Aqua Tofana
Die tödliche Giftmischung Aqua Tofana wurde 1632 oder 1633 zum ersten Mal namentlich erwähnt und hat ihren Ursprung in Italien. Als mögliche Erfinderin der Rezeptur wird Teofania di Adamo als auch Giulia Tofana genannt. Die ersten Frauen, denen in Verbindung mit dem Vertrieb von Aqua Tofana in Palermo der Prozess gemacht wurde, waren Francesca la Sarda (1632 hingerichtet) und Teofania di Adamo, deren Hinrichtung 1633 erfolgte.[1]
Die klare, in Glasfläschchen vertriebene Lösung ist unter diversen Namen bekannt, in Deutschland verzeichnet das Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon (1837) folgende Bezeichnungen für den Gifttrank: Aqua tofana oder Aqua Toffana, auch Acquetta di Napoli/ di Perugia oder della Toffa.[2]
Die Namen „Aqua Tufania“, „Acqua di Napoli“ oder „Acqua di Palermo“ sind ebenfalls geläufig. Die Franzosen kannten das Gift unter dem Namen „eau de Brinvillier“ oder „eau admirable“. Liselotte von der Pfalz nannte es auch scherzhaft „poudre de succession“ („Thronfolgepulver“) nach einem Gift, das schon im 16. Jahrhundert bekannt war. Dem "langsamen Gift", welches u. a. aufgrund seiner zeitversetzten Wirkung, als unidentifizierbar angesehen wurde, fielen mindestens 600 Menschen zum Opfer. Es wurde offenbar bevorzugt von Ehefrauen zum Gattenmord eingesetzt, um sich gewalttätigen oder ungeliebten Ehemännern zu entziehen.
Zusammensetzung und Wirkung
Bestandteile und Beschreibung
Der berühmte Arzt Friedrich Hoffmann erwähnt einen Brief Ganellis, des ersten Leibarztes von Kaiser Karl VI., worin dieser berichtet, dass die Aqua der Toffania "eine wässerige Auflösung des kristallisierten Arseniks mit einem Zusatze" sei und dass er dies aus dem Munde des Kaisers selbst habe, dem die Akten des Prozesses der Verbrecherin vorgelegt worden seien.[2]
Des Weiteren wird über Mischungen berichtet, die nach abgewandelter Rezeptur und nach dem Ende des ersten Prozesses in Bologna, Rom und Neapel als Aqua Tofana nach unterschiedlichen Rezepturen heimlich zubereitet und in den Umlauf gebracht wurden. Die erste Art soll eine gelbliche, geruchlose Tinktur sein, die durch Destillation von Spanischen Fliegen mit Alkohol und Wasser gewonnen wurde, in Gläschen aufbewahrt und sorgfältig gegen die Einwirkung der Luft und des Lichts geschützt werden musste. Die zweite Mischung sei eine helle und durchsichtige Flüssigkeit, die aus arsenikhaltigem Kali, Wasser und etwas Alkohol bestehen und in 50 Tropfen 4 Gran Arsenik enthalten soll. Die dritte, welche gleichfalls hell, durchsichtig, geruchlos und von süßlichem Geschmack sei, solle eine starke Auflösung von Bleizucker in destilliertem Wasser sein und einen langsamen Tod durch Abzehrung verursachen.[2]
Die genaue Zubereitung des Giftes ist heute nicht mehr bekannt. Da es geruch-, farb- und geschmacklos war, konnte das wasserähnliche Gift problemlos Speisen und Getränken hinzugegeben werden. Die Mixtur gilt als besonders heimtückisch, weil sie erst Monate nach der Einnahme zu wirken beginnt. Bereits fünf bis sechs Tropfen des Giftes sollen eine tödliche Wirkung garantiert haben. Durch entsprechend höhere Dosierung konnte der Zeitpunkt des Todes früher herbeigeführt werden. Dem Gift, das als unidentifizierbar angesehen wurde, fielen mehrere hundert Menschen – unter anderem Päpste – zum Opfer.
