Bell-Zustand
Ein Bell-Zustand ist ein Zustand eines physikalischen Systems mit mehreren Teilchen, bei dem sich zwischen den Ergebnissen von gleichzeitigen Messungen an mehreren Teilchen so starke Korrelationen zeigen, dass sie im Rahmen der klassischen Physik prinzipiell nicht zu erklären sind. Leicht erklärbar sind sie hingegen im Rahmen der Quantenmechanik durch das Phänomen der Quantenverschränkung, die in einem Bell-Zustand besonders ausgeprägt vorliegt. Eine theoretische Obergrenze für die mit der klassischen Physik erklärbaren Korrelationen wird durch die Bellsche Ungleichung gegeben. Sie muss in jeder Theorie eingehalten sein, die auf den begrifflichen Grundlagen von Lokalität und Realismus (Lokaler Realismus) aufbaut. Daher schließt die tatsächliche Existenz von Bell-Zuständen definitiv aus, dass in unserer Welt beide Grundbegriffe gegeben sind.
Im engeren Sinn ist ein Bell-Zustand einer von vier ausgewählten Zuständen eines Zweiteilchensystems mit je zwei Basiszuständen für jedes Teilchen. Bei diesen Zuständen ist die Bellsche Ungleichung maximal verletzt. Zusammen werden sie auch als Bell-Basis bezeichnet. In der theoretischen Entwicklung von Quantencomputern spielt die Bell-Basis eine große Rolle. Anstelle von zwei verschränkten Teilchen spricht man dann von zwei verschränkten Qubits, denn ein Teilchen mit einem zweidimensionalen Hilbertraum realisiert auch ein Qubit.
Zustände
Bell-Basis
Die Bell-Basis bildet eine Orthonormalbasis des vierdimensionalen Hilbertraums der möglichen Zweiteilchen-Zustände. Wenn Teilchen A die Basiszustände und hat, und Teilchen B entsprechend, dann heißen die vier Bell-Zustände wie folgt:
Alle vier Bell-Zustände sind paarweise zueinander orthogonal. In jedem der Zustände zeigt sich die Verschränkung darin, dass jedes der Teilchen mit gleicher Wahrscheinlichkeit jeden der beiden Basiszustände besetzt, und dass trotzdem, nachdem das eine Teilchen in einem der Basiszustände nachgewiesen wurde, mit Sicherheit der Basiszustand feststeht, in dem sich das andere Teilchen befindet.
Beispiel Spin-½-Teilchen
Bei Spin--Teilchen bezeichnet man die Basiszustände gewöhnlich mit und , was an die beiden Möglichkeiten der Orientierung des Spin längs einer gegebenen Achse erinnert. Der vierte Zustand der Bell-Basis ist dann der Singulett-Zustand, d. h. der Zustand zum Gesamtspin :
Entsprechend ist der dritte Zustand der Bell-Basis der Triplett-Zustand () mit der m-Quantenzahl :
Die ersten beiden Zustände der Bell-Basis sind Alignment-Zustände, d. h. zwei orthogonale Überlagerungen der Triplett-Zustände zu
Bell-Operator
Ein Bell-Operator ist ein Operator, der die Messung bestimmter Korrelationen zwischen den Teilchen beschreibt. Einige seiner Eigenwerte – also der möglichen Messwerte – liegen außerhalb der Grenzen, die nach klassischen Vorstellungen von Raum, Zeit und Verursachung für solche Korrelationen bestehen müssen. Die oben definierten Bell-Zustände sind Eigenzustände zu einem von Clauser et al. eingeführten Bell-Operator, der (nach den Anfangsbuchstaben der Autorennamen) auch CSCH-Operator genannten wird.[1]
Zur Konstruktion des CSCH-Operators geht man von einem 1-Teilchenoperator aus, der für die beiden Basiszustände die Eigenwerte hat. Ein anschauliches Beispiel für ein Photon ist etwa ein vertikaler bzw. horizontaler Polarisationsfilter. Man kann ihn durch ausdrücken. Für jedes der beiden verschränkten Teilchen wird ein solcher Operator gebildet und mit bzw. bezeichnet. Zudem betrachtet man für jedes Teilchen eine zweite Basis mit entsprechenden Operatoren (z. B. um einen Winkel gedrehte Polarisationsfilter). Ein Bell-Operator ist dann
- .
Nun wählt man die zweite Basis "komplementär" zur ersten, d. h. zum Beispiel
- ,
(anstelle des Plus- bzw. Minuszeichens könnten auch komplexe Phasen gewählt werden). Wenn die Basiszustände parallel bzw. antiparallel zur z-Achse ausgerichtet sind, dann entspricht die komplementäre Basis ohne komplexe Phasenfaktoren einer Orientierung der Spins in x-Richtung, oder, mit Phasenfaktoren, in Richtung einer beliebigen anderen Achse in der x-y-Ebene.
Der CSCH-Operator hat den Eigenwert Null für die beiden Zustände , und die Eigenwerte für die Zustände . (Zur Berechnung mit Operatormethoden siehe [2], alternativ kann man das direkt ausrechnen, indem man die zweite Basis als Linearkombination der ersten ausdrückt.) Die beiden Extremwerte liegen außerhalb des Bereichs , auf den nach klassischer Vorstellung (bzw. der Bellschen Ungleichung) die Messwerte der Korrelationen beschränkt bleiben müssen, die mit dem CSCH-Operator gemessen werden.
Maximale Verschränkung
Die Bell-Zustände sind maximal verschränkt, da auf ihnen alle Verschränkungsmaße den (im Hilbertraum ) maximal möglichen Wert annehmen. Insbesondere hat die Verschränkungsentropie des Zustands den Maximalwert 1. Es kann auch deshalb keinen Zustand geben, der stärker verschränkt ist als ein Bell-Zustand, weil sich aus diesem durch lokale Quantenoperationen[3], die die Verschränkung nicht verstärken können, deterministisch jeder andere Zustand herstellen lässt.[4]
Einzelnachweise
- John F Clauser, Michael A Horne, Abner Shimony, Richard A Holt: Proposed experiment to test local hidden-variable theories. In: Physical review letters. Band 23, Nr. 15, 1969, S. 880 (online [PDF; abgerufen am 20. März 2019]).
- Samuel L Braunstein, Ady Mann, Michael Revzen: Maximal violation of Bell inequalities for mixed states. In: Physical Review Letters. Band 68, Nr. 22, 1992, S. 3259 (online [PDF; abgerufen am 20. März 2019]).
- spurerhaltende, vollständig positive lineare Abbildungen, die sich durch Operationen auf den Teilsystemen und klassische Kommunikation implementieren lassen und oft mit LOCC (für engl. local operations and classical communication) bezeichnet werden
- G. Vidal: On the continuity of asymptotic measures of entanglement. 2002, arxiv:quant-ph/0203107. und R. Horodecki, P. Horodecki, M. Horodecki, K. Horodecki: Quantum entanglement. In: Rev. Mod. Phys. Band 81, 2009, S. 865, S. 902f, Abschnitte XIII.A, arxiv:quant-ph/0702225.