. Bergner, GDCH, vom 30.09.1952.
[6] Mitteilungsblatt der GDCh-Fachgruppe Lebensmittelchemie, Sept/Okt 1952, S. 100: Bino-Erzeugnisse, Suppenwürze und Brühwürfel.
- Simone Tippach-Schneider: Das große Lexikon der DDR–Werbung, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin, 2. Auflage von 2004
- Geh doch mal ins Kino, / da verfliegt die Wut. / Koche mit Liebe, würze mit Bino! / Hin und wieder tut ein DEFA-Lustspiel gut. Manfred Krug - Auf der Sonnenseite, 1962
Weblinks
- Koche mit Liebe, würze mit Bino Mehr über die Werbung für die Bino-Würze bei kulturelle-projekte.de
- Cora Stehan: Kaffee, Schnaps und Nervengift im Weihnachtspaket welt.de vom 7. Dezember 2012