Beschreibung und Wirkungsweise
In Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon (1837) steht zu Aqua Toffana:
„Diese Toffa, welche früher zu Palermo, später zu Neapel lebte, verkaufte dieses Gift als Manna von St.-Nicolas von Bari, aus dessen Grabe, wie man glaubte, ein für viele Krankheiten heilsames Wunderöl fließen sollte. Das Mittel bewirkte keine Zufälle, die den Verdacht einer Vergiftung hätten erregen können, tötete auch nicht schnell, sondern langsam und allmählich; daß aber die Verfertigerin sogar vermocht habe, nach der Gabe ihres Giftes den Tag und die Stunde des eintretenden Todes vorher zu bestimmen, ist eine Fabel. Der Vergiftete empfand keine Schmerzen, bekam weder Fieber noch Zuckungen, sondern verlor, wenn er auch nur fünf bis sechs Tropfen bekommen hatte, den Appetit, die Liebe zum Leben, klagte über beständigen Durst und große Kraftlosigkeit und verfiel endlich in Abzehrung, die seinem Dasein ein Ende machte.“[3]
Aqua Toffana wird in Pierer’s Universal-Lexikon (1857) folgendermaßen beschrieben:
„Aqua Toffana (Acquetta della Toffa, A. di Napoli, A. di Prinziá), berüchtigter, wasserklarer, geschmackloser u. schon in der geringen Gabe von 5 bis 6 Tropfen tödtlicher Gifttrank, durch welchen im 17. Jahrhundert, bes. unter Papst Alexander VII., viele Personen in Rom, Neapel, Palermo, Paris u. a. Orten, aus dem Wege geräumt worden sein sollen. Nach dem Genuß erfolgte allmählich Ermattung, Abmagerung, heftiger Durst, Ekel gegen Speisen, Lebensüberdruß; nach der Gabe soll man die Zeit, wenn der Tod erfolgen werde, haben bestimmen können. Als Erfinderin wird Tofana aus Palermo genannt, die ihre Verbrechen von 1679 an trieb, endlich in Neapel, trotzdem daß sie in ein Kloster geflüchtet war, 1709 verhaftet u. gehängt worden sein soll. Sie soll 600 Vergiftungen eingestanden, Anfangs ihr Handwerk aus Gewinnsucht, später aus Leidenschaft getrieben haben. Ihre verkauften kleinen, flachen Giftphiolen hatten das Bildnis des St. Nicolaus von Bari u. die Umschrift: Manna des St. Nicolaus.“[4]
Darreichung
Aqua Tofana wurde in kleinen, flachen Giftphiolen verkauft, die das Bildnis des heiligen St. Nicolaus von Bari u. die Umschrift: Manna des St. Nicolaus. Sie soll mehrere Gehülfinnen, so Hieronyma Spara, eine Sicilianerin, welche später das Vergiftungshandwerk noch sehr stark betrieb, gehabt haben. Noch jetzt soll eine Familie in Perugia das Geheimnis der A. T. besitzen. Einige halten die A. T. für eine Mischung von spanischen Fliegen u. Opium; Andere nehmen Bleizucker für Hauptingredienz an; Haller glaubt, es sei Schweiß u. Geifer, welcher am Munde der zu Tode gemarterten od. an den Beinen hängend gekitzelter Menschen gesammelt werde. Garelli behauptet, nach einer Mitteilung des Kaisers Karl VI., der die Akten sah, es sei eine mit Antirrhinum cymbularia versetzte Auflösung von kristallisiertem Arsenik in Wasser, u. künstlich versteckte Arseniksäure scheint das Hauptingredienz der A. T. zu sein.
Die Flaschen trugen jeweils auch das Konterfei des Heiligen St. Nikolaus von Myra und enthielten angeblich Heilöl, welches in der Basilika San Nicola im süditalienischen Bari geweiht worden sein soll. Angeblich diente es unter anderem der Behandlung von Akne.[1]
Da Giulia Tofana zunächst Kosmetika in Süditalien verkauft hatte, vertrieb sie ihr Heilöl in hübschen Fläschchen, die mit einem frommen Bild des Heiligen Nikolaus von Bari verziert waren, die zwischen anderen Kosmetikprodukten nicht auffielen. Eine Website tituliert das Präparat angesichts der Tatsache, dass ein echter Mangel an Alternativen bestand, schwarzhumorig „Scheidung in der Flasche“.[5]
Motive der Vergiftungen
Aus heutiger Sicht gibt es zahlreiche Alternativen zur Heirat mit einem ungeliebten Partner, einer der Hauptursachen für Gattenmord. Aber im Italien des 17. Jahrhunderts hatten Frauen kaum Wahlmöglichkeiten, wenn sie nicht heiraten wollten oder mit dem für sie vorgesehenen Ehemann nicht einverstanden waren. Sie konnten lediglich als Nonne ins Kloster gehen, ihren Lebensunterhalt erbetteln oder ihn sich mit Prostitution verdienen. Die Möglichkeit der Scheidung bestand damals nicht, außerdem wurde von Frauen erwartet sich dem Mann unterzuordnen, auch wenn er gewalttätig war. Da es in der Regel nicht half dafür zu beten, der Mann möge zeitnah versterben, strebte ein Teil der unglücklichen Frauen selbst eine Lösung an. Die Anwendung von Aqua Tofana muss somit vielen Ehefrauen als mögliche Lösung ihres Problems erschienen sein.[6]
Herkunft des Aqua Tofana
Sowohl Teofania di Adamo als auch Giulia Tofana werden als mögliche Erfinderin und Namensgeberin des Giftes genannt, die auch als Tufania bezeichnet wird. Die erste Frau, die in Verbindung mit den Giftmorden hingerichtet wurde, war jedoch Francesca la Sarda, eine Gehilfin von Teofania di Adamo, der im Februar 1632 in Palermo der Prozess gemacht wurde. Die Hinrichtung von Teofania di Adamo erfolgte (laut Boccone, 1697) möglicherweise durch Hängen, Ausweiden und Vierteilen, eine Hinrichtungsart, die normalerweise Männern im Falle des Hochverrates oder Königsmordes vorbehalten war.[1]
Auch Giuliana Toffana wird als Namensgeberin des Giftes genannt. Einige Quellen gehen davon aus, Giulia Tofana habe unter Folter zugegeben zwischen 1633 und 1651 für die Vergiftung von über 600 Männern verantwortlich gewesen zu sein. Sie sei im Zuge des Prozesses verurteilt und 1659 auf dem Campo de’ Fiori am Galgen "gemeinsam mit ihrer Tochter Girolama Spera [sic. "Spara"] und drei Arbeitern" hingerichtet worden.[7]
Eine weitere Variante ist die der Erfindung des Giftes sei erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts (circa 1690) durch die berüchtigte neapolitanische Giftmischerin Gräfin Teofania di Adamo erfolgt. Diese soll entweder 1709 oder 1719 in Neapel gehängt worden sein. Es wird auch behauptet, Giuliana Toffana sei ihre Tochter gewesen. Die verwandtschaftlichen Verhältnisse sind jedoch unklar, auch ob Girolama Spara die Tochter von Giulia ist, bleibt ungewiss.
