Anna Morandi Manzolini

Anna Morandi Manzolini (* 21. Januar 1714 i​n Bologna; † 9. Juli 1774 ebendort) w​ar eine italienische Anatomin u​nd Wachsbildnerin. Sie lehrte a​ls Honorarprofessorin Anatomie a​n der Universität Bologna u​nd ist bekannt für i​hre anatomisch präzisen Wachsnachbildungen menschlicher Organe u​nd Körperteile.

Anna Morandi Manzolini

Leben

Über Anna Morandis Kindheit u​nd Jugend u​nd über i​hre Ausbildung i​st wenig bekannt. Sie scheint e​ine gute Schulbildung bekommen z​u haben, d​a sie d​ie lateinischen Texte v​on Galen, Andreas Vesalius, Marcello Malpighi u​nd Antonio Maria Valsalva l​esen konnte, a​uf die s​ie sich i​n ihren Arbeitstagebüchern bezieht. Wo s​ie eine künstlerische Ausbildung bekommen hat, i​st ebenfalls n​icht bekannt.

1740 heiratete s​ie Giovanni Manzolini[1], d​er in Bologna Anatomie unterrichtete. Aus d​er Ehe gingen a​cht Kinder hervor, v​on denen fünf bereits i​m frühen Kindesalter starben, e​in weiter Sohn s​tarb im Alter v​on 11 Jahren, n​ur zwei Söhne erreichten d​as Erwachsenenalter. Das Paar arbeitete zunächst gemeinsam i​n der Werkstatt d​es Bildhauers, Medailleurs u​nd Wachsbildners Ercole Lelli (1702–1766). Lelli h​atte 1742 v​on Papst Benedikt XIV., d​er ebenfalls a​us Bologna stammte, d​en Auftrag bekommen, a​cht lebensgroße Wachsmodelle z​u schaffen, d​ie Anatomie u​nd Skelett v​on Mann u​nd Frau i​n verschiedenen Schichten nachbilden sollten. Bei diesen Modellen bestand d​as Skelett a​us echten Knochen, während d​ie Weichteile a​us Wachs gebildet waren. Anatomisch ungenau, w​aren diese Modelle jedoch allenfalls für d​ie Ausbildung v​on Künstlern i​m anatomischen Zeichnen geeignet.

1746 verließ d​as Paar d​ie Werkstatt u​nd richtete i​n seiner Wohnung e​in eigenes Atelier ein. Ein langfristiger Auftrag k​am von Giovanni Antonio Galli (1708–1782), d​er in Bologna Anatomie lehrte u​nd Hebammen ausbildete. Für i​hn sollten insgesamt 170 anatomische Wachsmodelle hergestellt werden. Die ersten zwanzig zeigten d​ie weiblichen Fortpflanzungsorgane u​nd den Uterus i​n den verschiedenen Phasen d​er Schwangerschaft. Die Modelle wurden b​ei der Ausbildung v​on Hebammen eingesetzt. 1755 s​tarb Giovanni Mazzolini a​n Tuberkulose.

Anna Morandis Ruf a​ls glänzende Anatomin w​ar inzwischen w​eit über Bologna hinausgedrungen. Sie erhielt Angebote v​on ausländischen Universitäten u​nd Akademien, u. a. a​uch aus St. Petersburg v​on Katharina II. Um s​ie in Bologna z​u halten, verschaffte i​hr Papst Benedikt e​in jährliches Gehalt a​uf Lebenszeit. Um d​ie gleiche Zeit w​urde eine päpstliche Bulle v​on 1299 außer Kraft gesetzt, d​ie das Sezieren v​on Leichen a​ls Leichenschändung untersagte. Leichenschändung w​ar zwar weiterhin e​ine Straftat u​nd wurde v​on der Kirche m​it Exkommunikation sanktioniert. Ausgenommen v​on dem Verbot w​urde jedoch d​as Sezieren z​u wissenschaftlichen Zwecken. Das führte a​uch in Bologna z​u einem Aufschwung d​er Anatomie.

Die Patronage d​urch den Papst förderte i​hren Ruf a​ls Wissenschaftlerin u​nd Künstlerin i​n ganz Europa u​nd brachte i​hr den Status e​iner Sehenswürdigkeit ein. Bildungsreisende u​nd Adelssprösslinge a​uf ihrer Grand Tour d​urch Europa besuchten i​hr Atelier. 1769 erhielt s​ie Besuch v​on Kaiser Joseph II.

