Alexeij Sagerer
Alexeij Sagerer (* 4. August 1944 in Plattling als Rudolf Friedrich Sagerer) ist ein deutscher Theaterregisseur, Autor, Schauspieler und Medienkünstler. Er gründete 1969 das Theater proT in München.
Leben
Sagerer wuchs im niederbayerischen Plattling auf. Die Wahl seines Künstlernamens ist als Schritt zur Unabhängigkeit von seinem Vater Rudolf Maximilian Sagerer zu betrachten, von dem er in seiner Kindheit gelegentlich Gewalt erfuhr.[1] Im Juli 1963 brach Sagerer die Schule in Deggendorf ab, worauf Aufenthalte in London und Paris folgten. In dieser Zeit beschloss er, seine Zukunft neben dem Schreiben auch dem Theater- und Filmemachen zu widmen.[2]
Ab 1966 besuchte er die Schauspielschule Zerboni, brach jedoch die Ausbildung ab. Seine ersten Erfahrungen beim Film sammelte er durch ein Praktikum bei Arri, wo er u. a. Schneiden lernte.[3] Zurück in München folgte sein erster Auftritt als Schauspieler 1968 im Stück Alteraction im Münchner Haus der Kunst. Später trat er mehrmals im Büchner-Theater auf. Dort hatte Sagerer 1967 auch sein Regiedebüt mit Oblomow nach dem Roman von Iwan Alexandrowitsch Gontscharow. Zwei Jahre später gründete er das proT.[4]
1971 wurde er wegen Vergewaltigung einer Schauspielerin angeklagt und verurteilt.[5] Von 1978 bis 1997 war er verheiratet, aus der Ehe stammen zwei Kinder.[6] 2007 kam ein Sohn aus einer Beziehung mit einer Journalistin zur Welt.[7]
Werk
Am 27. November 1969 erfolgte die Eröffnung des proT mit den StückenTödliche Liebe oder Eine zu viel und Gschaegn is gschaegn. Auch im Bereich der Videokunst war Sagerer aktiv. 1969 wurden seine zwei ersten Filmprojekte Krimi und Romance verwirklicht. 1973 gelang mit seiner vorwiegend dokumentarischen Produktion Aumühle der Sprung in die Kinos.[8]
1987 zur documenta 8 in Kassel zeigte Sagerer unter anderem die Installation Küssende Fernseher, in der durch aufeinanderprallende Fernseher die Gefahr der Medien thematisiert wird.[9]
Sagerer eckte regelmäßig in der Stadt München an. Freizügigkeit wie in Reine Pornografie (2006) oder politische Anspielungen wie in Tarzans Propaganda Ministerium (2003) führten bis in die 2000er zu Diskussionen über seine finanzielle Förderung.[10]
In Sagerers Werken wird der Körper selbst in den Vordergrund gerückt.[11] Sagerer ist bekannt für die Inszenierung stundenlanger Performances, wie beispielsweise in … und morgen die ganze Welt (1997), einer 28-stündigen Performance, in der er sich mit dreizehn Performern und sieben Schafen in einem Kubus einsperren ließ.[12]
Seine Stoffe bezieht Sagerer aus vielerlei Quellen, unter anderem aus Zeitungsartikeln (Aumühle), Volkssagen (Der Nibelung am VierVideoTurm), der Pop- und der Bayerischen Kultur (Gschaeng is gschaeng). Oft finden sich konkrete politische Anspielungen, beispielsweise auf die NS-Diktatur, wie in seinem Dreh-Konzept zu 7 deutsche Himmelsrichtungen.[13]
2016 filmte Sagerer für Liebe mich! Wiederhole mich! einen Freund beim Sterben.[14]
Auszeichnungen
- 1988 Ernst-Hoferichter-Preis
- 1997 Theaterpreis der Landeshauptstadt München als erster Künstler aus der Freien Szene
Produktionen (Auswahl)
- Tödliche Liebe oder Eine zuviel, Comics I. (1969)
- Gschaegn is gschaegn, Mundartcomics. (1969)
- Krimi, Film über Kino. (1969)
- Killing, Endlostheater. (1969)
- Aumühle, Film. (1973)
- Watt'n (ein Kartenspiel) oda Ois bren'ma nida, Comics IV. (1974)
- Der Tieger von Äschnapur, Produktionsreihe. (1977-1982)
- Küssende Fernseher, Installation. (1983)
- oh, oh Maiandacht..., Urform. (1987)
- di dawisch I fei scho no, Sprechskulptur. (1988)
- Zahltag der Angst: Heute. (1990)
- Der Nibelung am VierVideoTurm, Nibelungen & Deutschland Projekt (I-1). (1992)
- 7 deutsche Himmelsrichtungen, Video. (1995)
- … und morgen die ganze Welt, eine 28-stündige Theaterexpedition. (1997)
- Der größte Film aller Zeiten, live-Film. (1997ff)
- Reines Trinken – Gottsuche, Programm Weiss – Rausch und Rauschen. (2008)
- Weisses Fleisch, Programm Weiss – Wandlung und Deformation. (2012)
- Ein Gott Eine Frau Ein Dollar, Trash-Comics. Nach Ralph Hammerthaler. (2013)
- Liebe mich! Wiederhole mich!, Performance. (2016)
Literatur
- Fischer, Eva-Elisabeth: „Qualität gehört bestraft. Warum Alexeij Sagerers „proT“ die städtischen Zuschüsse gekürzt werden.“ Süddeutsche Zeitung, 5. Aug. 1994.