Gesichert ist die Tatsache, dass Girolama Spara, die als Helferin von Giulia Toffana bezeichnet wurde, die Geschäfte nach Giulias Tod (1651) weiter führte.[1] Nachdem Papst Alexander VII. 1658 Untersuchungen einleiten ließ, wurden sowohl Girolama Spara, als auch ihre Gehilfin Giovanna de Grandis festgenommen. Ihnen wurde 1659 in Rom der Prozess gemacht, von dem etwa 1.450 Seiten als Prozessakten erhalten blieben.[8]
Legenden
- Wolfgang Amadeus Mozart war 1791, einige Monate vor seinem Tod überzeugt, durch Aqua Tofana vergiftet worden zu sein. Das berichten Vincent Novello und Mary Novello nach Gesprächen mit Constanze Mozart in Tagebucheintragungen vom 15. bzw. 17. Juli 1829. Ein wirklicher Beweis für diese Behauptung konnte jedoch bis heute nicht erbracht werden. Der Dermatologe und Mozart-Kenner Aloys Greither ist nicht der Ansicht, dass Mozart Opfer einer Vergiftung geworden sei. Er stellt stattdessen einen nüchternen Befund »finale Urämie« auf, eine tödliche Harnvergiftung durch Nierenversagen.[9]
- Der Giftmörderin Gesche Gottfried aus Bremen, die zwischen 1813 und 1827 insgesamt 15 Menschen mit Arsen getötet hat, wurde fälschlich unterstellt, sie habe selbst Aqua Tofana hergestellt. Diese Gerüchte wurden jedoch bereits vor ihrer öffentlichen Hinrichtung (1831) als "Ausgeburt lügenhafter Sage und Erdichtung" erkannt.[10]
Literatur
- A Mozart Pilgrimage: being the Travel Diaris of Vincent and Mary Novello in the year 1829, transkribiert und zusammengestellt von Nerina Medici di Marignano, bearbeitet von Rosemary Hughes, London, Novello, 1955.
- Anil Aggrawal, An Italian woman of the 17th century, Toffana, in: Science Reporter (Jan) 1997.
- Lewin, Louis, Die Gifte in der Weltgeschichte Repro. Nachdruck der Ausg. Berlin (3. Aufl.) von 1920, Hildesheim, Gerstenberg, 1984, ISBN 3-8067-2013-4
Einzelnachweise
- "Toxicology in the Middle Ages and Renaissance" on an Italian poisoning case from the first half of the 17th century. By Mike Dash (engl) Academia. Abgerufen am 19. Juni 2021.
- Aqua tofana, Toffana, Acquetta di Napoli /di Perugia /della Toffa zitiert aus Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837. (S. 102-103) Historische Serienmörder Abgerufen am 19. Juni 2021.
- Aqua Toffana (Acquetta della Toffa, A. di Napoli, A. di Prinziá) zitiert aus Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837, S. 102-103 Teofania di Adamo oder Aqua Tofana – Die Geschichte eines Giftes Abgerufen am 15. Februar 2022.
- Aqua Toffana (Acquetta della Toffa, A. di Napoli, A. di Prinziá) zitiert aus Pierer’s Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857 (S. 633) Historische Serienmörder Abgerufen am 19. Juni 2021.
- Die Frau, deren "Kosmetik" über 600 unerwünschte Ehemänner vergiftet hat. Ihr Aqua Tofana war "Scheidung in einer Flasche" Ichi. Abgerufen am 19. Juni 2021.
- 31. A Deadly Fix by Khalid Elhassan (engl) History Collection Abgerufen am 20. Juni 2021.
- Serienmörderin Giulia Tofana entwickelte das perfekte Gift und brachte Hunderte von Ehemännern um. Von Gernot Kramper Stern.de Abgerufen am 19. Juni 2021.
- The Black Widows of the Eternal City (engl) University of Michigan Press. Abgerufen am 19. Juni 2021.
- Amadeus in der Giftküche Spiegel Kultur. Abgerufen am 19. Juni 2021.
- Peer Meter: Geesche Gottfried. Eine Bremer Tragödie. Edition Temmen, Bremen 2010, ISBN 978-3-8378-1012-7, S. 99.