Arzneipflaster
Ein Arzneipflaster (auch Heilpflaster oder Kataplasma; lateinisch Emplastrum, von griechisch ἔμπλαστρον, „das Eingeschmierte“, Pflaster im Sinne von „äußerliche Anwendung eines Wirkstoffes“[1]) bezeichnet heute unter anderem eine flexible, klebende pharmazeutische Zubereitung zum Auflegen auf die Haut, das einen oder mehrere Arzneistoffe enthält. Moderne Arzneipflaster bestehen aus einer wirkstoffhaltigen Klebstoffbasis, die sich als einheitliche Schicht auf einem geeigneten Träger aus natürlichem oder synthetischem Material ausbreitet. Die Klebeschicht wird von einer Schutzfolie abgedeckt, die vor dem Aufbringen des Pflasters auf die Haut entfernt wird.[2]
Bereits im Mittelalter wurden arzneiliche Wirkstoffe auch als Salbe oder Paste verarbeitet auf das Trägermaterial aufgebracht. Ursprünglich wurde dabei als Pflaster (etwa im Buch von guten Pflastern und Salben) sowohl das mit dem Arzneimittel bestrichene (Verband-)Material als auch die auf das Verbandsmaterial aufzubringende Arzneimittelmasse[3] bezeichnet. Die ursprüngliche Absicht einer systemischen Wirkung der traditionellen Pflastertherapie tritt mit der Anwendung der in den 1970er-Jahren eingeführten transdermalen Pflaster (TTS-transdermale therapeutische System) wieder zu Tage.[4]
Abgrenzung
Arzneipflaster dienen üblicherweise einer örtlichen Behandlung[2] und sind abzugrenzen von den Wundauflagen, den ebenfalls umgangssprachlich als Pflaster bezeichneten schützenden und (selbst)klebenden wirkstofflosen Heftpflastern sowie den Wundschnellverbänden und Sprühpflastern.
Sie sind ferner abzugrenzen von den sogenannten transdermalen Pflastern,[5] die den Wirkstoff aus einem im Pflaster enthaltenen Depot kontinuierlich und kontrolliert freisetzen, und der über die Haut in den Blutkreislauf zum Wirkort gelangt (systemische Wirkung).
Lokale Wirksamkeit
Je nach Art der Wirkstoffe entfalten lokal wirksamen Pflaster ihre Wirkung entweder nur auf der Hautoberfläche („kutane Pflaster“, zum Beispiel als Wundpflaster) oder aber in tieferen Hautschichten bzw. dem darunter liegenden Gewebe.
Geschichte
Die ersten Pflaster wurden bereits zwischen 2000 und 1200 v. Chr. angewandt. Es handelt sich dabei um eine der ältesten Arzneidarreichungsformen überhaupt. Spezielle Pflasterzubereitungen, benannt nach der Indikation (zum Beispiel Emplastrum ad bubones pestilentiale: ein graues „Pflaster gegen die Pestbeulen“[6]), oft auch nach der zugrundeliegenden Salbensubstanz, waren vor allem im Mittelalter verbreitet, zum Beispiel das ursprünglich aus zwölf Bestandteilen zusammengesetzte Apostolicum (Zwölfbotensalbe oder Apostelsalbe, Unguentum apostolorum[7] oder Unguentum Apostolicum, bzw. „Zwölfbotenpflaster“, Emplastrum Apostolicum, etwa im Stockholmer Arzneibuch[8] und im Antidotarium Nicolai[9]) oder das ab dem Ende des 14. Jahrhunderts weit verbreitete „Judenpflaster“ (genannt auch „Pflaster von Jerusalem“).[10][11][12] Auch im 19. Jahrhundert hatten Arzneipflaster in Europa eine große Bedeutung. Die Herstellung war den Apotheken vorbehalten.
