André Campra
André Campra (getauft am 4. Dezember 1660 in Aix-en-Provence; † 29. Juni 1744 in Versailles) war ein französischer Komponist.
Leben
Die frühen Jahre
Campras Vater war der aus dem Piemont stammende Arzt Jean-François Campra, Campras Mutter hieß Louise Fabry. Seine erste musikalische Ausbildung genoss er als Chorknabe der Kathedrale Saint-Sauveur in Aix-en-Provence. Schon im Alter von 17 Jahren komponierte er seine ersten Motetten. 1678 begann er in Saint-Sauveur mit kirchlichen Studien und erhielt die Tonsur. 1681 verwies ihn das Domkapitel des Seminars, weil er an Theateraufführungen teilgenommen hatte.
Noch im gleichen Jahr trat er in Arles für zwei Jahre die Stelle des maître de musique an der Kathedrale Saint-Trophime an. Im darauffolgenden Jahr komponierte er anlässlich der Geburt des Herzogs von Burgund, eines Enkels von Louis XIV., seine erste Oper, die heute als verschollen gilt.
1683 zog es ihn nach Toulouse, wo er die Singschule der Kathedrale Saint-Étienne leitete; diese Position hatte er elf Jahre inne. Die musikalischen Mittel waren recht bescheiden, zur instrumentalen Unterstützung der Sänger standen ihm lediglich Serpents und eine Bassgambe zur Verfügung, Campra gelang es, noch zwei Violinstimmen hinzuzufügen. 1685 wurde er bei einer Versammlung der Stände des Languedocs in Montpellier als maître de musique empfangen.
Campra wird in keiner Quelle als ein umgänglicher Charakter bezeichnet, er wird als cholerisch, zynisch, dem Alkohol zugetan und mit der italienischen Partei sympathisierend beschrieben. Aus diesen Gründen verlor er seine Stelle in Arles, auch seine Tätigkeit in Toulouse war nicht problemlos. 1691 verlangte das Domkapitel, dass er seine Werke dem Kapitel vor jeder Aufführung vorlegen musste. Auf dem Höhepunkt dieser Spannungen wurde Campra 1694 durch die Hilfe des Abtes Lagrange-Trianon Leiter der Singschule an Notre Dame de Paris.
Ab 1697 begann Campra mit der Vertonung lyrischer Werke, der Ballett-Oper L’Europe Galante und Le Carnaval de Venise (1699). In dieser Zeit ließ er seinen Bruder Joseph (1662–1744) seine weltlichen Werke unterzeichnen, um seine Stelle an Notre Dame nicht zu verlieren, bat jedoch schließlich im Oktober 1700 um die Entlassung aus dem für ihn lukrativen Dienst der Kirche.[1]
Die späteren Jahre
Bis 1720 komponierte er rund fünfzehn opéras-ballets und tragédies lyriques, von denen einige mehrfach zu seinen Lebzeiten aufgeführt wurden. Inzwischen war er ein bekannter Musiker und wurde zum Kapellmeister der Académie Royale de musique in Paris berufen, nicht zuletzt weil der Geschmack des Regenten, eines Schülers Marc-Antoine Charpentiers, italienisch geprägt war. Nach dem Tode von Louis XIV. und dem Rücktritt von Michel-Richard Delalande wurde Campra, gemeinsam mit Charles-Hubert Gervais (1671–1744) und Nicolas Bernier (1664–1734), sous-maître der Chapelle Royale in Versailles.
Ab 1721 stand Campra ebenfalls in den Diensten der Jesuiten an deren Kirche St. Louis und am Collège Louis-le-Grand. Mit Ausnahme einer Oper Achille et Déidamie (1735) und zweier vom Prinzen de Conti bestellter Gelegenheitswerke (La Fête de l’Isle-Adam, 1722) zur Hochzeit des Herzogs von Chartres (Le Lis et la Rose, 1724) komponierte er nur noch Kirchenmusik, darunter etwa 30 Motetten, ein Requiem, zahlreiche Psalmen und für die Aufführung am Collège Louis-Le-Grand bestimmte Kantaten.
Zeitlich ist Campra zwischen Jean-Baptiste Lully und Jean-Philippe Rameau einzuordnen. Während die meisten Komponisten unmittelbar nach der Französischen Revolution vollständig in Vergessenheit gerieten, wurden die Werke von Campra, Lully und Rameau gelegentlich aufgeführt. Campra zählt zu den bedeutenden französischen Komponisten der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er etablierte das damals neuartige musikalische Genre Opéra-Ballet. Seine Musik ist gekennzeichnet von einer gewissen franco-italienischen Leichtigkeit und Schlichtheit, die das weltliche genauso wie das kirchliche Schaffen durchzieht.
1740 trat er mit 79 Jahren von seinen Ämtern zurück, die letzten vier Jahre seines Lebens verbrachte er zurückgezogen in Versailles.
Werke
- Geistliche Werke:
- Trois livres de cantates, 1708, 1714 et 1728
- Nisi Dominus, 1722
- Messe de morts (Requiem), nach 1723
- Motets pour la Chapelle Royale, 1723–1741
- Opern:
- L’Europe galante, opéra-ballet, 1697
- Le carnaval de Venise, opéra-ballet, 1699
- Hèsione, tragédie lyrique, 1700
- Aréthuse, 1701
- Tancrède, tragédie lyrique, 1702
- Les muses, 1703
- Iphigènie en Tauride 1704
- Télémaque, 1704 (Pasticcio)
- Alcine, 1705
- Hippodamie, 1708
- Les fêtes vénitiennes, 1710
- Idoménée, tragédie lyrique, 1712
- Télèphe, 1713
- Énée et Didon, 1714
- Camille, reine des Volsques, 1717
- Les âges, 1718
- Les sauvages, 1729
- Achille et Déidamie, 1735
Literatur
- Maurice Barthélémy: André Campra. Sa vie et son Oeuvre. Picard, Paris 1957.
- Maurice Barthélémy: André Campra. 1660–1744. Étude biographique et musicologique. Actes Sud, Arles 1995, ISBN 2-7427-0002-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- Sylvie Bouissou: Campra, André. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 4 (Camarella – Couture). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2000, ISBN 3-7618-1114-4, Sp. 67 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)