Böhmerland
Die Böhmerland, für tschechische Kunden als Čechie ausgeliefert, gilt als das längste Serien-Motorrad der Welt. Sie wurde in den Jahren 1925 bis 1939 von dem Mechaniker Albin Hugo Liebisch (* 26. Juli 1888 in Rumburg, Auplatz 26; † 9. November 1965 in Passau) in Schönlinde in der damaligen Tschechoslowakei produziert. Motor, Rahmen und die eigenartige Gabel – es handelt sich um eine geschobene Kurzschwinge – wurden von Liebisch konstruiert.
Die Böhmerland zeichnete sich vor allem durch ihre dreisitzige Bank und die Motorplatzierung vor dem Fahrer aus, was ihr zu der enormen Länge verhalf. Die zwei zigarrenförmigen Tanks wurden am hinteren Abschnitt des Rahmens angebracht und ließen so freien Blick auf die Ventil-Kipphebel des OHV-Einzylinders, die zwischen den Knien des Fahrers platziert waren. Später gab es auch Modelle mit zusätzlichen Tanks üblicher Bauart auf dem Oberrohr, welche den Blick auf die Ventil-Kipphebel verdeckten. Als Treibstoff sollte außer Benzin im warmen Zustand auch Diesel und Heizöl möglich sein.
Es wurden insgesamt ca. 775[1] Exemplare gebaut, darunter auch Sondermodelle, z. B. eine kürzere Version für nur zwei Personen und eine längere für vier Personen. Letztere war für das Militär gedacht und hatte zwei Getriebe, von denen das erste vom Fahrer und das zweite von einem der Beifahrer geschaltet wurde. Somit verfügte die Maschine über neun Gänge. Es wurde auch eine Rennversion angefertigt, die 160 km/h schnell sein sollte. Ein Beiwagen samt Reserverad war auch erhältlich. Die Maschinen wurden im Montagewerk von 20 Arbeitern zusammengesetzt, aus Teilen, die von regionalen Zulieferern gefertigt wurden. Insgesamt waren ca. 300 Personen an der Herstellung beteiligt.
Es existieren noch ca. 75 Stück in Händen von Liebhabern und in Museen, davon ca. 40 fahrbereit. Der Preis eines originalgetreu restaurierten Exemplars wird (2002) auf ca. 30.000 Euro geschätzt.
Der Prototyp einer viersitzigen Böhmerland ist im PS-Speicher im niedersächsischen Einbeck ausgestellt.[2]
Im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm ist ebenfalls eine Böhmerland (von 1928) in orange-gelber Lackierung zu sehen.
Technische Daten des Hauptmodells:
- Länge: 3.170 mm
- Radstand: 2.230 mm
- Hubraum: 600 cm³ bei Bohrung × Hub = 80 × 120 mm
- Leistung: 16 PS bei 3.600/min, später 24 PS bei 5.000/min
- Kraftübertragung: Kette
- Höchstgeschwindigkeit: 95 km/h
- Der Kraftstoffverbrauch eines erhaltenen Exemplars bei Anreise zu einem Böhmerland-Treffen von ca. 300 km Strecke wurde mit 4 l/100 km (Benzin) angegeben.
Galerie
- Das Modell „Tourer“ mit 600 cm³ von 1927
- Das Modell „Langtourer“ mit 600 cm³ von 1928
- Frühes Modell (1925) mit Beiwagen. In der längsten Version plus Beiwagen konnten also 5 Personen transportiert werden.[3]
- Ein späteres Modell von 1937 mit 350 cm³ Hubraum
„Böhmerland 21“
Seit 2019 werden unter dem Namen „Böhmerland 21“ in Tschechien in kleiner Serie Custombikes, sowohl mit E- als auch Verbrennungsmotoren aufgelegt (siehe Weblinks).
Literatur
Weblinks
- Lebenslauf von Albin Hugo Liebisch (PDF; 507 kB)
- Datei: Originalausführung
- Datei: Langversion mit zwei Getrieben
- Weitere Informationen und Bilder
- Video mit Motoransicht
- Böhmerland 600cc | 1932, Czech Republic. Review & test-drive. Video-Reportage auf YouTube. Abgerufen am 29. August 2020. (Cz mit englischen Untertiteln).
- Böhmerland 21 Website des neuen Projekts
- New Böhmerland "21" prototypes Informationsvido über die ersten Prototypen. Abgerufen am 29. August 2020. (en).
Einzelnachweise
- Jan Nemec: Legendarni motocykl Cechie. Grada, Prag 2010, ISBN 978-80-247-3119-3, S. 102.
- 5. Presseinformation des PS.SPEICHER vom 17. Juli 2014 (abgerufen am 10. September 2014)
- https://www.mdr.de/heute-im-osten/galerie-boehmerlaender-motorraeder-100.html