Bagatellkündigung

Als Bagatellkündigung w​ird im deutschen Arbeitsrecht umgangssprachlich e​ine Kündigung bezeichnet, d​ie wegen Unterschlagung o​der Diebstahl v​on Dingen m​it geringem Wert o​der wegen geringfügig unkorrektem Verhalten d​es Arbeitnehmers ausgesprochen wird.

Typische Fälle für Bagatellkündigungen

Die Bagatellkündigung zeichnet s​ich vor a​llem durch d​ie Geringfügigkeit d​es Vergehens aus. Das k​ann z. B. sein: Ein Handy w​ird auf Firmenkosten aufgeladen, e​in paar Pfandbons werden gefunden u​nd eingesteckt, e​in Bonbon w​ird an d​er Kasse gelutscht o​der ein Fleischstückchen i​m Wert u​nter 1,- € w​ird verzehrt.

Bekannt gewordene Fälle von Bagatellkündigungen

  • Der wohl bekannteste Fall unter allen Bagatellkündigungen dürfte der „Fall Emmely“ sein, in dem eine Kündigung wegen der Verwendung von Leergutbons in Höhe von 1,30 € ausgesprochen wurde. Dieser endete letztlich vor dem Bundesarbeitsgericht, das die Kündigung für nichtig erklärte. Dieser Fall gilt bis heute als richtungsweisend.[1]
  • Entgegen dem ähnlich gelagerten Fall „Fall Emmely“ wurde der Pfandbon-Missbrauch im Wert von 6,06 € als rechtmäßiger Grund zur Kündigung eines Kassierers erklärt.[2]
  • Fristlose Kündigung einer Bäckereiverkäuferin wegen des Verzehrs von Lebensmitteln in Höhe von 12,75 € wurde bestätigt.[3]
  • Eine Kassiererin wurde gekündigt, weil sie angeblich an der Kasse Bonbons gelutscht und schlecht über ihren Arbeitgeber gesprochen haben soll. Die Kündigung wurde für ungültig erklärt. Ähnlich wie im „Fall Emmely“ kam es auch hier in dem „Fall Bonbon-Angy“ zu einem erheblichen medialen Echo.[4][5]
  • Ein Arbeitgeber kündigte einer Krankenschwester wegen insgesamt acht entwendeter Brötchenhälften. Die Kündigung wurde im Nachgang als unwirksam erklärt.[6]
  • Die fristlose Kündigung wegen Entwendung von Brotaufstrich wurde für unwirksam erklärt.[7]
  • Die fristlose Kündigung wegen Verzehrs von übrig gebliebenen Speisen von Patienten wurde für ungültig erklärt.[8]
  • Ein langjähriger Küchenmitarbeiter wurde fristlos auf Grund des Verzehrs von Pommes und Frikadellen gekündigt. Die Kündigung wurde für unwirksam erklärt.[9]
  • Die Kündigung einer Angestellten in einem Kino wegen vorgeblicher Herausgabe von zwei kostenlosen Getränken wurde für unwirksam erklärt.[10]
  • Ein Arbeitgeber sprach eine fristlose Kündigung wegen Stromdiebstahls aus (ein Handy wurde aufgeladen). Ein Schaden von 0,015 € wurde geltend gemacht. Es kam zu einem Vergleich.[11]
  • Eine Kündigung wegen Ladens eines Elektrorollers im Büro wurde für unwirksam erklärt.[12]
  • Eine Kündigung, weil drei Schrauben verschenkt wurden, wurde für unwirksam erklärt.[13]

Rechtsfolgen

Ein Arbeitgeber wird in der Regel eine Unterschlagung oder einen Diebstahl oder falsches Verhalten in egal welcher Größenordnung nicht hinnehmen. Jedoch ist eine fristlose Kündigung durch derartige Fehlverhaltensweisen des Arbeitnehmers nicht immer gerechtfertigt. Es kam wiederholt vor, dass Gerichte fristlose Kündigungen als unverhältnismäßig betrachtet haben und diese aufhoben. Hierbei wird sich häufig an dem bekanntesten „Fall Emmely“ orientiert. Obwohl dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden ist, urteilte das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10.6.2010, Az. 2 AZR 541/09) in der sogenannten „Emmely-Entscheidung“, dass immer auch eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen sei.

Oftmals g​eht einer ordentlichen Kündigung jedoch a​uch erst e​ine Abmahnung voraus.

Allerdings g​ibt es a​uch andere Entscheidungen w​ie z. B. d​ie des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (Urteil v​om 7.12.2015, Az. 7 Sa 1078/14) welches a​uf die Berufung e​ines Lebensmittelmarktes d​as Urteil d​es Arbeitsgerichts Duisburg (ArbG Duisburg, 1 Ca 272/14) abänderte u​nd die Kündigungsschutzklage e​iner Kassiererin abwies. Der Hintergrund dieses Verfahrens war, d​ass es d​as LAG Düsseldorf a​ls erwiesen ansah, d​ass die Kassiererin e​ine leere Pfandflasche m​it ihrer Kasse erfasst h​abe und s​o einen Pfandbon i​n Höhe v​on 3,25 € erzeugt habe. Dieser Vorgang stelle e​inen großen Vertrauensbruch dar, v​or allem d​a diese Kassiererin d​amit betraut sei, d​ie Vermögensinteressen d​es Arbeitgebers z​u schützen.

Literatur

  • Markus Stoffels: Die „Emmely“-Entscheidung des BAG – bloß eine Klarstellung von Missverständnissen? In: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 2011, S. 118.

Einzelnachweise

  1. BAG, Urteil vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09
  2. ArbG Berlin, Urteil vom 28.09.2010 - 1 Ca 5421/10
  3. ArbG Neunkirchen, Urteil vom 12.10.2011 - 2 Ca 856/11
  4. Angela Webster - mehr Brutto von Netto
  5. ArbG Paderborn, Urteil vom 03.03.2016 - 2 Ca 1217/15
  6. ArbG Hamburg, Urteil vom 01.07.2015 - 27 Ca 87/15
  7. ArbG Dortmund, Urteil vom 10.03.2009 - 7 Ca 4977/08
  8. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.09.2010 - 3 Sa 233/10
  9. LAG Hamm, Urteil vom 04.11.2010 - 8 Sa 711/10
  10. ArbG Darmstadt, Urteil vom 30.11.2010 - 4 Ca 90/10
  11. ArbG Oberhausen, Außergerichtliche Einigung - 4 Ca 1228/09
  12. LAG Hamm, Urteil vom 02.09.2010 - 16 Sa 260/10
  13. ArbG Bonn, Beschluss vom 21.10.2010 - 1 BV 47/10

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