Unter anderem handelte es sich bei der Pflastermasse um Bleisalze von Fettsäuren, die der Apotheker durch Verseifung von Fetten (Triglyceriden) in Gegenwart von Blei(II)-oxid („Bleiglätte“) herstellte, und der nach Bedarf verschiedene Wirkstoffe, gegebenenfalls auch Fette, Öle, Wachs oder Harze, zugemischt wurden. Neben dem einfachen Emplastrum adhaesivum (Heftpflaster) sind weitere Beispiele für historische Pflasterzubereitungen etwa:
- E. cantharidum = Kantharidenpflaster
- E. cantharidum perpetuum = Zugpflaster
- E. capsici = Capsicum- (Chilli-) Pflaster (Wärmepflaster)
- E. cerussae = Bleiweißpflaster
- E. fuscum camphoratum, E. minii adustum, E. universale = Mutterpflaster, Universal-Defensivpflaster
- E. hydrargyri = Quecksilberpflaster
- E. lithargyri = Bleipflaster
- E. saponatum extensum = Seifenpflaster
- E. saponatum salicylatum extensum = Salizylseifenpflaster
Die eigentlichen Heilpflaster sind heute weitgehend in den Hintergrund getreten. Überbleibsel sind z. B. Schmerz- oder Warzenpflaster, allerdings hat der einfache Wundschnellverband die Zeit überdauert und ist auch aus unserer heutigen modernen Medizin nicht mehr wegzudenken.
Bestandteile der modernen Pflaster
Moderne Pflaster enthalten als Pflastermasse Kautschuk oder Acrylsäureester-Mischpolymerisate, die auf einen Träger aus Gewebe oder Folie aufgebracht wird.
Literatur
- Christoph Weißer: Pflaster. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1141 f.
Einzelnachweise
- Christoph Weißer: Pflaster. 2005, S. 1141.
- Definition nach EDQM Standard Terms
- Dieter Lehmann: Zwei wundärztliche Rezeptbücher des 15. Jahrhunderts vom Oberrhein. Teil I: Text und Glossar. Horst Wellm, Pattensen/Han. 1985, jetzt bei Königshausen & Neumann, Würzburg (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 34), ISBN 3-921456-63-0, S. 235.; vgl. dazu Andrea Lehmann: Zwei wundärztliche Rezeptbücher des 15. Jahrhunderts vom Oberrhein. Teil II: Kommentar. ebenda 1986 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 35).
- Christoph Weißer: Pflaster. 2005, S. 1141.
- Europäisches Arzneibuch, 8. Ausgabe, Grundwerk 2014, S. 1207 f.
- Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 141.
- Vgl. Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. 1938, S. 158.
- Gundolf Keil: Randnotizen zum „Stockholmer Arzneibuch“. In: Studia neophilologica. Band 44, Nr. 2, 1972, S. 238–262, hier: S. 252.
- Jürgen Martin: Die ‚Ulmer Wundarznei‘. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 1991 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 52), ISBN 3-88479-801-4 (zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1990), S. 113.
- Eva Shenia Shemyakova: ‘Des Juden buch von kreuczenach’. Untersuchung und Edition des Rezeptteils des Heidelberger Cpg 786. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/13, S. 207–265, hier: S. 228–232 (Apostolikum und gratia dej) und 222 (Das Judenpflaster) sowie 231 f. (zu beiden).
- Gundolf Keil, Ingrid Rohland: Das „Judenpflaster von Jerusalem“. Anmerkungen zu einem galenischen Kurztraktat. In: Christian de Backer, Paul Nijs (Hrsg.): Recente bijdragen tot de geschiedenis van de farmacie. (= Farmaceutisch tijdschrift voor Belgièe. Band 58, Nr. 5–6). Brüssel 1981. S. 139–142.
- Leo Jules van de Wiele: „warpout“ uit „den plaestere van Jerusalem“. Hs. 15624–41, Kon. Bi. Brussel en Hs. 1273, Un. Bi. Gent. In: Pharm. tschr. België. Band 40, 1963, S. 37–42.