- Drewes, Miriam: Theater als Ort der Utopie. zur Ästhetik von Ereignis und Präsenz. Bielefeld, Transcript, 2010.
- Fischer, Ute: „‚Das stärkste TierSpiel’. Kartenspiel von Theatermann Alexeij Sagerer.“ Münchner Merkur Nr. 273, 28. Nov. 1986, S. 31.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich – wiederhole mich. Künstlerische Biografie. Theater der Zeit, Berlin 2016.
- Hammerthaler, Ralph: „proT für die Welt. Der Performer Alexeij Sagerer kämpft mit Schulden – und räumt daher sein Theater.“ Süddeutsche Zeitung, 8. Dez. 1997.
- Leucht, Sabine: Das Kolloquium von Äschnapur. Entn. Theater der Zeit, 1/2020. <https://www.theaterderzeit.de/archiv/theater_der_zeit/2020/01/38338/komplett/> Letzter Zugriff: 10. Februar 2020.
- Lorenz, Gabriella: „Ein Ringer rettet sich am Mattenrand. AZ-Report Münchens freie Theaterszene (I): Alexeij Sagerer.“ Abendzeitung, 03. Sep. 1996.
- Seidenfaden, Ingrid: „... und morgen die ganze Welt.“ Abendzeitung, 26. Aug. 1997.
- Stammen, Silvia: Eigentlich geht's um Leben und Tod, aber das muss ja nicht traurig sein. In: Theater heute, Heft 2, 1995.
- Sucher, Bernd: Henschel Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Berlin: Henschel, 2010.
Weblinks
- „Alexeij Sagerer und das proT – BR 1995.“ 24. Jan. 2017, YouTube, 00:08:25, <https://www.youtube.com/watch?v=zymXX79vryk&feature=youtu.be> Letzter Zugriff: 6. Februar 2020.
- „Das Münchner Theater proT - Goethe-Institut 1993.“ 16. Jan. 2017, YouTube, 00:11:33, <https://www.youtube.com/watch?v=ZO6mzFWLlE4> Letzter Zugriff: 6. Februar 2020.
- o.A.: Hommage an Alexeij Sagerer. Entn. Süddeutsche Zeitung. <https://www.sueddeutsche.de/kultur/symposium-hommage-an-alexeij-sagerer-1.4696688> Letzter Zugriff: 6. Februar 2020.
- proT: proT. Entn. proT. <https://www.prot.de/index.php> Letzter Zugriff: 6. Februar 2020.
- proT: Werkverzeichnis I. Alexeij Sagerer, proT – Produktionen. Entn. proT. <https://www.prot.de/BLAU/VERZEICHNISSE/werkverzeichnis.php> Letzter Zugriff: 6. Februar 2020.
Einzelnachweise
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 21.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich – wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 25 ff.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich – wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 31.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 34 f.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 47 ff.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 102.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 238.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 78.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 132 ff.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 224.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 23.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 288.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer: liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 196.
- Hammerthaler, Ralph: Alexeij Sagerer. liebe mich - wiederhole mich: Künstlerische Biografie. 1. Auflage. Theater der Zeit, Berlin 2016, ISBN 3-95749-086-3, S. 273.