Begriffsbesetzung
Mit Begriffsbesetzung oder Besetzen von Begriffen bezeichnet man die bewusste Benennung von Erscheinungen mit einem dem eigenen Interesse naheliegenden Wort oder „Begriff“.[1]
Beispiele
Als frühes Beispiel für Begriffsbesetzung kann der Begriff des Verteidigungsministeriums dienen („wir setzen unsere Streitkräfte nur zur Verteidigung ein“), der sich seit dem Ersten Weltkrieg weltweit durchgesetzt und ältere Bezeichnungen wie Kriegsministerium (Heeresministerium usw.) verdrängt hat. Bereits mehrere deutsche Armeen wurden in diesem Sinne benannt (Reichswehr, Wehrmacht, Bundeswehr), was international wiederum recht selten ist (ansonsten: Japanische Selbstverteidigungsstreitkräfte).
In den 1970er Jahren hat Erhard Eppler mit der Bildung des Begriffes wertkonservativ den Begriff „konservativ“ für seine Reformpolitik in Anspruch genommen, während Heiner Geißler[2] mit der Formel die neue soziale Frage die Hauptkompetenz der SPD im Bereich des Sozialen zugunsten der CDU in Frage stellte.
In den letzten Jahren wird der Begriff Reform meist im wirtschaftsliberalen Sinne als Deregulierung und Abbau von staatlicher Aktivität und Leistung verwendet. Das gilt insbesondere für den Begriff Rentenreform, der anders als in den Zeiten der dynamischen Rente heute statt einer Erhöhung eine Kürzung der staatlichen Rente und die Hinwendung zu privater Absicherung (siehe z. B. Riesterrente) meint.
Ebenso wird das Wort Neoliberalismus zur Brandmarkung einer von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen als unsozial empfundenen Politik benutzt, obwohl die Freiburger Schule des ursprünglichen Neoliberalismus die Soziale Marktwirtschaft konzipierte.
Mit dem Schlagwort Kampf gegen den Terrorismus wurde eine neue Formel für den gerechten Krieg gefunden, mit der der Angriff auf Staaten gerechtfertigt wird. Doch ist ungeklärt, ob mit solchen Kriegen der Terrorismus erfolgreich bekämpft oder eher verbreitet wird.
Der aus dem religiösen Bereich entlehnte Begriff Wunder in Verbindung mit politökonomischen Sachverhalten soll wohl nahelegen, dass die jeweils verantwortliche Führung mit ihr gut gesinnten „höheren Mächten“, Gott (oder veraltet: der Vorsehung) in Verbindung steht (vgl. Wirtschaftswunder, neuerdings Jobwunder usw.), wobei auffällt, dass diese Begriffe in Deutschland von den Massenmedien gerade zu Zeiten christlich-konservativer Regierungen verwendet wurden und werden.
Die eigene Seite demonstriert mit Manövern militärische Stärke. Gleiches Verhalten der anderen Seite provoziert bzw. lässt aggressive Absichten erkennen.
Siehe auch
Kampfbegriff – Euphemismus – Politische Korrektheit – Neusprech – Reformstau – Schlagwort – Politisches Schlagwort
Literatur
- Frank Liedtke, Martin Wengeler, Karin Böke (Hrsg.): Begriffe besetzen. Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik. Westdeutscher Verlag, Opladen 1991, ISBN 3-531-12221-5, (Tagungsband der zweiten Arbeitstagung der AG „Sprache in der Politik“ 8. – 10. November 1989 in Düsseldorf).
- Erhard Eppler: Kavalleriepferde beim Hornsignal. Über Sprache und Politik. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-11788-2, (Edition Suhrkamp 1788 = NF 788).
- Simone Voos, Stefanie Prangenberg, Bernhard Krause u. Katharina Schuster: Begriffe Besetzen ohne Jahr, abgerufen 20. August 2010 (PDF-Datei; 116 kB)
- Kai Biermann, Martin Haase: Sprachlügen: Unworte und Neusprech von „Atomruine“ bis „zeitnah“. Fischer Taschenbuch, 2012, ISBN 978-3-596-19497-1.
Fußnoten
- „Statt der Gebäude der Regierung werden die Begriffe besetzt“, sagte der Politiker Kurt Biedenkopf in einer Rede auf dem Hamburger CDU-Parteitag im November 1973 (siehe: Hombach 1991, S. 36) zitiert nach: http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/54099.html
- Vgl. auch: „Wer die Begriffe besetzt, besetzt die Köpfe.“ (Heiner Geißler, http://www.train-the-trainer-seminar.de/monatszitate/m_jan-01.htm)