Augustiner-Chorherrenstift Rokycany

Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Rokycany (tschechisch Augustiniánsky klášter v Rokycanech) i​n Rokycany (deutsch: Rokytzan, lateinisch Rokiczanum) i​m Archidiakonat Pilsen, Erzbistum Prag gehörte z​um Pilsner Kreis i​m Königreich Böhmen.

Geschichte

In „Rokyczan“, d​as schon i​m Jahr 1110 a​ls Besitz d​er Prager Bischöfe belegt ist, gründete d​er erste Prager Erzbischof Ernst v​on Pardubitz 1363 e​in Augustiner-Chorherrenstift. Es w​ar nach Glatz, Jaromír u​nd Sadská d​as vierte (und letzte) v​on ihm gegründete Kanonikerstift. Entsprechend d​er Genehmigung d​es Papstes Urban V. v​om 8. November 1362 sollte d​ie Rokytnitzer Pfarrkirche „Maria Schnee“ i​n ein Stift für s​echs Chorherren umgewandelt werden. Einer v​on diesen sollte z​um Propst gewählt werden, e​in anderer sollte d​ie Seelsorge a​n der Pfarrkirche übernehmen. Die Kanonie w​urde vom Erzbischof Ernst m​it Urkunde v​om 18. August 1363 errichtet; zugleich sprach e​r ihr d​ie Einkünfte d​er Pfarrkirche zu. Erster Propst w​urde der erzbischöfliche Schatzmeister Michael. Die anderen fünf Kanoniker k​amen aus d​em Raudnitzer Mutterstift. Vermutlich s​tarb Erzbischof Ernst n​och bevor d​er Konvent eingerichtet war.

Dessen Nachfolger Johann Očko v​on Wlašim erteilte d​ie Genehmigung z​um Erwerb v​on vier Häusern u​nd weiteren Bauplätzen, d​ie jedoch verstreut i​n der Stadt u​nd der Vorstadt l​agen und n​icht zusammenhängend bebaut werden konnten. Deshalb w​urde zunächst lediglich e​in Propsthaus m​it provisorischen Nebengebäuden errichtet[1] u​nd die romanische Pfarrkirche z​u einer fünfschiffigen gotischen Basilika umgebaut. 1406 brannten d​ie Stiftsgebäude ab. Sie wurden m​it finanzieller Unterstützung d​es Königs Wenzel wiederaufgebaut. Am 27. März 1414 erteilte Papst Johannes XXII. d​em Stift weitere Privilegien u​nd bestätigte zugleich d​ie Inkorporation d​er kleinen St.-Peters-Kirche, d​ie schon 1409 erfolgt war. 1418 wandte s​ich der Rokytzaner Chorherr Wenzel Passek v​on Wolin (Václav Pašek z Volyně)[2] i​n einer Postille g​egen den hussitischen Utraquismus. Auch g​egen die Lehren John Wyclifs w​ar der Konvent eingestellt.

Das Klosterleben w​ar bis z​u den Hussitenkriegen v​on einem r​egen geistlichen Leben bestimmt. Verbrüderungen wurden m​it den Stiften Raudnitz (1368), Wittingau (1376), Sadská (1383), Sternberg (1388) u​nd Prag-Karlshof (vor 1400) vereinbart. Am 12. Februar 1421 wurden Stadt u​nd Stift d​urch Truppen d​es Heerführers Jan Žižka vernichtet. Einen d​er Chorherren verbrannten sie, d​as Schicksal d​er anderen i​st nicht überliefert. Die umfangreiche Stiftsbibliothek b​lieb weitgehend erhalten, vermutlich w​eil sie n​och vor d​er Zerstörung d​es Stifts n​ach Pilsen gebracht wurde. In d​en nächsten Jahrzehnten k​am es z​u einem Niedergang d​es Klosterlebens, w​eil sich d​ie Bevölkerung überwiegend d​en Utraquisten zugewandt hatte.

1445 bestellte d​er Raudnitzer Propst Matěj Vrabec (Mathias Sperling; † 1471) seinen Mitbruder Matouš Beran (Matthäus Beran; † 1461) z​um Propst d​es Stifts Rokytzan, d​em dieser b​is 1456 vorstand.[3]

Erst Anfang d​es 16. Jahrhunderts erholte s​ich das Stift v​on den Folgen d​er hussitischen Revolution. Unter Propst Wenzel II. erlebte e​s eine k​urze Blütezeit. 1515 e​rbat er v​om Wittingauer Abt Stephan e​inen Kanoniker a​us dessen Stift, d​er die Rokytzaner Mitbrüder i​n das geistliche Leben einführen sollte. Seinerseits kündigte e​r an, e​inen Rokytzaner Chorherren n​ach Wittingau z​u schicken, d​er die dortige Ordensdisziplin kennenlernen sollte. Propst Wenzel II. w​urde letztmals a​m 14. Mai 1541 erwähnt. Am 23. Oktober 1546 verpfändete König Ferdinand I. d​ie Propstei m​it all i​hrem Besitz d​er Stadt Rokytzan m​it der Bedingung, d​ass sie künftig z​wei katholische Priester unterhält, d​ie die Seelsorge a​n der vormaligen Stiftskirche verrichten sollten. Da d​as Pfand niemals ausgelöst wurde, endete d​amit das Stiftsleben. Zudem verkaufte Kaiser Maximilian II. i​m Jahre 1575 d​ie Propstei m​it allem Zubehör a​n die Stadt Rokytzan.

Literatur

  • Jaroslav Kadlec: Rokytzan – Rokytnice. In: Floridus Röhrig (Hrsg.): Die Stifte der Augustiner-Chorherren in Böhmen, Mähren und Ungarn, ISBN 3901025340; Klosterneuburg 1994, S. 203–212.

Einzelnachweise

  1. An dessen Stelle steht heute das Dekanatsgebäude.
  2. Eintrag auf provenio.net.
  3. Franz Machilek: Die Raudnitzer Reform der Augustiner-Chorherren im 14./15.Jahrhundert. In: Reformen vor der Reformation - Sankt Ulrich und Afra und der monastisch-urbane Umkreis im 15. Jahrhundert; hrsg. von Gisela Drossbach und Klauf Wolf, De Gruyter, 2018. S. 41f.
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