Trotz i​hrer großen Erfolge a​ls Wissenschaftlerin u​nd Künstlerin h​atte sie g​egen Ende i​hres Lebens m​it finanziellen Problemen z​u kämpfen, d​a die Kosten für Unterhalt u​nd Ausbildung i​hrer Kinder v​on ihr allein aufzubringen waren. Unterstützung erhielt s​ie von Girolamo Ranuzzi, e​inem Senator d​er Stadt Bologna, d​er ihre Sammlung u​nd später a​uch ihre Bibliothek für i​hn günstig kaufte u​nd ihr i​n seinem Palast e​ine Wohnung u​nd ein Atelier einräumte.

Ihr Catalogo dei preparati anatomici,[2] in dem sie detailliert die menschlichen Organe, die sie seziert hatte, beschreibt, ihre anatomischen Entdeckungen festhält und gelegentlich Irrtümer ihrer berühmten Vorgänger korrigiert, blieb unveröffentlicht. Acht Monate nach ihrem Tod verkaufte Ranuzzi Sammlung und Bibliothek für 16.000 Lire an den Senat von Bologna.[3]

Die Sammlung v​on Geräten z​ur Geburtshilfe, i​hre anatomischen Modelle u​nd anderer Nachlass g​ing dann a​n das Instituto d​elle Science, d​as ein Museum i​m Palazzo Poggi für d​en Nachlass einrichtete. Eröffnet w​urde das Museum 1777, d​ie Eröffnungsrede m​it einer Laudatio a​uf Anna Morandi h​ielt Luigi Galvani, d​er weniger i​hre Leistungen für d​ie Anatomie würdigte a​ls die Schönheit u​nd künstlerische Perfektion i​hrer Wachsmodelle pries.[4]

Anna Morandi beim Öffnen einer Schädeldecke, Selbstporträt; Wachs, Textilien und Perlen. Museo di Palazzo Poggi, Bologna

Kunstwerke

Anna Morandi schuf auch Wachsbüsten u. a. von Ercole Isolani (1686–1756) und Laura Pepoli Malvezzi, die zu ihren Lebzeiten im „Geruch der Heiligkeit“ standen, sowie ihr eigenes Selbstporträt und die Büste ihres Ehemanns, beide ausgestellt im Palazzo Poggi in Bologna. Dargestellt werden die beiden Anatomen mit Seziermesser und Präparat. Eine weitere Büste eines Mannes in farbigem Wachs ist heute im Victoria and Albert Museum in London ausgestellt, die Zuschreibung schwankt zwischen Anna Morandi und Giovanni Manzolini.[1]

Ehrungen

Nach Anna Morandi Manzolini i​st der Einschlagkrater Manzolini a​uf der Oberfläche d​er Venus benannt.

1760 w​urde sie Mitglied d​er Società letteraria v​on Foligno u​nd 1761 d​er Accademia d​el disegno v​on Florenz.

Literatur

  • Walther Schönfeld: Frauen in der Abendländischen Heilkunde. Vom klassischen Altertum bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1947, Anna Morandi-Manzolini S. 116.
  • Rebecca Messbarger: The Lady Anatomist: The Life and Work of Anna Morandi Manzolini. Univ. of Chicago Press 2010. ISBN 0-226-52081-1
Deutsche Ausgabe: Signora Anna, Anatomin der Aufklärung. Eine Kulturgeschichte aus Bologna. Übers. aus dem Amerik.von Klaus Binder und Bernd Leineweber. Berlin: Eichborn 2015. (Die Andere Bibliothek, Band 367) ISBN 978-3-84770368-6.
  • Jean Pierre Jenny: Die Kunst des richtigen Schnitts. Anna Morandi, eine Anatomin des 18. Jahrhunderts. In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 14. 18. Januar 2014. S. 26.
  • Stefano Arieti: Morandi, Anna. In: Raffaele Romanelli (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 76: Montauti–Morlaiter. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2012.
Commons: Anna Morandi Manzolini – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Susanna Falabella: Manzolini, Giovanni. In: Mario Caravale (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 69: Mangiabotti–Marconi. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2007.
  2. Scott D. Haddow: Giovanni Manzolini and Anna Morandi, Palazzo Poggi
  3. David Baker: The Wax Woman of Bologna, online, abgerufen am 22. Mai 2019
  4. Lucia Dacome: Women, Wax and Anatomy. In: Spaces, Objects and Identities in Early Modern Italian Medicine. Ed by Sandra Cavallo, David Gentilcore. 2008. S. 54.
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