Anna Sydow
Anna Sydow (auch Anna Sidow, verheiratet Anna Dieterich; * um 1525; † 1575 in der Zitadelle Spandau) war die Geliebte des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. Im Volksmund war sie bekannt als die „schöne Gießerin“, da sie die Frau des Zeugmeisters und Geschützgießers Michael Dieterich war.[1][2] Sie ist eines der Urbilder der Weißen Frau, des „Hausgespenstes“ der Hohenzollern.
Leben
Anna Sydow war die Tochter von Andreas Sydow und Gertraud Schneidewind. Eine jüngere Schwester Elisabeth war mit dem Prediger Joachim Pasche verheiratet.[3]
Kurfürst Joachim soll sich die Anna Sydow zur Geliebten genommen haben, nachdem seine Frau 1549 einen Unfall erlitten hatte, bei dem sie am Unterleib verletzt wurde und fortan nur noch an Krücken gehen konnte, was sowohl dem kurfürstlichen Ehegenuß als auch dem Jagdvergnügen Abbruch tat.[4] Anna Sydow wohnte über viele Jahre im Jagdschloss Grunewald, das Joachim hatte erbauen lassen, und gebar ihm zwei Kinder. Der Kurfürst scheint sich öffentlich in Begleitung der „Gießerin“ und ihrer Kinder gezeigt zu haben, was zu (auch für ihn) vernehmlichem Murren der Untertanen führte. Er soll sich aber darauf nichts haben anmerken lassen und lediglich zur „Gießerin“ gesagt haben: „Kanst du nicht bey Seyte gehen?“ Eine Tochter wurde durch Joachim sogar geadelt und hieß Magdalene von Brandenburg, Gräfin von Arneburg (1558–1610). Ein 1562 geborener Sohn Andreas starb 1569 mit sieben Jahren. Der 1561 verstorbene Ehemann, der zuletzt Vorsteher der kurfürstlichen Gießhütte in Grimnitz[5] in der Schorfheide war, konnte sich mit dem Verhältnis offenbar arrangieren. Aus der Ehe mit Dieterich stammten drei Kinder, darunter ein Sohn, Nicolaus, der von Kurfürst Joachim mit einem Dorf belehnt wurde.
Joachims Sohn und Nachfolger Johann Georg hatte seinem Vater 1561 ausdrücklich versprochen, die Mätresse nach dessen Tod zu schonen und zu schützen. 1562 wurde es ihm von Joachim noch einmal befohlen und 1570 hat Joachim in einem offenen Brief die Versorgung der Tochter Magdalene geregelt. Magdalene wurde von Johann Georg an den Hofrenteischreiber Andreas Cohlen verheiratet, wobei der Kurfürst dem Finanzbeamten die Frage „Willst du mein Schwager werden?“ gestellt haben soll.[6] Entgegen allem Versprechen und dem väterlichen Befehl wurde Anna Sydow aber unmittelbar nach Joachims Tod 1571 in der Zitadelle Spandau inhaftiert und dort bis zu ihrem Tod 1575 im Juliusturm gefangen gehalten, wobei die ihr zur Last gelegte Erpressung wohl Vorwand war und sie, ebenso wie der gleichzeitig inhaftierte Hofjude Lippold Ben Chluchim,[7] Opfer eines Justizverbrechens war. Am 1. Januar 1598, acht Tage vor Johann Georgs Tod soll sie diesem dann als „Weiße Frau“ erschienen sein.
Beim Umbau des Berliner Stadtschlosses soll 1709 ein weibliches Skelett gefunden worden sein, das man der „Weißen Frau“ zuschrieb und ehrlich beerdigte in der Hoffnung, den Spuk dadurch zu beenden.[8] Nach einer anderen Version der Sage soll Anna Sydow im Jagdschloss Grunewald lebendig eingemauert worden sein.[9]
Literatur
- Johann Georg Theodor Grässe: Die Sage von der weißen Frau. In: Sagenbuch des Preußischen Staates. Band 1. Glogau 1868/71, S. 18, zeno.org
- Paul Joachim Heining: Fürstenkonkubinat um 1500 zwischen Usus und Devianz. In: Andreas Tacke (Hrsg.): „… wir wollen der Liebe Raum geben“ Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürsten um 1500. Vorträge der III. Moritzburg-Tagung (Halle/Saale) vom 31. März bis 2. April 2006. Wallstein, Göttingen 2006, S. 22 f.
- Gisela Griepentrog (Hrsg.): Berlin-Sagen. vbb, Berlin 2010, S. 46 u. 123
- Heinrich Lohre: Märkische Sagen. Gohlis, Leipzig 1921, S. 15f
- Friedrich Nicolai: Nachricht von den Baumeistern, Bildhauern, Kupferstechern, Malern, Stukkaturern, und andern Künstlern, welche vom dreyzehnten Jahrhunderte bis jetzt in um Berlin sich aufgehalten haben und deren Kunstwerke zum Theil daselbst noch vorhanden sind. Anhang zu: Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam. Berlin / Stettin 1786, S. 13 f.
- Johann Carl Conrad Oelrichs: Beyträge zur Brandenburgischen Geschichte. Berlin, Stettin und Leipzig 1761, S. 209–220, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10012610-0
Weblinks
Einzelnachweise
- Oelrichs: Brandenburgische Geschichte. 1761, S. 211
- Nicolai: Nachricht, S. 13f. Nach Nicolai war der Vorname des Ehemannes Matthias. Nicolai nennt diesen auch fälschlich als den Gießer des Grabmals von Johann Cicero im Berliner Dom. Nicolai verwechselt dabei offenbar Johann Cicero und Joachim I.
- Heining: Fürstenkonkubinat um 1500. 2006, S. 22 f.
- Oelrichs: Brandenburgische Geschichte. 1761, S. 209
- In der Jagdhütte in Grimnitz war der Unfall geschehen.
- Oelrichs: Brandenburgische Geschichte. 1761, S. 211ff
- Herbert Schwenk: Der Wahnsinn hatte Methode. Das grausame Strafgericht gegen Münzmeister Lippold anno 1573. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 3, 1999, ISSN 0944-5560, S. 4–10 (luise-berlin.de).
- Nicolai: Nachricht, S. 13 f.
- Griepentrog (Hrsg.): Berlin-Sagen. 2010, S. 123